Gasexplosion in Lehrberg Ein Dorf in Trauer

Im Herzen des fränkischen Dorfes Lehrberg klafft ein Loch. Dort, wo einst eine Bäckerei stand, ist nur noch Schutt. Und auch wenn die Explosionsgefahr inzwischen gebannt ist - die Einwohner sind tief erschüttert.

Lehrberg - "Es war wie im Krieg", sagt Charlotte Wellhöfer. Der 72-Jährigen kommen die Tränen, wenn sie an ihre verstorbenen Nachbarn denkt. Das Café und seine Betreiber waren sehr beliebt im Dorf. Längst hat sich am Wochenende herumgesprochen, wer die fünf Opfer der Gasexplosion im mittelfränkischen Lehrberg sind: die 71 Jahre alte Seniorchefin der Bäckerei, ihr 42 Jahre alter Sohn, ein 35 Jahre alter Bäcker, eine ebenfalls 34 Jahre alte Verkäuferin und eine 17 Jahre alte Auszubildende.

Bis in die frühen Morgenstunden des Samstag hatten die Einsatzkräfte von THW und Feuerwehr nach überlebenden Verschütteten gegraben. Doch der Druck der explodierenden Gaswolke am Freitagmorgen war wohl zu groß, als dass jemand innerhalb der Bäckerei das Unglück hätte überleben können. Von dem repräsentativen Haus in der Ortsmitte von Lehrberg blieben nichts als Trümmer. Die Gebäudereste sind bereits am Samstagmorgen schon bis auf einen Meter abgetragen.

Eine gelbe Thermoskanne erinnert noch an die beliebte Kaffeestube in der Bäckerei. Inmitten von Trümmerteilen sind ein zerbeulter Transporter und ein völlig deformiertes Entlüftungsrohr zu erkennen. Feuerwehrleute kehren Scherben und Schutthaufen zusammen, die sich noch in hundert Metern Entfernung auftürmen.

Gestern Nachmittag dann fliegt Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) per Hubschrauber in Lehrberg ein. Er läuft am Spalier der Feuerwehrleute vorbei, schüttelt Hände, lässt sich die Situation erklären. Vor dem schwer beschädigten Gas-Tanklastzug stoppt er. Mit ihm war am Freitagmorgen ein Monteur in den Hof der Bäckerei gefahren. Dort wollte er ein Gasleck in dem später explodierten Tank hinter dem Gebäude abdichten. Bei der Explosion war das Fahrzeug mitsamt den 4000 Litern geladenem Gas verschüttet worden. Stoiber sagt: "Die drohende Explosion schwebte wie ein Damoklesschwert über dem Ort." Vor allem deshalb war in dem Ort nach der Explosion Katastrophenalarm ausgelöst worden. Inzwischen allerdings ist die Gefahr gebannt.

"Ein Beben hat die Gemeinde erschüttert"

"Das war in meinen 18 Jahren als Feuerwehrmann mein schlimmster Einsatz", erzählt Kreisbrandrat Walter Schwab. Seine Leute räumen gestern Abend die Einsatzstelle und geben die viel befahrene Bundesstraße 13 wieder frei. Doch in Lehrberg wird noch lange keine Normalität einkehren. Bei seiner einstündigen Visite spricht Ministerpräsident Stoiber von "einem Beben, das die Gemeinde erschüttert hat". Statiker untersuchen die Standfestigkeit der evakuierten Häuser. Mit Gassonden werden mögliche Gaskonzentrationen in den Kellern gemessen.

Noch länger werden die Ermittler der Ansbacher Kripo brauchen, um die genaue Ursache der Katastrophe zu klären. Augenzeugen und Betroffene konnten noch nicht eingehend befragt werden. Einhellig wird aber von "einem auffälligen Zischen" gesprochen, das eine halbe Stunde vor der Explosion zu hören gewesen sei. Der Metzger sei noch in die Bäckerei gelaufen, um die Mitarbeiter dort aus dem Haus zu holen. "Aber sie haben die große Gefahr nicht erkannt", sagt eine Nachbarin sichtlich erschüttert.

Antje Pöhner, ddp

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