Flutkatastrophe
US-Navy fliegt Hilfseinsätze, Bundeswehr sondiert noch
Während ein Vorabteam der Bundeswehr noch in drei Zelten auf dem Flughafen von Banda Aceh kampiert, fliegen Amerikaner, Australier und Neuseeländer bereits tonnenweise Hilfsgüter in die Katastrophengebiete. Doch die meisten Orte sind nur schwer zu erreichen, die Überlebenden warten verzweifelt auf Trinkwasser und Reis.
Ununterbrochen starten graue Helikopter der US-Armee in abgelegene Küstenorte, um Nahrungsmittel und Medikamente abzuliefern. Sie sind auf dem Flugzeugträger "Abraham Lincoln" stationiert, der aus Hongkong kommend vor Banda Aceh vor Anker gegangen ist. Einige der insgesamt zwölf Hubschrauber bringen Verletzte nach Banda Aceh. Marinesoldaten rennen umher, die Hubschrauber werden lediglich mit Handzeichen eingewiesen.
In den verwüsteten Dörfern sind die Piloten begeistert empfangen worden. Die Menschen, die seit einer Woche auf Hilfe warten, hätten den US-Soldaten Kusshändchen zugeworfen und sie regelrecht gefeiert, berichtet ein Reuters-Reporter. "Gestern war der beste Tag meiner Flieger-Karriere", wird Seahawk-Pilot Joel Moss zitiert.
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Fotostrecke: Die Katastrophe nach der Katastrophe
Die Soldaten berichten von Flüchtlingen, die zu Tausenden auf dem Weg in die Provinzhauptstadt seien. Viele Menschen hätten sich aber auch einfach in höher gelegene Gebiete gerettet, dort hätten sie provisorische Lager errichtet. Die Flutopfer hätten von vielen Verletzten berichtet, die noch immer nicht versorgt worden seien.
Gestern wurden die ersten amerikanischen Marine-Ärzte nach Meulaboh verlegt. Weil die Mediziner den Namen der Stadt nicht aussprechen konnten, nannten sie die Ortschaft schlicht "Malibu". Nun werden sie im Krankenhaus vor Ort ihren Dienst beginnen.
Todesopfer nach Ländern*
Indonesien
98.489
Sri Lanka
30.680
Indien
15.782
Thailand
5291
Somalia
298
Birma
90
Malediven
82
Malaysia
74
Deutschland
60
Schweden
52
Großbritannien
41
USA
35
Japan
23
Schweiz
23
Frankreich
22
Italien
20
Norwegen
16
Australien
17
Finnland
15
Südkorea
11
Tansania
10
Österreich
10
Russland
10
Südafrika
10
Singapur
9
Hongkong
8
Dänemark
7
Niederlande
7
Belgien
6
Kanada
5
Polen
5
Israel
4
China
3
Taiwan
3
Bangladesch
2
Brasilien
2
Argentinien
2
Neuseeland
2
Mexiko
2
Kenia
1
Kroatien
1
Irland
1
Tschechien
1
Chile
1
Kolumbien
1
Türkei
1
*amtliche Angaben
Das Bundeswehrteam dagegen ist noch längst nicht einsatzbereit. Auf einer "Erkundungstour" wolle man sich zunächst einen Überblick verschaffen, was "wir bieten können", erklärte Oberstarzt Jürgen Canders. Den Vorwurf, die deutsche Armee sei spät dran, wies der Militärmediziner zurück: Weitere Hilfsmassnahmen müssten angesichts der enormen Zerstörungen "sinnvoll langfristig aufgebaut werden." Es gehe den Deutschen vor allem darum, die nationale Versorgung zu ergänzen und zu verstärken".
Das deutsche Lazarettschiff "Berlin", das bislang am Horn von Afrika stationiert war, ist auf dem Weg zur Insel Sumatra. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Klaus
Scharioth, sagte heute in Berlin, das Schiff werde Mitte kommender Woche vor Ort erwartet.
Die Bundeswehr-Delegation besteht aus neun Soldaten, darunter ein Oberstleutnant der Militärpolizei. Die Gruppe hat drei kleine Zelte auf dem militärischen Teil des Flughafens von Banda Aceh aufgeschlagen. Heute Vormittag konferierten die deutschen Militärs mit der indonesischen Armee und internationalen Hilfsorganisationen. Insgesamt sind inzwischen acht Uno-Organisationen, das Internationale Rote Kreuz und 21 Nicht-Regierungsorganisationen aus aller Welt in Banda Aceh.
Canders Fazit: "Der Zulauf von Hilfsgütern ist völlig unkoordiniert. Das Hauptproblem ist die Verteilung." Dass es dabei Engpässe gibt, geben Helfer vor Ort zu. Besonders schwierig ist es, die Ortschaften an der Küste zu versorgen. Weite Teile des Uferstreifens im Westen der Provinz sind derzeit nur aus der Luft oder von der See zugänglich, da die Flutwellen die einzige Straße weggespült haben. Die meisten Orte sind schwer verwüstet und bislang ohne wesentliche Hilfe, die Überlebenden warten verzweifelt auf Trinkwasser und Reis.
Auf dem Rollfeld der Provinzhauptstadt landen ununterbrochen Militärfrachter. Am Abend soll eine Maschine des deutschen Roten Kreuzes eintreffen. Direkt neben den Zelten der deutschen Soldaten stoppt eine Herkules der neuseeländischen Luftwaffe.
