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Letzter Tag des Papstbesuchs: Bye-bye, Benedikt

Foto: Patrick Seeger/ dpa

Bilanz des Papst-Besuchs Deutschland hadert mit seinem Groß-Vater

Eine glänzende Rede im Bundestag, prächtige Auftritte vor Gläubigen - aber auch Enttäuschung bei Protestanten und der eigenen, katholischen Jugend: Benedikt XVI. hat sich auf seiner Deutschland-Reise wacker geschlagen, doch so richtig sprang der Funke nicht über. Den meisten bleibt ihr Papst fremd.

Der Papst verlässt Deutschland, sein Herkunftsland. Er hat wichtige Denkanstöße gegeben im Bundestag, er hat zum fünften Mal Missbrauchsopfer angehört, er hat die orthodoxen Kirchen gelobt und die Protestanten enttäuscht. Und er hat jede Menge schöner Bilder in golddurchwirkten Soutanen vor einem strahlend blauen Himmel hinterlassen.

Es war eine voll gepackte, eine schwierige Reise. Benedikt XVI. hat sich wacker geschlagen - und doch hat er die Gunst der Deutschen nicht ganz gewonnen.

Wenn es ein Stimmungsbild gibt für Benedikts viertägige Deutschland-Reise, dann war es vielleicht dieses: Es nahm Konturen an am Samstagabend, auf einer Wiese im Industriegebiet von Freiburg. Zehntausende Jugendliche hielten eine Nachtwache und warteten bis zur großen Messe am Sonntagmorgen, der letzten dieser Reise.

Noch war Benedikt nicht herangerollt im Papamobil, er hatte kurz zuvor Altkanzler Helmut Kohl getroffen und raste in einer verdunkelten Limousine durch Freiburg. Auf der Wiese stimmte sich die gläubige Jugend ein, angeheizt von zwei Moderatoren, die zuvor rote und grüne Tüten zum Aufpusten verteilt hatten. Es sollte so werden wie am Ende der "Zimmer frei!"-Show im WDR. Das Aufwärmspiel vor dem Papst-Auftritt ging so: Wer den Satz, den sie gleich in die Menge werfen wollten, für "super" hält, recke bitte den grünen Ballon in die Luft, wer ihn "nicht so toll" findet, den roten. Es sollte eine Art Volksbefragung werden, begleitet vom Sacro-Pop einer mittelmäßigen Hobby-Band.

Viel Rot für Benedikt, kaum Grün

Es ging um Fragen, die vor allem junge Gläubige nicht erst seit der Missbrauchkrise bewegen. Es ging darum, wie viel Vertrauen sie noch in ihre Kirche und den Oberhirten aus Rom haben. "Mein Leben richte ich nach Vorgaben aus Rom", sagte die Moderatorin. Stimmt nicht, antwortete die Jugend und hielt die roten Tüten hoch, grüne kaum.

"Die Konfession spielt keine große Rolle in meinem Glauben." Grün, die Masse war einverstanden.

"Frauen tragen zu wenig Verantwortung in der Kirche." Leider ja, Grün.

"Kann gelebte Homosexualität Sünde sein?" Natürlich nicht, eindeutig Rot.

Die Jugend hatte gewählt: viel Rot für Benedikt, kaum Grün. Es war ein Stimmungsbild der 21. Papstreise, bevor sie überhaupt zu Ende ging. Der mitreisende Tross der Vatikan-Journalisten aus Rom rieb sich ungläubig die Augen: So viel Offenheit, Diskutierbedarf und fröhliche Kritik wäre auf dem Petersdom undenkbar.

Dann endlich rollte der Papst ein, ein paar riefen "Be-ne-det-to", zündeten Kerzen an und ließen sich anstecken vom Glanz ihres Hirten. Der deutsche Papst war wieder "unser liebster Opi", wie auf einem Plakat stand, ein alter kleiner Mann mit mildem, wachen Lächeln. Aber wird das reichen, darf der Papst einziehen in die WG, in die Herzen der Jung-Pilger?

"Die Frage muss lauten: Was nimmt der Papst aus Deutschland mit?"

"Ich habe schon imposantere Gottesdienste gefeiert in meinem Leben. Die Predigt wirkte wie vorgefertigt und wenig spontan, der Funke sprang nicht über, kein einziges Mal." Das sagte eine Mutter, die mit vier Kindern, allesamt Ministranten, hinter einem Absperrgitter kampierte. Was sie mitnehme von Benedikts Besuch? "Das ist hier nicht die Frage", sagte die Mutter. "Die Frage muss lauten: Was nimmt der Papst aus Deutschland mit?"

Beifall und Lob nimmt er mit nach Rom, so viel ist klar nach vier Tagen in Deutschland, aber auch Kritik. Ein Jahrhundertereignis wurde er nicht, sein Besuch in Deutschland, nicht mal ein Triumphzug wie die Reise nach London vor einem Jahr, wo die anfängliche Skepsis der Briten einer Bewunderung, einer Art Volksfest im Hydepark gewichen war. Was mit einer gewagten, intellektuellen Rede voller Denkanstöße vor dem Bundestag begann, gefolgt von einem eher enttäuschendes Treffen mit den Protestanten in Erfurt, fünf großen Messen, einer Benedetto-Show und Schüssen aus einem Luftgewehr - ist nun zu Ende.

Die Erwartungen vor allem der Protestanten wurden nicht erfüllt, sie waren zu hochgesteckt. Es bleibt die Bewunderung für einen alten Mann, der ein anstrengendes Programm absolviert hat, standhaft und zäh. "Gesundheitlich war diese Reise ein wirklicher Erfolg", frohlockte Papstsprecher Federico Lombardi auf der letzten Pressekonferenz vor dem Abflug. "Der Besuch war ein Geschenk für die deutschen Katholiken", sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und eines habe man begriffen: "Dort, wo die Kirche jung ist, hat sie eindeutig Zukunft."

Gerüchte über einen möglichen Papst-Rücktritt

"Viele verlassen die Herde, aber ich weiß, dass ihr gute Hirten seid", das habe Benedikt bei einem Mittagessen im Priesterseminar von Freiburg spontan seinen Bischöfen gesagt, das, so sagt es Pater Hans Langendörfer, sei die Botschaft des deutschen Papstes gewesen an die krisengeschüttelte katholische Kirche. Der Papst, so waren sich die deutschen Würdenträger einig, reise ab mit dem Gefühl, dass er sich auf seine Bischöfe verlassen könnte.

Italienische Journalisten, die kaum Interesse zeigten für die Querelen mit den Protestanten, schrieben sich mangels Stoff die Finger wund über den angeblichen Scharfschützen mit dem Luftgewehr aus Erfurt. Und als von dem noch nicht mal der Name bekannt wurde oder ein paar Details aus den Ermittlungsprotokollen, wie üblich in Italien, und als die Fahnder den Mann dann am Sonntagabend auch noch mangels Beweisen entlassen mussten, machten kurz vor Abreise gar Gerüchte über einen möglichen Rücktritt des Papstes die Runde. Angeblich hatte Benedikts Bruder Georg Ratzinger über Altersmüdigkeit des Papstes gesprochen.

Für groben Unfug hielt das Papstsprecher Lombardi. Das war kurz vor der Abreise, als Benedikt in Lahr den Lufthansa-Airbus "Regensburg" bestieg. Gegen 19.30 Uhr hob er ab gen Rom.

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