
Umbanda-Glaube in Brasilien Verliebt, verwünscht, verloren
Die menschengroße Statue an der Tür hält die Hand auf: Die Gottheit Pomba Gira empfängt Gaben, gibt Gläubigen Rat und erfüllt Wünsche - auch wenn es um Fußball geht. Bei Spielen der brasilianischen Liga hat sie schon mehrfach ihre Fähigkeiten bewiesen. Geldstücke und Geschmeide glitzern in ihrer Handfläche, jemand hat ihr einen Ring mit einem roten Edelstein angesteckt, im Haar steckt eine Spange. Unter dem bodenlangen Kleid liegen Geld, Ketten und ein Figürchen ohne Kopf. Die schöne Frau steht im Ruf, Unmögliches möglich zu machen. Versagt hat sie nur am vergangenen Dienstag gegen Deutschland. Da muss ein noch mächtigerer Zauber im Spiel gewesen sein.
Die Casa Orixá in der Avenida Monsenhor Felix ist einer der ältesten Läden in der WM-Stadt Rio, in dem Umbanda-Anhänger finden, was ihr Herz begehrt, der Geldbeutel zulässt - oder die Götter verlangen. Der Umbanda-Kult vermischt traditionellen afrikanischen Götterglauben mit christlichen Elementen. Dutzende Heilige gehören zur Götterfamilie der Orixás, jedes Mitglied hat spezielle Eigenschaften und Fähigkeiten. Im Gegensatz zum christlichen Glauben sind diese Heiligkeiten weder selig noch rein. Im Gegenteil: Sie sind sehr menschlich, sie lieben und hassen, sind weise oder eifersüchtig, ängstigen sich und morden. Und sie werden auch beim Fußball eingesetzt.
Seit mehr als 60 Jahren gibt es das Geschäft im Stadtteil Irajá, im Norden der Millionenmetropole Rio. Willian Figueira, 68, hat den Laden von seinem Vater übernommen. Der alte Herr war ein sogenannter Pai de Santo, ein "Vater des Heiligen". In ihn fuhren die Götter hinein, er fiel in Trance, hatte Visionen und erteilte Hilfesuchenden dann mit fremder Stimme Rat. Der Sohn hat diese Fähigkeiten nicht vererbt bekommen, dennoch glaubt er an die Macht und die Vorsehung der Götter. Die lebensgroße Frauenfigur der Göttin Pomba Gira steht seit jeher vor dem Laden, sie habe vorhergesagt, dass er nach dem Tod des Vaters alleiniger Chef werde. Täglich öffnet er die Gitter, auch am Sonntag oder Feiertag verkauft er Götterfiguren, Tonschalen oder Vasen für Opfergaben, Pulver für jedes erdenkliche Anliegen, Voodoo und schwarze Magie.
"Manchmal kann es helfen"
Er selbst macht einen Unterschied zwischen der Umbanda-Religion und dem Volksglauben. "Schau hier, es gibt Tausende Pulver und Mittel. Hier etwa für Ausdauer, Selbstvertrauen, Kraft, Verteidigung, schnelles Laufen. Es gibt Leute, die glauben, dass diese Pulver einem Fußballteam helfen. Aber weder die Götter noch ein Pulver können eine Mannschaft vor einer 7:1-Niederlage bewahren. Ein Team gewinnt nur dann, wenn es auch rennt", sagt Figueira. Bei Fußballverletzungen jedoch sei Hilfe möglich.
In einem Regal hat er Körperteile aus Wachs gestapelt. Arme, Lungen, Penisse sind knapp, er hat jeweils nur noch ein Ersatzteil auf Lager. Dafür gibt es ausreichend Knie und Füße. "Leute kaufen diese Teile, um sie zusammen mit Essensgaben den Göttern zu opfern und um Heilung zu bitten. Manchmal kann es helfen, den Schmerz zu abstrahieren, wenn die normale Medizin versagt", sagt Figueira. Es gebe viele Dinge zwischen Himmel und Erde, und er selbst habe schon etliche Geschichten erlebt, die rational nicht erklärbar seien. Oft geht es um Tod, Schmerz, unerfüllte Liebe oder Eifersucht.
In seinem Laden findet man auch für jeden Fall abseits des Spielfelds die passenden Utensilien. Sucht man den Partner fürs Leben, dann kauft man "Pega Mulher" (schnappt die Frau) oder "Pega Homem" (schnappt den Mann). Das Parfum wird äußerlich aufgetragen. Wenn Frauen sich die Flüssigkeit aber in die Vagina schmieren, wird der Liebhaber ewig treu bleiben, so steht es in der Gebrauchsanweisung. Und: Funktioniert nur, wenn der Verzauberte ahnungslos ist.
Voodoozauber für 9,50 Reais
Nicht immer haben die Kunden gute Intentionen: Eine Frau suchte eine weibliche Voodoo-Puppe, einen Sarg und einen Dolch. Sie wollte ihre beste Freundin töten, die mit ihrem Mann eine Affäre hatte, ihren untreuen Gatten wollte sie verschonen. "Wenn es der Person hilft, sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen, bitte schön", sagt Figueir. "Puppe und Sarg kosten bei mir zusammen 9,50 Reais."
Wenn die Geschichten der Hilfesuchenden zu bizarr sind, scheut er sich nicht, eine höhere irdische Macht anzurufen: die Polizei. "Neulich wollte eine Kundin sieben Kuhköpfe, sieben Liter Blut eines Hammels und noch etliche andere absonderliche Dinge. Sie hatte einen Einkaufszettel, auf dem alles aufgelistet war und auch die geschätzten Preise schon addiert waren. Die Gesamtsumme lag bei 11.000 Reais. Das muss man sich mal vorstellen! Der Mindestlohn liegt bei 700 Reais." Schließlich kam er dahinter, was die Frau antrieb: Ihr Pai de Santo, ihr Heiliger, war ein Betrüger. "Er hatte ihr die Liste diktiert, seine Rechnung hatte er proportional zu den Ausgaben erstellt. Ich hab die Frau direkt zur Polizei geschickt."
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