Festivalbesuch ohne Müll – geht das? Ich habe es ausprobiert
Dieser Beitrag wurde am 09.08.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Festivals sind die willkommene Ausrede, um neun Uhr morgens schon das erste Bier zu öffnen, tagelang draußen zu sein und nebenbei die liebsten Bands zu sehen. Was nach einem wunderbaren Musikerlebnis in der Natur klingt, hat auch eine schmutzige Seite.
Schätzungsweise 30 Prozent der Zelte bleiben auf Musikfestivals in Deutschland zurück und landen im Sperrmüll (Süddeutsche Zeitung ). Tonnenweise Blechdosen, Verpackungsmüll und Zigarettenstummel finden sich auf den Veranstaltungsflächen. Oft stammt der Strom für Bühnenshows und Geländebeleuchtung aus Dieselgeneratoren. Bilder nach der Feierei zeigen oft: Festivals sind eine Müllmaschine.
Immer mehr Veranstalterinnen und Veranstalter versuchen deshalb, grüner zu werden: Durch Recyclingstationen, Sperrmüllverbot, Belohnungen für Müllsammler und Pfandsysteme. Trotzdem verursachen wir, die Festivalbesucher, noch immer extrem viel Müll.
Was können wir also tun, um nachhaltiger zu feiern? Ich habe es auf dem Szene Openair im österreichischen Lustenau getestet.
Die Mission: Drei Tage Festival – und dabei so wenig Müll wie möglich verbrauchen.
1 Die Vorbereitung: Planung ist alles.
Wer auf Festivals Müll sparen will, muss sich vorbereiten. Also beginne ich knapp eine Woche vorher mit meinen Besorgungen. Auf der Website lese ich, dass auf dem Gelände Campingkocher und offenes Feuer verboten sind, also müssen haltbare Gerichte her, die satt machen.
Ich entscheide mich für kiloweise selbstgemachte Brotchips und Müsli. Im Unverpacktladen kaufe ich zwei Kilo Haferflocken, die ich mit Nüssen aus meinem Vorratsschrank mische und im Ofen knusprig backe. Günstig ist das mit knapp 14 Euro allein für die Haferflocken allerdings nicht.
Obst und Gemüse kaufe ich im "normalen" Supermarkt, denn auch hier gibt es ein paar plastikfreie Alternativen. Als ich meine Kiste voll mit losen Äpfeln, Gurken und Tomaten auf das Kassenband stelle, eilt eine Verkäuferin mit Einweg-Plastiktüten herbei. Nett gemeint, ich lehne ab.
Auch die Körperhygiene möchte ich plastikfrei angehen: Eine Zahnbürste aus Holz, Haargel aus der Blechdose, Schafsmilchseife und eine Deocreme. Das Kontaktlinsenmittel und meine Gesichtscreme müssen trotzdem in ihren Plastikbehältern mit aufs Gelände.
Festivalglitzer und abwaschbare Tattoos sind dieses Mal nicht dabei, denn so schön der Körperschmuck auch ist, so schädlich ist er auch für die Umwelt.
Wir haben mit zwei Menschen gesprochen, die sich für Öko-Glitzer stark machen:
2 Der Alkohol: drei Tage Schnaps.
Der richtige Festival-Pegel und trotzdem die Umwelt schonen? Nicht einfach. Dosenbier ist raus, Flaschenbier ist auf dem Gelände des Szene Openairs wegen der Bruchgefahr nicht erlaubt.
Die Lösung sehe ich im harten Alkohol. Für meine Gruppe mische ich in zwei Fünf-Liter-Kanistern Bowle aus Wodka, Gin und Säften. Schmeckt am dritten Tag ungekühlt nicht mehr besonders gut, erfüllt aber den Zweck.
Auf dem Gelände gibt es außerdem Bier nur im Mehrwegbecher gegen Pfand, also greife ich ganz ohne schlechtes Gewissen zu. Außerdem darf ich meine wiederbefüllbare Aluflasche mit Wasser mit auf das Gelände nehmen.
3 Das Essen: Futterneid und Chipstüten.
Auch für das Einwegbesteck der Essensstände gibt es ein Pfandsystem, doch es gerät bei mir an seine Grenzen: Als ich Kaffee in meinem Alubecher bestelle, wird mir trotzdem Pfand berechnet. Auch für die Pizza, an der ich mir ohne Pappteller die Hand verbrenne, muss ich einen Euro Pfand zahlen – das Kassensystem ist auf Müllvermeider wie mich nicht ausgelegt. Nach einigen Diskussionen bekomme ich am Pfandschalter trotz fehlenden Pfandgutes mein Geld zurück. Gerechtigkeit!
Kulinarisch muss ich mich trotzdem einschränken: Neidisch blicke ich auf die Chips, Reiswaffeln und Nüsse meiner Freundinnen – für mich keine Option, denn sie sind ausnahmslos in Plastik verpackt.
