Florian Schwinn, Jahrgang 1954, ist Autor des gerade erschienenen
Buchs "Rettet den Boden!". Er jagt keine Maulwürfe mehr, seit er einen auf dem
Spaten hatte, ihm den Garaus machen wollte - und dann sein samtenes
Fell bemerkte.
Nachdem das Tierchen sich wieder vergraben hatte, realisierte
Schwinn, dass der Maulwurf zwar die gestutzte Halmsteppe (seinen Rasen) etwas
durcheinander gebracht hatte - aber dass es eigentlich ein Segen war, ihn
dazuhaben. Er zeigte ihm, dass es im Boden unter dem Gras genug Nahrung
gab. Dass der Boden lebte. Was man vom Acker nebenan nicht behaupten konnte, wo
vom Pflug aufgeworfene Erdschollen bläulich schimmerten und wie Stinkbomben
rochen. Viel Leben war da nicht mehr drin.
Schwinn ließ der Vergleich zwischen
dem Garten und dem Acker nicht mehr los. Sein Thema wurde die Unterwelt, die
ziemlich unterbelichtete Basis dessen, was weiter oben im Augenblick Konjunktur
hat: Bäume, Vögel, Bienen. Er recherchierte zu wichtigen Dienstleistern wie
Würmern und Springschwänzen und dazu, was die Böden im Namen der modernen
Landwirtschaft alles zu ertragen haben. Der Boden unter uns ist dünn, warnt
Schwinn, und wir müssen aufpassen, dass wir unserer Erde nicht die Haut
abziehen.
SPIEGEL: Ihr Buch beschäftigt sich mit der Unterwelt, unserem Boden -
und es klingt düster. Wir seien dabei, uns den Boden unter den Füßen
wegzuziehen, schreiben Sie. Wieso?
Schwinn: Wieso weiß ich auch nicht. Weil wir blöd sind wahrscheinlich.
Unsere Spezies ist offenbar kaum in der Lage, Wissen in Handlung umzusetzen. Wir
wussten noch nie so viel über unsere Wirkungen auf die Umwelt wie heute - und
haben noch nie so viel zerstört.
SPIEGEL: Liegt das vielleicht auch daran, dass der Boden als "Hidden
half" gilt, wie der amerikanische Umweltautor David Montgomery schrieb, also die
versteckte, vernachlässigte Hälfte der Natur, über die wir doch nicht soviel
wissen?
Schwinn: Boden, allein das Wort klingt im Deutschen schon ziemlich
verräterisch. Fußboden, Dachboden, da stellt man Dinge drauf, aber man guckt
nicht drunter.