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Blake Bailey Gefallener Starbiograf

aus DER SPIEGEL 18/2021
Foto:

Allen J. Schaben / LA Times via Getty Images

• Der US-Verlag W. W. Norton hat noch im Monat ihres Erscheinens die lang erwartete Biografie des Schriftstellers Philip Roth vom Markt genommen. Der Grund sind Vorwürfe sexueller Belästigung und Vergewaltigung gegen den Verfasser Blake Bailey, 57. Wäre es nicht so traurig, könnte dies die zynische finale Pointe in der Causa Roth und die Frauen sein: Obwohl sicherlich einer der größten Erzähler des späten 20. Jahrhunderts, sah ja auch Roth sich immer wieder dem Vorwurf der Misogynie ausgesetzt. Zu oft handelte vor allem sein Spätwerk von älteren erfolgreichen Männern und ihren deutlich jüngeren Objekten der Lust. Eine solch verkürzte Charakterisierung wird Roths Literatur nicht gerecht, trotzdem litt der Autor, der 2018 mit 85 Jahren starb, wohl unter ihr. Roth suchte deswegen lange nach einem Biografen. Nachdem er zwei angeheuert und wieder gefeuert hatte, fand er schließlich den ehemaligen Lehrer Bailey, der sich mit süffigen Biografien über trunkene und promiske Schreiber wie Richard Yates und John Cheever einen Namen gemacht hatte. Acht Jahre lang schrieb Bailey, Anfang April erschien die 900-Seiten-Biografie in den USA, es gab begeisterte Besprechungen, sie stieg in die Bestsellerliste ein. Dann aber meldeten sich ehemalige Schülerinnen, die von sexuell unangemessenem Verhalten Baileys vor über 20 Jahren berichteten, schließlich zwei Frauen, die Vergewaltigungen schilderten, zuletzt 2015. Schlimme Vorwürfe, die Bailey alle bestreitet. Die Situation ist zugleich ein Jammer für jeden, der diese herausragende Biografie nun nicht lesen kann.

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