In Banda Aceh besteht immer noch die Gefahr, dass Seuchen ausbrechen. Es erscheint sicher, dass eine enorme Zahl von Leichen nach wie vor unter den Trümmern oder im Schlamm liegt.
25 BilderFotostrecke: Die Katastrophe nach der Katastrophe
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Anay Sowannakang, 10, steht im thailändischen Ban Nam Khem dort, wo früher sein Haus war. Seine Mutter liegt unter den Trümmern begraben
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An dem Baum warnt ein Schild: Achtung Landminen! In Sri Lanka sind viele Gebiete noch immer vermint. Die Flutwellen haben die Sprengsätze weit ins Land geschwemmt
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Im thailändischen Yan Yao Temple beten Frauen für eine getötete Verwandte. In dem Tempel werden die Leichen gesammelt, hier versuchen Ärzte und Gerichtsmediziner die Toten zu identifizieren
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Kartheeka aus dem indischen Nagapattinam hat die Katastrophe überlebt. In Indien wird die Zahl der Opfer inzwischen mit mehr als 15.000 angegeben
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In Banda Aceh sind Piloten der U.S. Navy im Dauereinsatz: Sie fliegen Wasser und Nahrungsmittel in die bislang von den Hilfslieferungen abgeschnittenen Regionen
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Ein Überlebender in Lam Jamek in der Provinz Banda Aceh spült in einer Pfütze auf der Straße Geschirr ab. Die Seuchengefahr in der Region ist extrem hoch
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In Port Blair, auf den zu Indien gehörenden Andamen- und Nikobaren-Inseln, protestieren Fischer gegen eine Regelung, die ihnen den Fischfang verbietet. Es gibt Befürchtungen, dass die Fische die im Meer schwimmenden Toten gefressen haben
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In Lhoknga (Banda Aceh) hält sich ein Soldat die Nase zu. Das Schiff im Hintergrund wurde durch die Riesenwelle an Land geschmettert
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In Nagapattinam (Indien) stochert eine Frau in den Trümmern nach Habseligkeiten
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Zwei Elefanten helfen in der indonesischen Küstenstadt Banda Aceh dabei, die Trümmer der durch den Tsunami zerstörten Häuser beiseite zu räumen
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Eine Bewohnerin passiert mit ihrem Hund die schwer beschädigten Läden von Patong Beach auf der thailändischen Ferieninsel Phuket. Ministerpräsident Thaksin Shinawatra drängt darauf, die Touristenstrände möglichst schnell wiederherzustellen
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Bewohner der indonesischen Provinz Aceh stehen bei der Verteilung von Trinkwasser durch australische Soldaten an. Acht Tage nach der Katastrophe warten immer mehr hungrige und kranke Menschen auf Hilfe
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Ein Familienvater durchsucht die Reste seines Hauses in Paraliya im südlichen Sri Lanka. Die Flut hat von dem Gebäude nichts übrig gelassen
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Eine thailändische Hotelangestellte sitzt in der verwüsteten Lobby ihres Hotels in Patong Beach. Noch immer werden in dem einstigen Ferienparadies unter Schlamm und Trümmern Tote geborgen
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Acht Tage nach der Flutkatastrophe kämpfen die Bewohner von Banda Aceh um ihr Überleben - und stehen in langen Schlangen, um auf ihre Wasserration zu warten
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Mitglieder verschiedener Glaubensgemeinschaften beten in der philippinischen Hauptstadt um die Opfer des Tsunami
Foto: REUTERS
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Eine Bewohnerin der besonders schwer getroffenen Provinz Aceh auf Sumatra beginnt beim Anblick ihres verwüsteten Dorfes zu weinen
Foto: REUTERS
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Alles verloren, alles zerstört: Dieser Mann bricht in Tränen aus, als er das Ausmaß der Verwüstungen in Aceh erkennt
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Thailändische Polizeibeamte sortieren Personalausweise und Kreditkarten, die auf der vom Tsunami schwer getroffenen Phi-Phi-Insel gefunden wurden. Die meisten der Karten, die nach Nationalität geordnet werden, gehören Touristen aus Übersee, darunter Deutsche, Australier, Franzosen, Schweden und Briten
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Indische Fischer holen vor Akkrapattai, einer Fischer-Kolonie 350 Kilometer südlich von Madras, ihre Netze ein. Früher lebten mehr als 5000 Menschen im wohlhabenden Akkrapattai, nach dem Tsunami ist es eine Geisterstadt
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Die Inderin Sakuntla (Mitte) und ihre Tochter Deplaxmi haben überlebt, doch ihr Haus ist von den Wassermassen völlig zerstört worden. Insgesamt sind rund 144.000 Inder durch Flut zu Obdachlosen geworden
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Thailändische Kriminalmediziner untersuchen die Leichen von Flutopfern, über die Desinfektionsmittel gesprüht wird. Nach bisherigen Erkenntnissen starben in Thailand 5000 Menschen in der Flut, etwa die Hälfte von ihnen waren Ausländer
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Am ersten Tag nach den Weihnachtsferien kamen nur wenige indische Schüler wieder in den Unterricht
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Ein verletzter indonesischer Junge ruht sich auf einem Kleiderstapel in einem Flüchtlingszelt aus blauen Plastikplanen aus. Indonesien hat mit 94.000 Toten die meisten Opfer zu beklagen
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Ein kleines Mädchen und ihre Mutter bekommen in einem Flüchtlingslager in der indonesischen Stadt Banda Aceh etwas zu essen. Noch mehr als eine Woche nach der Katastrophe sind Teile der Provinz Aceh von der Außenwelt abgeschnitten