Geiselnahme in Dresden Innenminister Schuster spricht von »vermutlich psychisch verwirrtem Einzeltäter«

Die Altmarkt-Galerie in Dresden am Samstag: »Dramatische Stunden«
Foto: Bodo Schackow / dpaEine Serie von Gewalttaten hat am Samstag Dresden in Atem gehalten. Ein 40-Jähriger wird verdächtigt, am frühen Morgen seine Mutter getötet zu haben. Anschließend versuchte er offenbar, in die Redaktion eines Radiosenders einzudringen. Als ihm das misslang, nahm er in einem Einkaufszentrum zwei Geiseln. Nach dem Zugriff der Polizei erlag der Täter seinen Verletzungen, die Geiseln blieben offenbar unverletzt.
Am frühen Morgen war im Stadtteil Prohlis zunächst eine 62-jährige Frau tot aufgefunden worden. Dabei handelte es sich der Polizei zufolge um die Mutter des Verdächtigen. Die Beamten fanden ihre Leiche gegen 7.20 Uhr. Ein hinzugerufener Notarzt habe nur noch deren Tod feststellen können.
Durch die Scheibe in die Redaktion geschossen
In der Nähe des Hauptbahnhofs versuchte der Mann anschließend offenbar, in ein Bürogebäude einzudringen: Im Ammonhof arbeitet unter anderem die Redaktion von Radio Dresden. Der Täter habe gegen 8.30 Uhr vergeblich versucht, in die Räumlichkeiten zu gelangen, sagte der Geschäftsführer des Senders, Tino Utassy, dem MDR. Der Mann habe die Scheibe einer Tür eingeschlagen und dann durch diese Scheibe geschossen.
Man habe nach dem tödlichen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen, sagte Utassy. »Die haben offensichtlich gewirkt und gereicht, dass die Mitarbeiter durch einen zweiten Ausgang fliehen konnten.« Den Mitarbeitern gehe es augenscheinlich gut.
Geiselnahme in der Innenstadt
In der Altmarkt-Galerie, einem Einkaufszentrum in der Dresdner Innenstadt, nahm der 40-Jährige anschließend zwei Geiseln – eine Angestellte und ein Kind. Nach einem Bericht der »Bild«-Zeitung verschanzte er sich in einem Drogeriemarkt.
Die Polizei räumte das Gebäude und den angrenzenden Bereich, die Innenstadt wurde weiträumig abgesperrt. Der Striezelmarkt, einer der bekanntesten Weihnachtsmärkte Deutschlands, wurde wegen des Großeinsatzes zwischenzeitlich geschlossen.

Polizeibeamte am Ort der Geiselnahme: Geiseln »äußerlich unverletzt«
Foto: Bodo Schackow / dpaDer Polizei gelang es nach eigenen Angaben, telefonischen Kontakt zum Geiselnehmer aufzunehmen. Zur Unterstützung wurden eine Verhandlungsgruppe und ein Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes herangezogen. Am frühen Nachmittag griffen die Beamten zu. Die beiden Geiseln wurden befreit. Sie seien »äußerlich unverletzt« und würden medizinisch betreut, teilte ein Polizeisprecher mit.
Der Täter wurde beim Zugriff der Beamten tödlich verletzt. Die genauen Umstände seines Todes würden noch ermittelt, teilte die Polizei mit. Auch sein Motiv ist noch unklar. Ein Polizeisprecher erklärte, der Mann sei psychisch auffällig gewesen. »Wir gehen am ehesten von einer psychischen Erkrankung aus.« Ansonsten sei der Polizei kein offenkundiges Motiv bekannt.
Der Polizeisprecher sprach von »dramatischen Stunden«. Es habe Anrufe von verschiedenen Tatorten gegeben, auch von Schüssen sei die Rede gewesen. »Es war ein Balanceakt.« Auf der einen Seite habe man keine Panik schüren wollen. Auf der anderen habe man gewusst, dass zu diesem Zeitpunkt viele Dresdner und Touristen in der Stadt seien. Mit den Absperrungen habe man die Lage in den Griff bekommen. Der Plan sei letztlich aufgegangen. »Wir sind sehr froh, dass wir nach wenigen Stunden wieder Entwarnung geben konnten.«
Kretschmer dankt Polizisten
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb auf Twitter, er sei »erleichtert, dass diese bedrohliche Situation beendet werden konnte«. Der Polizei dankte er für ihr »entschlossenes und umsichtiges« Handeln. »In Gedanken bin ich bei den Opfern dieses Tages und hoffe, dass sie diese schrecklichen Erlebnisse, auch gemeinsam mit ihren Mitmenschen, besprechen und verarbeiten können.«
Landesinnenminister Armin Schuster (CDU) erklärte, er sei »entsetzt über die Tat eines vermutlich psychisch verwirrten Einzeltäters und erleichtert darüber, dass die Polizei die beiden in der Gewalt des Täters befindlichen Personen angesichts der schwierigen Lage unverletzt befreien konnte«. Das schnelle und besonnene Handeln der Einsatzkräfte habe »womöglich Schlimmeres verhindert«.
Auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) dankte den Einsatzkräften. »Diese Tat zeigt, wie zerbrechlich die vorweihnachtliche Besinnlichkeit und Unbeschwertheit sein kann«, sagte er.