Amazonas-Synode in Rom Franziskus' dicke Brocken

Papst Franziskus bei einer Bischofweihe im Petersdom
Foto: Alessandra Tarantino/ dpaAb Sonntag werden im Vatikan mehr als 280 Bischöfe, Sachverständige und Gesandte aus aller Welt drei Wochen lang über die Krisenherde in Amazonien beraten. Das Treffen ist von langer Hand vorbereitet, mit seiner kapitalismuskritischen Öko-Enzyklika "Laudato Si'" hatte Papst Franziskus schon 2015 das Marschziel vorgegeben.
Im Zentrum stehen der Umwelt- und Klimaschutz sowie der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und Profitgier auf Kosten von Natur und Mensch. Beraten wurde Franziskus unter anderem von dem inzwischen emeritierten, aber weiter für die Rechte der Indigenen kämpfenden Amazonasbischof Erwin Kräutler, der die Synode mitorganisiert.
Die Amazonas-Synode ist eine Herzensangelegenheit des aus Argentinien stammenden Papstes. Sie ist aber auch ein Forum, das innerkirchlichen Kontrahenten gewöhnlich dazu dient, ihre Fehden auszutragen.
Was sind die wichtigsten Themen?
Priestermangel
In Amazonien, das sich über neun Staaten und eine Fläche von mehr als sieben Millionen Quadratkilometer erstreckt, herrscht Priestermangel. Während in Deutschland ein Geistlicher geschätzt 2000 Katholiken betreut, sind es im Amazonasgebiet etwa 14.000. Dies hat zur Folge, dass in bestimmten Gemeinden nur wenige Male im Jahr die Messe gefeiert werden kann und die Seelsorge leidet.
Geweihte Familienväter?
Im Arbeitspapier zur Synode wird empfohlen, ältere, vorzugsweise indigene und in ihrer Gemeinschaft respektierte Familienväter zur Priesterweihe zuzulassen, um die Gemeinden zu erhalten. Diese Weihe der "Viri probati" ist innerkirchlich heftig umstritten, gilt sie doch als mögliches "Einfallstor" verheirateter Geweihter in den Kreis der Zölibatären auch weitab von Amazonien. Konservative sehen das Zölibat an sich bedroht. Liberale Kräfte erhoffen sich einen Schneeballeffekt von der Diskussion um die Priesterweihe verheirateter Männer.

Der Papst 2018 bei einem Treffen mit Indigenen in der peruanischen Stadt Puerto Maldonado
Foto: Chris Bouroncle/ AFPDem Papst zufolge sind die "Viri probati" nur ein Thema von vielen auf der Synode. "Wichtig werden die Dienste der Evangelisierung sein", sagte er der Zeitung "La Stampa" - also das Verkünden der christlichen Botschaft.
Mission
Während die Zahl der Katholiken in der Region sinkt, haben Evangelikale und Pfingstgemeinden massiv an Terrain gewonnen. Freikirchen erlauben auch Laien zu predigen. Darin sind sie der notorisch unterbesetzten katholischen Kirche überlegen, wo die wenigen Priester riesige Strecken zurücklegen müssen, um überhaupt in ihre Gemeinden zu kommen.
"Die klassisch missionarischen, kolonialen Parameter" würden in der Beziehung zu den Indigenen allerdings nicht mehr gelten, betont der Essener Bischof Overbeck im Interview mit dem SPIEGEL. "Unsere Kirche will nicht klerikal und bevormundend auftreten. Wir setzen auf Dialog und pastorale Sensibilität."
Frauen in der Kirche
Das Arbeitspapier zur Synode lobt den "unverzichtbaren Dienst", den Frauen schon jetzt in der Kirche tun. Deshalb sollten Gleichstellungsdebatten vorangebracht und Frauen vermehrt in Leitungsämter gebracht werden.
Der emeritierte Bischof Kräutler fordert: "Die Synode für Amazonien muss nicht nur die pastorale Arbeit der Frauen würdigen, sondern Frauen zur Diakonatsweihe zulassen." Die meisten Basisgemeinden in Amazonien würden bereits von Frauen geleitet, dennoch spielten sie weiter eine untergeordnete Rolle. "Wir hinken mindestens hundert Jahre hinter dem Emanzipationswillen der Frauen her", sagte Kräutler dem Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.

Indigene Tikuna-Frauen während einer katholischen Messe in Nazareth, Kolumbien
Foto: Fernando Vergara/ DPADie innerkirchlichen Widerstände sind aber weiter groß. Dass Bischöfe mit katholischen Frauenrechtlerinnen Gleichstellungsprobleme diskutieren - wie jüngst nach dem Aufstand von Maria 2.0 in Deutschland - ist in der Weltkirche eher die Ausnahme.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, ist skeptisch: "Die Priesterweihe für Frauen wird in Rom mit großer Wahrscheinlichkeit nicht diskutiert werden", sagt er.
Der Chef der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte im Gespräch mit protestierenden Frauenrechtlerinnen in Fulda: "Ich weiß, es braucht Bewegung. Ich dränge und pushe, aber manchmal geht es nur langsam voran."
Deutsche Katholiken und die Synode
Debatten in der katholischen Weltkirche sind oft dominiert von lokalen kulturellen Gegebenheiten und widersprechen bisweilen diametral dem deutschen Diskurs. Weil Rom nationale Ausreißer nicht duldet, plädieren viele deutsche Katholiken für eine stärkere Dezentralisierung der Kirche.
"Auch wenn wir nur 23 Millionen von 1,4 Milliarden sind - die Stimme der deutschen Katholiken ist wichtig auf der Amazonassynode", sagt ZdK-Präsident Sternberg. Den Vorwurf, liberale Kräfte aus Deutschland würden die Synode instrumentalisieren, um ihre Agenda durchzusetzen, findet er abwegig. Schließlich versuche jede Interessengruppe, ihr Anliegen durchzusetzen, auch die Verhinderer und Bremser. "Selbst die, die hoffen, dass gar keine Ergebnisse erzielt werden, haben eine Agenda."

Brennender Regenwald im brasilianischen Altamira
Foto: Joao Laet/ AFPBewahrung der Schöpfung
Die Regenwälder Amazoniens machen 40 Prozent der globalen Tropenwälder aus und speichern jährlich zwischen 150 und 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Doch sie werden seit Jahren massiv gerodet und durch Brände dezimiert. Dem Papst zufolge bedeutet die Entwaldung Amazoniens, "die Menschheit zu töten". Der Raubbau an Natur und Mensch ist hier exemplarisch.
Die Lage in den ohnehin durch Korruption und organisierte Kriminalität geschwächten Ländern Amazoniens ist vor allem für Indigene bedrohlich. Wasser wird privatisiert, Wälder zerstört, um Monokulturen anzulegen. Megabauprojekte wie Staudämme führen zu Vertreibung und Umweltschäden - wer dagegen protestiert wird kriminalisiert, bedroht oder gar getötet.
Der emeritierte Kurienkardinal Claudio Hummes, als Generalrelator eine zentrale Figur der Synode, hatte die Menschenrechtsverletzungen in Amazonien im Sommer als dramatisch bezeichnet. "Noch schlimmer ist, dass die meisten dieser Verbrechen ungesühnt bleiben." Umwelt und Gesellschaft seien nicht voneinander zu trennen. "Es ist eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise."
Wie es der katholischen Kirche letztlich gelingen will, genug moralischen oder politischen Druck aufzubauen, um die Schöpfung in Amazonien nachhaltig zu bewahren, ist unklar.