Angebliche Überwachung von AfD-Politiker Der Höcke-Bluff

Holocaust-Mahnmal in Bornhagen
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSDie Pressemitteilung klingt irgendwie irre, und das soll sie wohl auch. "Überraschende Wendung im Höcke-Überwachungsskandal", heißt es da, gefolgt von der Frage: "Hat Björn Höcke sich selbst ausgespäht?"
Bislang hatte der Absender dieser Nachricht, das "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) eine ganz andere Version verbreitet. Stets war davon die Rede, das Künstlerkollektiv habe den AfD-Landesvorsitzenden in Thüringen systematisch überwacht - zehn Monate lang, direkt vor seinem Wohnhaus.
Dort, im Dörfchen Bornhagen im Eichsfeld, hatten die Politaktivisten nicht nur 24 Stelen nach dem Vorbild des Berliner Holocaust-Mahnmals aufgestellt: An mehrere Bäume hatten sie Kameras mit Blickrichtung auf Höckes Wohnhaus montiert und ein als "Überwachungsraum" bezeichnetes Zimmer mit Monitoren ausgestattet. Die Empörung war groß, die Staatsanwaltschaft Mühlhausen schaltete sich ein und nahm Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Nötigung auf.

Angebliches Überwachungs-Equipment in Bornhagen
Foto: SPIEGEL ONLINENun soll alles nur ein großer Bluff gewesen sein.
Höcke habe in Wahrheit den Großteil der über ihn veröffentlichten Informationen selbst über soziale Medien veröffentlicht, schreiben die Aktivisten. Das ZPS habe lediglich seine Beiträge in sozialen Medien überwacht, analysiert - "und zugehörige Standorte nachrecherchiert".
Narren die Künstler die Öffentlichkeit, ist alles nur ein großes Spiel? Oder reizen sie einfach nur die Grenzen politischer Kunst aus?
"Mit einer aufwändigen Filmproduktion", so zitiert das ZPS seinen "Eskalationsbeauftragten", "bei der auf die Präsentation von billigstem Überwachungsspielzeug und lächerlichen Kostümen gesetzt wurde, schaffte es das ZPS überraschenderweise, den Eindruck einer lückenlosen Überwachung zu vermitteln." Unter anderem seien "Schauspieler mit Trenchcoats von Penny" und "ein Mensch im Chewbacca-Kostüm" zum Einsatz gekommen.

Aktion gegen Höcke: Aufregung in Bornhagen
Folgt man der Darstellung des ZPS, sind Höcke und Teile der Öffentlichkeit einem präzise geplanten Verwirrspiel auf den Leim gegangen. Die vom ZPS gesammelten, öffentlich zugänglichen Informationen reichten demnach aus, "um Höcke in eine optische Fata Morgana zu locken, in der er sich selbst über zehn Monate als 'nackt' und 'vollständig aufgeklärt' sah". Höcke hatte zuletzt beklagt, seine Familie sei monatelang überwacht worden. "Wer so etwas tut, ist in meinen Augen ein Terrorist", sagte der AfD-Politiker.
Die Mitteilung des ZPS ist flankiert von einem auf YouTube veröffentlichten Video, das die Hintergründe der Pseudo-Überwachung erklären sollen - in einer Art Persiflage auf die "Sendung mit der Maus". An Sarkasmus und Zuspitzung mangelt es in dem Clip nicht, unter anderem ist darin von "vielen traumatisierten AfD-Opfern" die Rede.
Welche Auswirkungen die jetzigen Äußerungen der Aktivisten auf die laufenden Ermittlungen gegen das ZPS haben, ist noch nicht abzusehen. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen war am Freitagmittag nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die Überwachungsaktion war nur ein Teil der Aktion gegen Höcke. Das Künstlerkollektiv wollte mit dem Ableger des Berliner Holocaust-Mahnmals gegen eine Rede Höckes Anfang des Jahres in Dresden protestieren. Der Politiker hatte unter anderem von einem "Mahnmal der Schande" gesprochen.
Die Aktivisten hatten ihn aufgefordert, vor dem Mahnmal kniend um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs zu bitten. Andernfalls würden sie die über Höcke gesammelte Informationen veröffentlichen. Das ZPS hatte diese Forderung zuletzt zurückgezogen: "Unverbesserliche können auch wir nicht ändern."
Der Mahnmal-Nachbau war schon nach kurzer Zeit für die Öffentlichkeit geschlossen worden. ZPS-Leiter Philipp Ruch begründete dies mit einer massiv beschädigten Stele. Der Polizei liegt nach Angaben einer Sprecherin eine entsprechende Anzeige des ZPS vor. Die Aktivisten hatten das für die Aktion angemietete Grundstück verlassen und als Grund anonyme Drohungen angegeben.