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Nacktbillard: Scheinskandal um Prinz Harry

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Chris Jackson/ Getty Images

Nacktbillard mit Prinz Harry Das Spiel der Könige

Großbritannien hat seinen nächsten Boulevardskandal. Prinz Harry, die Nummer drei der britischen Thronfolge, hat sich in Las Vegas beim Nacktbillard fotografieren lassen. Ein Riesenerfolg für die neue Sportart.

Der französische König Ludwig XI. ist als einer der ersten Käufer eines Billardtisches verbrieft. Im Jahr 1470 war das, und es setzte einen Trend: In immer zahlreicheren Varianten delektierte sich der europäische Adel bald mit Tisch, Queue und Bällen. Über 35 Spielvarianten, behauptet die Wikipedia, gebe es heute. Und ständig etablieren sich neue, erst am 17. April 1875 etwa wurde Snooker im indischen Udagamandalam erfunden.

Nacktbillard ist noch neueren Datums und dürfte auf den Skandalrocker Pete Doherty zurückgehen. Ein entsprechendes Foto, veröffentlicht in der "Sun" im September 2010, legt das nahe. Die Disziplin fand jedoch zunächst keine prominenten Anhänger - bis zur "Popo"-larisierung im amerikanischen Las Vegas am 17. August 2012.

Letzteres Ereignis fand in bester Billardtradition sogar unter königlicher Beteiligung statt. Darüber, dass britische Medien auf eindringliche Bitten des Königshauses erst pietätvoll auf eine Veröffentlichung der Bilder mit dem nackigen Prinz Harry verzichteten, sie nun aber doch publizierten, herrscht gerade einige Erregung. Vor allem in Großbritannien trifft die Nachricht von Prinz Harrys sportlichem Vegas-Engagement prinzipiell auf große Begeisterung.

Dass es nun Medien gibt, die das burschikose enfant terrible des Königshauses mit nacktem Hintern vorführten, weckt dagegen bei vielen Empörung.

Kein Wunder, hat sich Harry mit seiner Vegas-Sause doch einmal mehr als wahrer Brite geoutet. Denn zu den Kardinaltugenden der fälschlich als reserviert geltenden Inselbewohner gehört es

  • unter heiterer Deaktivierung des Denkapparates grundsätzlich jeden Blödsinn mitzumachen;
  • über nichts lauter und herzlicher lachen zu können als über sich selbst;
  • Alkohol zu vernichten, als sei dieser der schlimmste Feind;
  • auch deshalb völlig unbeschwert die Sau rauslassen zu können, als hätte man nie wieder ein Vorstellungsgespräch.

Untugendhaft verhält sich der, der nicht mitfeiert, mitlacht, keinen Blödsinn mitmacht. Und der, der Beweisfotos veröffentlicht.

So sieht der Brite das: Der Party-Prinz hat es noch drauf

Wenn man so will, ist Las Vegas der Ballermann der englischsprachigen Welt: Was da passiert, bleibt auch da.

Außer, es hat jemand ein Smartphone dabei. Zumindest für den Fotografen galt das wohl, der die Harry-Bilder in dessen VIP-Suite machte. Dort fand sich am Freitagabend letzter Woche eine ausgelassene Gruppe fröhlicher junger Menschen zum lustigen Nacktbillard ein. Dabei scheinen leider fast alle verloren zu haben, vor allem aber Harry. Der eigentliche Wettkampf wurde nicht dokumentiert, wohl aber, wie der nackte Harry eine ebenso unbekleidete junge Dame von hinten mit seinem Körper schützte.

Eine enthemmte Orgie? Nicht so richtig: Da scheint eine Menge gekichert worden zu sein. Zwar gab sich auch der royale britische Nacktbillardspieler die Blöße, als es ums Blankziehen ging, nicht aber, als fotografiert wurde: Da bedeckte auch der Prinz seine "Kronjuwelen", wie die britische "Sun" schlagzeilte. Man kann dem Guten also nicht wirklich vorwerfen, er sei völlig aus der Rolle gefallen. Henry Charles Albert David Mountbatten-Windsor hat in Las Vegas nichts getan, was feierfreudige Briten nicht gerne mitgemacht hätten.