Ganz ohne Verpackungsmüll beim Essen klappt es aber auch bei mir nicht: Die Milch für das extra angemischte Müsli muss haltbar sein und darf nicht im Glas mitgebracht werden, also bleibt mir nur der Tetrapack.
Auch beim Brotaufstrich muss ich mich geschlagen geben. Nur Brotchips und Müsli mit Apfel machen mich nicht dauerhaft satt, aber selbstgemachte Dips kann ich ohne Einmachglas nicht haltbar machen. Also bestreiche ich mein Brot mit einer Portion schlechtem Gewissen und Aufstrich aus dem Plastikbecher.
Trotz dieser Patzer bin ich erstaunt, wie leicht mir der Festivalalltag im Ökomodus fällt: Meine Bowle trinke ich fröhlich im eigenen Mehrwegbecher, unter der Dusche leistet meine Hartseife beste Arbeit und mein kleiner Berg Biomüll aus Obst- und Gemüseresten macht mir kein schlechtes Gewissen.
4 Die ersten Fehler: rauchen oder nicht rauchen?
Obwohl ich wirklich auf meinen Müllverbrauch achte, passieren mir Fehler: Erst am dritten Tag fällt mir beispielsweise auf, dass ich mir auf dem Festivalklo die Hände nach dem Waschen mit Papierhandtüchern abgetrocknet habe. Ab sofort nehme ich ein Geschirrtuch mit auf das Gelände.
Nach meiner ersten Festivalzigarette bemerke ich, dass der schmutzige Stummel auch irgendwohin muss. Zudem verunreinigt er auch noch 40-60 Liter Grundwasser (Naturschutzbund ). Weil Rauchen sowieso nicht gesund ist, lasse ich es also bleiben.
5 Die Nachbarn: weg damit.
Der Müll ist überall. Meine Zeltnachbarn lassen alles auf dem Boden liegen: Dosen, Plastiktüten, zerfetzte Zeltplanen oder Küchenrolle. Und auch die übrigen Feierwütigen haben unnötige Dinge dabei, die sie später auf dem Gelände zurücklassen: Aufblasbare Sexpuppen, Wasserpistolen aus Plastik, riesige Pavillons, die fast immer leer bleiben.
Dabei bemühen sich die Veranstalter des Szene Openairs bereits darum, eine gute Ökobilanz zu erzielen: kostenlose Anreise mit dem Nahverkehr; kostenlose, überwachte Fahrradparkplätze; ein Müllpfand von fünf Euro; ein gratis Abendessen für alle, die während des Festivals Müll freiwillig Müll sammeln.
Bei den meisten Besuchern scheint all dies allerdings nicht auszureichen.
Nach drei Tagen Festival in meiner Müllvermeidungsblase bin ich sensibilisierter für all das Plastik um mich herum: Während die anderen Besucherinnen zahlreiche Müllsäcke zu der Recyclingstation schleppen, sammle ich noch den Müll meiner Zeltnachbarn ein, um meinen Sack voll zu bekommen.
Am Ende habe ich einen Tetrapack Milch, eine Plastikschale Aufstrich
und ein Blatt Papier verbraucht. Aber ich nehme auch einiges an Plastik
wieder mit: Die Sonnencreme, die noch mehr als halb voll ist, das
Kontaktlinsenmittel oder die Kanister, in denen nun anstelle von Wodka
Leitungswasser seinen Platz findet.
Ganz müllfrei hat es bei mir nicht funktioniert.
Zwar erleichtern es gute Umweltkonzepte Besuchern wie mir, nachhaltig zu feiern. Der Müll derer, die sich der ökologischen Mentalität verweigern, bleibt allerdings auf dem Gelände zurück.
Wer mit gutem Gewissen feiern möchte und sich entsprechend vorbereitet, der hat auch ohne Dosenbier und Chipstüten seinen Spaß auf dem Festival – ich hatte ihn allemal.
So klappt der ökologische Festivalbesuch:
Informiere dich im Vorfeld, was auf dem Campinggelände erlaubt ist und plane dein Essen entsprechend.
Packe nur das Nötigste ein: Brauchst du wirklich eine Wasserpistole oder Konfetti?
Nimm Blechdosen, -schalen und -teller mit: Sie können nicht zerbrechen und sind wiederverwendbar!
Habe immer einen kleinen Mülleimer dabei, um nichts auf den Boden zu werfen: Eine leere Kaugummi-Dose kannst du für kleinen Müll immer dabei haben.
Investiere nach Möglichkeit in ein Zelt, dass mehr als einem Auf- und Abbau aushält.
Koche vor und verzichte auf Dosennahrung oder einzeln verpackte Snacks.
Vermeide Hygieneartikel in Plastik: Eine Hartseife und Bambuszahnbürste kosten nicht wesentlich mehr als herkömmliche Hygieneprodukte.
Vergiss irgendwelche Online-Packlisten: Fast niemand braucht Gaffer-Tape, eine extra Taschenlampe oder zehn Rollen Klopapier.