Flirtbörse WJT Sie beteten und sie schliefen miteinander
Köln - Gemeinsam am Rheinufer auf den Sonnenaufgang warten - so haben Josef aus Wien und Maria aus Toulon ihre erste gemeinsame Nacht auf dem Kölner Weltjugendtag verbracht. "Es war so romantisch", schwärmt Maria am Morgen. Die beiden 16-Jährigen haben sich auf der Wallfahrt zum Kölner Dom kennen gelernt. "Ich habe sie gesehen und wusste, jetzt hat es mich erwischt", gesteht der Gymnasiast und ist überzeugt: "Josef und Maria - das passt doch perfekt."
Wenn über 400.000 Jugendliche aus aller Welt zusammenkommen, dann bleibt es oft nicht bei Gesprächen über Glaubensfragen oder den bevorzugten Musikgeschmack. Die zahlreichen händchenhaltenden Paare, die seit Dienstag mit ihren blauen Pilgerrucksäcken in der Kölner Innenstadt unterwegs sind, zeigen, dass der Weltjugendtag auch eine große Flirtbörse ist.
Es scheint, als ob der Appell von Bundespräsident Horst Köhler an die jungen Pilger, mit möglichst vielen neuen Handynummern und E-Mail-Adressen aus Köln wegzufahren, auf mehr als fruchtbaren Boden gefallen ist. "Wenn man auf dem Weltjugendtag jemanden kennen lernt, dann weiß man gleich, dass man die gleichen Interessen und den gleichen Hintergrund hat. Das ist doch viel besser, als wenn dich ein völlig Fremder in der Disco anspricht", findet jedenfalls Miriam aus Karlsruhe.
Auch in den überfüllten Bussen und Straßenbahnen kommt man zwangsläufig ins Gespräch. Dazu kommen die Katechesen, der intensive Dialog über Glaubensfragen in den einzelnen Pfarrgemeinden: "Da wird schnell klar, wie jemand so denkt", ist Miriam überzeugt.
Dass aus dem geteilten Gemeinschaftserlebnis durchaus etwas Ernstes werden kann, weiß der Kölner Kardinal Joachim Meisner zu berichten: "Mein Fahrer war erst vor kurzem bei der Hochzeit eines Paares, das sich vor drei Jahren beim Weltjugendtag in Toronto kennen gelernt hat."
Ob es auch beim französisch-österreichischen Paar Maria und Josef so weit kommen wird, ist natürlich noch offen. Den Segen der begleitenden Seelsorger hätten sie jedenfalls: "Natürlich haben wir nichts dagegen, dass sich auf der Reise zum Weltjugendtag Pärchen finden. Das ist dann ja gewissermaßen eine Art katholisches Ehe-Institut", freut sich Schwester Innoczenca, in deren Pilgergruppe Maria nach Köln reiste. Sorge um Tugend und Anstand ihres frisch verliebten Schützlings hat sie nicht: "Ich kenne meine Mädchen."
Dem Flair der Veranstaltung scheinen sich auch einige der Seelsorger nicht entziehen zu können, wie Franziskaner-Pater Antonius aus der Nähe von Freiburg einräumt: "Natürlich bin als Mönch zur Enthaltsamkeit verpflichtet. Aber wenn ich hier ein hübsches Mädchen sehe, dann freue ich mich doch, wie viel Schönes Gott in seiner Schöpfung gelungen ist." Bei den Pfadfinderinnen in Pater Antonius Pilgergruppe scheint diese Einstellung gut anzukommen: Der Pater ist "einfach cool", finden die 14-Jährigen.
Markus Peters, ddp