Die Bilder sind kein Skandal, sondern ein Vertrauensbruch

Für die mediale Boulevard-Fabrik ist die Entdeckung, dass Prinz Harry über ein Hinterteil verfügt, trotzdem ein wahrer Segen. Das Spielchen, erst pietätvolle Zurückhaltung zu üben und später völlig ungehemmt doch zu berichten, ist inzwischen bestens eingeübt. Die Rechtfertigung liefert die weltweite Erreichbarkeit von Internetinhalten, die jede Zurückhaltung und Selbstzensur regelmäßig unterläuft und hinfällig macht.

Britische Medien sollen schon Inhalte, über die sie auf gerichtliches Geheiß nicht berichten durften, gezielt über amerikanische Blogs veröffentlicht haben, um dann über deren Berichterstattung berichten zu können. Da kann die Queen dann noch so "not amused" sein: Das Argument, dass die Bilder so oder so in Umlauf sind, zieht.

Dafür stellen sich nun zwei ganz andere Fragen, und das sehen wohl auch die meisten Briten so:

  • Geht es uns etwas an, wenn irgendwelche Promis auf lebhaften Parties Nacktbillard spielen?
  • Warum sollte man Zeitungen kaufen, auf deren Titelseite der nackte Hintern von Prinz Harry als wichtigste Nachricht des Tages präsentiert wird?

Harry hat keine relevanten Nachrichten produziert, sondern Entertainment auf seine Kosten: Zeitungen, Fernsehsendungen und Nachrichtenportale, auch SPIEGEL ONLINE, leben von einem Mix aus Information und Unterhaltung. Dass auch Sie als Leser das wollen, beweisen Sie durch das Lesen dieser Zeilen. Wenn solche Dinge in der Welt sind, ist daran kaum ein Vorbeikommen. Der Rest ist eine Frage von Stil und Grenzen.

Man kann Harry bedauern, weil er offenkundig die falschen Freunde hat. Sein Hintern geht uns natürlich nichts an, und die Veröffentlichung solcher Bilder ist bei Harry genauso eine Verletzung der Privatsphäre, wie es das bei jedem anderen wäre. Erwachsene Menschen sollten hinter verschlossenen Türen tun dürfen, woran sie Spaß haben, solange sie damit niemanden schädigen. Es ist auch bei einem "Royal" reine Privatsache.

Das Argument, als potentieller Thronfolger hätte er mehr Würde wahren oder Vorsicht walten lassen sollen, weil heute doch jeder ein potentieller Kameramann sei, ist billig: Ein Apparat rechtfertigt keinen Vertrauensbruch. Außerdem ist für den Briten nichts so untugendhaft wie ein party pooper (Spielverderber, Langeweiler) oder spoilsport (schlechter Verlierer) zu sein. Würde Papa Charles morgen beim Strip-Poker erwischt, würden die Briten das als sympathisch-schrulligen Beweis seiner Spaß-Tauglichkeit verbuchen. Wird natürlich nicht passieren.

Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson brachte die britische Sicht der Affäre schließlich auf den Punkt. Ihn, sagte er der BBC, interessiere die Publikation der Bilder in keiner Weise. Johnson: "Der eigentliche Skandal wäre es doch, wenn man nach Las Vegas führe und sich da nicht in irgendeiner trivialen Weise daneben benehme."

Da hat er recht, denn dafür hat man Vegas ja mitten in die Wüste gebaut. Unter den Nacktsportarten sind Indoordisziplinen übrigens eher die Ausnahme. In Deutschland wird nackt vor allem gewandert, geritten, geschwommen, gerungen und Yoga getrieben. Indoors soll Strip-Poker nicht selten sein, und wahrscheinlich gibt es Menschen, die nackt Schach spielen. Fotos solcher sportlicher Events werden selten veröffentlicht. Ist ja auch nicht schön. Dann lassen wir das auch mal.

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