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Fashion Week in Berlin: Ende einer großen Show

Foto: Peter Michael Dills/ Getty Images for Mercedes-Benz

Fashion Week in Berlin Kaum Schein, viel Sein

Noch nie war die Fashion Week länger, größer, erwachsener. In Berlin präsentierten sich mehr als 50 Kollektionen sowie 150 nationale und internationale Designer. Das Image eines Modezirkus hat die Hauptstadt endlich abgestreift.
Von Wlada Kolosowa

Eine vollgepackte Modewoche geht zu Ende. Diesmal fing sie schon am Dienstag an - einen Tag früher als sonst. Trotzdem hätte man übersinnliche Kräfte gebraucht, um auch nur einen Bruchteil des Programms zu sehen: Vier Tage lang wurden im Zelt der Mercedes-Benz Fashion Week über 50 Kollektionen präsentiert, außerdem lockten zwei Laufstege, die auch der Öffentlichkeit zugänglich waren. Elf große Messen und einige kleinere sorgten für volle Terminpläne, außerdem die Showroomdays, bei denen 150 nationale und internationale Designer und Künstler ihr Werk präsentierten.

In diesem Jahr feierten zwei der größten Modemessen ihren zehnten Geburtstag: Premium, die auf Highend-Fashion spezialisiert ist, und Bread and Butter, bei der Streetwear und Denim im Fokus stehen. Über 200.000 Besucher spülte die Fashion Week nach Berlin. Laut einer Studie der Investitionsbank Berlin lassen sie 120 Millionen Euro in der Stadt.

Trotzdem gilt die Fashion Week noch vielen als Modezirkus: Weil man öfter darüber liest, wer wo feierte, als darüber, wer was zeigte; weil die C-Promis in den ersten Reihen immer noch mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Kollektionen auf dem Laufsteg; und weil die Entwürfe manchmal mehr glitzern als glänzen, um mit ihnen konkurrieren zu können.

Doch immer öfter fällt das Scheinwerferlicht der Medien auch auf die Designer, die nicht unbedingt am lautesten schreien: auf die schwarze Melancholie von Augustin Teboul, auf die zeitlosen Hybrid-Entwürfe von Michael Sontag, und auf das Designduo Achtland, die ihre Kollektion diesmal als Videoinstallation präsentierten.

Perfekt unperfekt

Traditionslabels wie Rena Lange und Hugo blieben auch diesmal der Fashion Week treu - und zeigten Kollektionen mit wenigen Ecken und Kanten, damit nicht nur die Medienberichterstattung stimmt, sondern auch die Kasse. Von Kritikern gelobt wurden aber auch die Designer, die Experimente nicht scheuen: Derya Issever und Cimen Bahri von Issever Bahri haben sich in diesem Jahr von Istanbuls Architektur inspirieren lassen. Sie kombinierten hauchzarte Röcke mit schweren Pullovern, ergänzen ihre klarlinigen Entwürfe mit gehäkelten Applikationen oder hüllten den Körper komplett in Häkelspitze ein.

Lob erntete auch die perfekte Unperfektion von Vladimir Karaleevs Entwürfen, bei denen die ungesäumten Kanten und sichtbaren Nähte die einzigen Accessoires sind. Karaleev galt schon immer als Meister von Patchwork und mehreren Lagen, zwischen denen immer wieder sein Markenzeichen - die Farbe Blau - schimmert. Diesmal ist der Designer noch einen Schritt weiter gegangen.

Seine Entwürfe sehen aus, als bestünden sie aus mehreren Kleidungsstücken, die auseinander genommen und neu zusammengesetzt wurden: Die Ärmel eines Männerpullovers scheinen aus vier verschiedenen zusammen genäht; ein Oberteil hört bei der Hälfte auf; durch die transparenten Cut-Outs eines Pullovers blitzt ein Stück Haut hervor, als sei sie eingerahmt. "Der Deutsche Margiela!", wisperte es schon aus dem Publikum.

Internationale Nischen füllen

Dass Maison Martin Margiela in Berlin präsentiert, ist in nächster Zeit allerdings nicht zu erwarten. Dass große Designer-Namen aus dem Ausland kommen - dafür muss Berlin noch etwas Geduld haben. Die Stadt ist aber mehr als nur eine Bühne, auf der deutsche Mode präsentiert wird. Auch hinter den Kulissen passiert viel: Mehr als 2000 Modeschöpfer gibt es in Berlin - mehr als irgendwo sonst in Deutschland. 2011 waren hier 18.500 Menschen in der Branche beschäftigt

Nach wie vor gibt es in der Hauptstadt mehr Fete als Knete, es prasselt immer noch mehr Beifall als Bestellungen. Die Stadt könnte sich aber Themen widmen, die in New York, London, Mailand und Paris zu kurz kommen. Zum Beispiel der grünen Mode: Der Green Showroom ging 2013 in die siebente Saison. Und nachdem in diesem Jahr die grüne Messe in Paris abgesagt wurde, avancierte die Ethical Fashion Show zur wichtigsten Plattformen für grüne Casual Wear in Europa.

"Berlin könnte die Hauptstadt der grünen Mode werden", sagt Olaf Schmidt von der Frankfurter Messe, die an der Ausrichtung der beiden grünen Plattformen beteiligt ist. "Das Interesse ist da. Jedes Jahr melden sich mehr Aussteller an." Auch auf der Nachfrageseite steige die Begeisterung: "Es sind vor allen Dingen Menschen, die sich vorher nicht für grüne Mode interessiert haben", sagt er. "Sie kaufen hauptsächlich, weil ihnen gefällt, wie etwas aussieht und wie es sich anfühlt: Erst kommt die Mode, dann die Nachhaltigkeit."

Nachdem der Applaus verklungen ist und die lobenden Artikel eingeheftet sind, werden sich viele Designer überlegen müssen, wie sie im nächsten Jahr über die Runden kommen. Und natürlich wird wieder gemeckert werden, dass Mode in Berlin mehr Schein als Sein ist. Die Modebranche könnte allerdings etwas Rampenlicht gebrauchen: Im Schnitt sanken die Umsätze der deutschen Modehändler 2012 um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr, berichtet das Branchenmagazin "Textilwirtschaft". Es sei seit 2008 das erste Mal, dass der Deutsche Modehandel ein Jahr mit einem Umsatzminus abschließt.

Statt über die hungrigen Berliner Designer zu lästern, sollte man ihnen dankbar sein, dass sie die Scheinwerfer für den Rest anknipsen.

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