Messerangriff auf Bürgermeister Herr Hollstein ist verängstigt

Andreas Hollstein
Foto: HUFNAGE/EPA-EFE/REX/ShutterstockDieser Text ist Teil der Serie "Im Angstland". Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.
34 Zentimeter lang war die Klinge des Messers, die Werner S. am Abend des 27. November 2017 Andreas Hollstein in einem Döner-Imbiss an den Hals drückte. Schwer zu sagen, was passiert wäre, hätten nicht zwei Mitarbeiter des Schnellrestaurants den Angreifer niedergerungen. Vielleicht wäre Hollstein nicht mehr Bürgermeister von Altena. Wenn er überhaupt noch leben würde.
Mehr als ein Jahr ist das nun her. Die Wunde am Hals des 55-Jährigen ist verheilt, die seelischen Verletzungen wohl noch nicht. "Ich bin froh, dass ich damals mit dem Leben davongekommen bin", sagt der CDU-Politiker heute - und beteuert, den Angriff ad acta gelegt zu haben, damit umgehen zu können, weiter Politik machen zu wollen.
"Ich bin ihm auch schon wieder begegnet", sagt Hollstein über den Angreifer. "Der kam mir morgens mit einer Brötchentüte entgegen, als ich gerade zum Rathaus ging." Hollstein sagt, sie hätten nicht miteinander gesprochen, nicht einmal Blicke tauschten sie demzufolge aus. Er schildert diese Episode so detailliert, dass sich eine Frage aufdrängt: Hat er die Sache wirklich abgehakt?
Seine Frau hatte ihn gewarnt
Werner S. erhielt im Juni eine Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung, ein eher mildes Urteil, das findet nicht nur Hollstein. Er ist davon überzeugt, dass es sich um eine auch rassistisch motivierte Tat handelte: Hollstein war seit Langem für seine liberale Haltung in Asylfragen bekannt, unter seiner Ägide nahm Altena deutlich mehr Asylbewerber auf, als es gemusst hätte. Wohl deshalb sagte S. bei dem Messerangriff zu Hollstein: "Mich lässt du verdursten, aber holst 200 Ausländer in die Stadt."
Hollstein sieht in dem Vorfall und dem anschließenden Schuldspruch eine Art Fanal. "Wenn Amtsträger angegriffen werden, ist so ein Urteil das falsche Signal", sagt er, das gelte für Übergriffe auf Sanitäter, Jugendamtsmitarbeiter, Lokalpolitiker. "Ich sehe, dass sich in diesem Land etwas verändert", sagt er und holt weit aus: die Asylpolitik, Horst Seehofer, die AfD.
Das Problem seien weniger Menschen wie Werner S. - sondern diejenigen, die Hollstein "geistige Brandstifter" nennt, auf eine Präzisierung verzichtet er. Wer aus einer Mischung aus politischem und persönlichem Frust andere Menschen verletze, habe keinen Auftraggeber: "So jemand ist so lange mit Hass und Fake News bearbeitet worden, bis er den vermeintlich einzigen Ausweg in einer Gewalttat sieht."
Dann spricht Hollstein doch noch mal über sich. "Meine Frau hat mich immer schon gewarnt, dass irgendwann mal etwas passieren könnte." Erst jetzt, nachdem tatsächlich etwas passiert ist, hat er sein Verhalten geändert: "Wenn ich abends irgendwo hingehe, schaue ich mich schon genauer um", sagt er. Das Urvertrauen, das man in einer kleinen Stadt wie Altena eigentlich haben könne, sei weg: "Die Angst bleibt, auch in der Familie."
Statement des Bürgermeisters: "Ich habe um mein Leben gefürchtet" (Video)