Amnesty-Jahresbericht zur Todesstrafe Zahl der Hinrichtungen auf niedrigstem Stand seit zehn Jahren

Mehr als 600 Exekutionen wurden im vergangenen Jahr erfasst. Allein in Iran wurden 251 Menschen hingerichtet – darunter vier Minderjährige. Weltweit ist die Zahl aber weiter gesunken.
Eine Todeskammer in Texas (Symbolbild)

Eine Todeskammer in Texas (Symbolbild)

Foto: Paul Harris/ Getty Images

Mindestens 657 Menschen in etwa zwanzig Ländern sind im vergangenen Jahr nach Angaben von Amnesty International hingerichtet worden. Der Menschenrechtsorganisation zufolge ist damit die Zahl der dokumentierten Hinrichtungen 2019 weltweit auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken.

Laut der Jahresstatistik von Amnesty International gibt es einen Rückgang von fünf Prozent im Vergleich zu 2018. Es gab aber auch Länder, in denen die Zahl der Hinrichtungen zunahm: Saudi-Arabien, Irak, Südsudan und Jemen.

Die Länder mit den meisten Exekutionen waren nach Erkenntnissen von Amnesty China und Iran. China wird in der Statistik aber nicht berücksichtigt, da dort die Hinrichtungen geheim gehalten werden und eine genaue Dokumentation nicht möglich ist. Amnesty schätzt die Zahl auf mehrere Tausend.

Auch Iran, Nordkorea und Vietnam gehören zu den Staaten, die das wahre Ausmaß der vollstreckten Todesurteile geheim halten. In Iran seien mindestens 251 Menschen hingerichtet worden, hieß es von Amnesty, darunter vier Minderjährige.

"Die Todesstrafe ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar und gehört endlich weltweit abgeschafft", sagte der Deutschland-Chef von Amnesty International, Markus Beeko. Die überwiegende Mehrheit der Staaten erkenne dies an. "Wir müssen die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die kleine Gruppe von Staaten lenken, die Jahr für Jahr Menschen hinrichten."

Erkenntnisse aus dem Bericht

  • Höchste Anzahl Exekutionen: Neben China und Iran zählten Saudi-Arabien (184), Irak (mindestens 100) und Ägypten (mindestens 32) zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen.
    Abgesehen von China fanden 88 Prozent aller Exekutionen in der Region Naher Osten und Nordafrika statt.

  • Todesurteile: Nicht nur bei der Vollstreckung der Todesstrafe gibt es einen Abwärtstrend, auch die Todesurteile nahmen 2019 ab. Nach den Amnesty-Recherchen waren es 2307 in 56 Ländern, im Vergleich zu 2531 in 54 Ländern in 2018 (China jeweils ausgenommen).

  • Abschaffung der Todesstrafe: Von den rund 200 Ländern der Welt haben 106 die Todesstrafe per Gesetz für alle Straftaten und weitere 36 in der Praxis abgeschafft.
    Außerdem gab es laut Amnesty in mehreren afrikanischen Ländern eine Entwicklung hin zu einer Abschaffung der Todesstrafe: Äquatorialguinea, Zentralafrikanische Republik, Kenia, Gambia und Simbabwe.

Sorge bereitet Amnesty vor allem die Entwicklung in Saudi-Arabien, das in diesem Jahr die Präsidentschaft in der G20-Staatengruppe der führenden Wirtschaftsmächte innehat. Im vergangenen Jahr seien dort 184 Menschen hingerichtet worden - eine Steigerung um 23 Prozent und die höchste Zahl, die Amnesty International je für den autoritär geführten Staat dokumentiert hat.

Todesstrafe auch als "politische Waffe"

Die meisten Todesurteile in Saudi-Arabien ergingen wegen Drogendelikten und Mordes. Das Regime setze die Todesstrafe aber auch als "politische Waffe" gegen Oppositionelle der schiitischen Minderheit ein, berichtet Amnesty. Als Beispiel nennt die Organisation eine Massenhinrichtung von 37 Personen, unter denen sich 32 schiitische Männer befanden.

Eine deutliche Steigerung der Hinrichtungen gab es nach den Amnesty-Recherchen auch im Irak - von mindestens 52 im Jahr 2018 auf mindestens hundert im Jahr 2019. Die Entwicklung ist laut der Organisation vor allem auf Todesurteile gegen Menschen zurückzuführen, denen die Mitgliedschaft in der Terrororganisation "Islamischer Staat" vorgeworfen wird, heißt es in dem Bericht.

Positiv hebt Amnesty ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen im US-Bundesstaat Kalifornien hervor. Kalifornien ist der US-Bundesstaat mit der größten Zahl zum Tode verurteilter Häftlinge. New Hampshire schaffte 2019 als 21. US-Bundesstaat die Todesstrafe für alle Verbrechen ab.

cop/dpa/AFP
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