Benediktinerkloster Missbrauchsskandal in Ettal weitet sich aus

Kloster Ettal: "Es geht hier nicht um Streicheln unterm T-Shirt"
Foto: Andreas Gebert/ dpaMünchen - Der Skandal um sexuelle Übergriffe katholischer Mitarbeiter an Internaten zieht immer weitere Kreise. Im Fall der oberbayerischen Abtei Ettal haben sich inzwischen rund 20 mutmaßliche Opfer von Missbrauch oder Misshandlung bei den beiden von der Kirche eingesetzten Ombudsmännern gemeldet, wie diese am Freitag bei einer Pressekonferenz in München bekanntgaben.
Es gebe Vorwürfe gegen insgesamt vier Patres, von denen einer bereits tot sei, sagte der bischöfliche Beauftragte für die Prüfung von Missbrauchsvorwürfen und Ombudsmann Siegfried Kneißl. Außer über Missbrauch berichteten ehemalige Schüler inzwischen auch über körperliche Gewalt und harte Prügelstrafen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt demnach in zwei Fällen von sexuellem Missbrauch aus dem Jahr 2005, von dem zwei Schüler als Betroffene berichtet hatten. "Die Vorwürfe sind handfester Missbrauch", sagte Kneißl.
Rechtsanwalt Burkard Göpfert, der am Dienstag zusammen mit Kneißl als Ombudsmann eingesetzt worden war, fügte hinzu: "Es geht hier nicht um Streicheln unterm T-Shirt." Die Schüler hätten sich schon 2005 an die Leitung des Internats gewandt. Sie hätten aber nicht den Eindruck gehabt, dass ihre Angaben in der Form weitergetragen worden seien, wie sie es erwartet hätten, so Göpfert.
Am Freitag trat in Ettal nach dem Abt auch dessen Stellvertreter und Schulleiter des dortigen Internates, Pater Maurus Kraß, von seinen Ämtern zurück. Er übernahm damit die Verantwortung dafür, dass Verdachtsfälle aus dem Jahr 2003 und 2005 nicht gemeldet worden waren.
"Konstante und furchtbare Schläge"
Der Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, Prälat Peter Beer sagte, die Vorwürfe müssten rückhaltlos aufgeklärt und Taten "ohne jeden Kompromiss" geahndet werden: "Als Priester und Pädagoge erschüttert es mich zutiefst, welche große Kluft es zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbar geben kann."
Die meisten der Opfer, die sich seit Dienstag bei den Ombudsmännern gemeldet hätten, seien inzwischen erwachsen. Die Fälle stammten aus den siebziger und achtziger Jahren und seien strafrechtlich damit verjährt. Möglicherweise falle es Erwachsenen leichter, heute über die Vorfälle zu sprechen. Von den derzeitigen Schülern gebe es praktisch keine Meldungen, sie würden aber von dem vom Kloster eingesetzten Sonderermittler befragt.
Die Ombudsmänner zitierten aus Mitteilungen, die sie erhalten hatten. "Mit Grauen erinnere ich mich an die konstanten und furchtbaren Schläge", schrieb ein Schüler aus den achtziger Jahren. Eine Mutter berichtete davon, dass ihr Sohn als Folge erlittenen Leids heute Alkoholiker sei. Ein ehemaliger Schüler erklärte den Ombudsmännern: "Für mich war es eine Hölle, die oft wieder hochkommt."
Göpfert sprach von einer Mauer des Schweigens im Kloster, Kneißl von einem beharrlichen Schweigen, durch das in der Vergangenheit die Möglichkeit neuer Fälle nicht verhindert worden sei.
Vorwürfe gegen Erzabtei St. Ottilien
Zudem gibt es weitere Vorwürfe gegen die Erzabtei St. Ottilien. Dort gingen Beschuldigungen gegen ein ehemaliges Ordensmitglied ein. Eine Beauftragte des Klosters habe "bereits Kontakt mit dem Opfer aufgenommen", erklärte das Missionsbenediktiner-Kloster.
Der Beschuldigte war in den sechziger Jahren Erzieher und Lehrer am Internat des Klosters. Bereits damals habe es Vorwürfe gegeben, sagte Pressesprecher Martin Wind. Der Beschuldigte sei daraufhin aus allen Aufgaben mit Kindern abgezogen worden. 1969 habe er den Orden verlassen. Die Staatsanwaltschaft hat ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet.
Kritik an der Deutschen Bischofskonferenz
Unterdessen wurde Kritik an der Deutschen Bischofskonferenz im Zusammenhang mit den von ihr angekündigten Schritten gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche laut. Der Sprecher der Missbrauchsopfer, Norbert Denef, sprach im ZDF am Freitag von mangelndem Aufklärungswillen und sogar einer "Verhöhnung der Opfer".
Erzbischof Robert Zollitsch hatte sich Donnerstag dagegen ausgesprochen, bei jedem Missbrauchsfall in der Kirche sofort und automatisch die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Auch die Bewegung "Wir sind Kirche" hält die Reaktionen der Bischöfe laut WDR nicht für ausreichend. Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens sagte im ZDF, sie hätte eine Aufklärung durch Außenstehende für besser gehalten.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete die Erklärung der Bischofskonferenz dagegen als einen Schritt in die richtige Richtung. Aus der CSU-Fraktion im Bundestag kam die Forderung, Kindesmissbrauch künftig als Verbrechen einzustufen, so dass die Mindeststrafe ein Jahr betrage. Zudem solle die Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre erhöht werden.