Umstrittene Doktorarbeit Berliner AfD rollt Giffeys Plagiatsaffäre noch mal auf

Franziska Giffey im Bundestag: Neue Details in der Plagiatsaffäre
Foto: Bernd von Jutrczenka/ DPADie Plagiatsaffäre um Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) dreht eine weitere Runde. Grund dafür ist eine fünfteilige schriftliche Anfrage der Berliner AfD-Fraktion an den Senat zur Überprüfung von Giffeys Doktorarbeit. Die Freie Universität Berlin (FU), die Giffeys Arbeit damals betreute, hatte sich mit Einzelheiten zu dem Fall immer sehr zurückgehalten, auch Giffey selbst hatte sich kaum dazu geäußert. Die Antworten des Senats zeichnen nun ein detaillierteres Bild der Ergebnisse - und werfen Licht auf eine fragwürdige Personalie. Zuerst hatte die "FAZ" darüber berichtet.
Im Kern geht es vor allem darum, ob Giffey bei ihrer Doktorarbeit vorsätzlich abgeschrieben hat und wer im vergangenen Jahr an der Aufklärung der Plagiatsvorwürfe beteiligt war.
Der Hintergrund: Giffey war im Jahr 2010 mit einer 266 Seiten starken Arbeit an der Freien Universität promoviert worden. Der Titel der Arbeit: "Europas Weg zum Bürger - Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft". Damals arbeitete sie als Europabeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, ihre Doktorarbeit schrieb sie neben dem Beruf. Jahre später entdeckten Plagiatsjäger der Internetplattform VroniPlag Wiki auf rund einem Drittel der Seiten Unsauberkeiten und nicht ordnungsgemäß gekennzeichnete Zitate. Insgesamt bemängelten sie 119 Passagen.
Giffey geriet nach den Vorwürfen massiv in die Kritik. Es folgte eine umfangreiche Prüfung ihrer Doktorarbeit durch ein Gremium der Universität. Mit Verweis auf das "schwebende Verfahren" verzichtete Giffey auf eine Kandidatur für den SPD-Vorsitz. Zugleich betonte sie, die Dissertation "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst" zu haben.
119 Plagiate, aber der Doktortitel durfte bleiben
Ende vergangenen Jahres stellte das Prüfungsgremium schließlich sein Ergebnis vor. Es erteilte der Ministerin eine Rüge, ihren Doktortitel durfte sie jedoch behalten. Für diese Entscheidung erntete die fünfköpfige Kommission harsche Kritik aus der Wissenschaftscommunity.
Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer, wissenschaftlicher Sprecher seiner Fraktion, rollte nun den Fall noch einmal auf. Im Februar stellte er die Anfrage an den Berliner Senat, zusammengenommen umfasst sie 94 teils mehrteilige Fragen. Der Senat hat mit der Überprüfung der Doktorarbeit zwar nicht direkt zu tun, kontrolliert als Aufsichtsbehörde aber die Arbeit der Berliner Hochschulen. Die Anfrage und die Antworten des Senats liegen dem SPIEGEL vor.
Im fünften Teil der Anfrage geht Trefzer insbesondere auf die Frage ein, ob Giffey bei ihrer Arbeit vorsätzlich getäuscht habe. Darauf deute etwa hin, dass sie mutmaßlich Fremdtexte umformuliert habe, etwa "Sätze umgestellt" oder "Wörter substituiert".
Dazu heißt es in den Antworten des Senats schlicht: "Der Vorsatz wurde vom zuständigen Gremium zum Teil bejaht." Weiter heißt es: "Die Erteilung einer Rüge macht kenntlich, dass Frau Dr. Giffey nach Auffassung des zuständigen Gremiums in ihrer Dissertation die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgängig beachtet hat." Dass der Doktorgrad dennoch nicht aberkannt wurde, begründete das Gremium mit dem "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit".
Gemäß Hochschulgesetz bestehe im Prüfungsverfahren um beanstandete Dissertationen ein Ermessensspielraum. "Trotz der festgestellten Mängel handelt es sich nach Auffassung des Gremiums um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung."
Der Abschlussbericht, den das Prüfgremium anfertigte, soll weiterhin unter Verschluss bleiben. Lediglich das Präsidium der Universität und Franziska Giffey persönlich hätten Zugriff darauf, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die Anfrage des AfD-Politikers. Der Bericht enthalte Ausführungen zu allen 119 Passagen, die VroniPlag Wiki beanstandet hatte. Er umfasse neun Seiten sowie zwei Anlagen.
Das Gremium, das die Mängel in Giffeys Arbeit und die rechtmäßige Verleihung des Doktorgrads überprüfen sollte, war vom Promotionsausschuss des Otto-Suhr-Instituts der FU eingesetzt worden. Experten hatten schon früh kritisiert, dass diesem Ausschuss unter anderem ausgerechnet Giffeys Doktormutter Tanja Börzel angehört haben soll. Das bestätigt der Senat nun in den Antworten auf die aktuelle Anfrage. Die Politikwissenschaftlerin durfte also selbst mit darüber bestimmen, wer ihre Arbeit kontrolliert.
Die Universität sah darin nach Aussage des Senats offensichtlich kein Problem: "Nach Angaben der FU gab es keine objektiven Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich der Mitwirkung von Frau Professorin Börzel als Mitglied des Promotionsausschusses."
Der Berliner Senat und Giffey selbst äußerten sich bis Donnerstagabend nicht auf eine SPIEGEL-Anfrage.