AfD-Wahlplakat in Buchenwald »Das ist ein Angriff gegen die Gedenkstättenarbeit. Das werden wir niemals dulden«

Die AfD hat ein provokantes Plakat auf dem Gelände des einstigen KZ Buchenwald aufgehängt. Gedenkstättenleiter Wagner ließ es wieder abnehmen – und will die Partei nun zur Kasse bitten.
Ein Interview von Peter Maxwill

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Zur Person
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Jacob Schröter / imago images

Jens-Christian Wagner, Jahrgang 1966, ist seit 2020 Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen und Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zuvor war er sechs Jahre Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen in Celle.

SPIEGEL: Herr Wagner, Sie haben auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte ein AfD-Wahlplakat abnehmen lassen. Wie kam es dazu?

Wagner: Das Plakat ist vorgestern einem Mitarbeiter aufgefallen, der uns in der Gedenkstättenleitung darüber informiert hat. Daraufhin haben wir uns nach kurzer Beratung entschlossen, das Plakat zu entfernen – und haben das fotografisch dokumentiert.

SPIEGEL: Wissen Sie, wie genau das Plakat dahin gekommen ist?

Wagner: Das hat die AfD Weimar offensichtlich am Montagabend dort angebracht. Jedenfalls hat die AfD-Stadtratsfraktion auf ihrer Facebook-Seite ein Foto davon gepostet, wie sie das Plakat in der Gedenkstätte aufhängen.

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SPIEGEL: Was genau hat Sie daran gestört?

Wagner: Wahlwerbung hat generell in der Gedenkstätte nichts verloren. Und hier kommt erschwerend hinzu, dass es sich um die AfD Thüringen handelt. Die hat in der Vergangenheit wiederholt bewiesen, dass sie der Erinnerungskultur und damit auch der Gedenkstättenarbeit in Buchenwald und Mittelbau-Dora ablehnend gegenübersteht – denken Sie bloß an die inzwischen berüchtigte Forderung von AfD-Landeschef Björn Höcke nach einer »erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad«. Wir haben der AfD folgerichtig auch das Verbot ausgesprochen, hier an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen.

SPIEGEL: Auf dem Plakat, um das es jetzt geht, steht der AfD-Wahlspruch »Mut zur Wahrheit«. Haben Sie sich auch daran gestört?

Wagner: Allerdings. Diese Phrase prangert die angebliche Cancel Culture in Deutschland an – also die Idee, man könne angeblich seine Meinung nicht mehr frei äußern. Dazu gehört auch, dass neurechte Kreise regelmäßig beklagen, dass man mit geschichtsrevisionistischen Thesen nicht an die Öffentlichkeit gehen kann. Ein solches Plakat in einer KZ-Gedenkstätte, das ist eine sehr gezielte Provokation: Es suggeriert, hier würden geschichtliche Wahrheiten unterdrückt.

»Wir prüfen im Augenblick, ob wir gegen die AfD rechtliche Schritte einleiten.«

SPIEGEL: Sie schließen also aus, dass die AfD das Plakat versehentlich dort angebracht hat?

Wagner: Der Mast, an dem das Plakat hing, gehört zur Gedenkstätte, er steht mitten auf unserem Gelände – am Parkplatz, unweit der Besucherinformationen. Und das war der AfD natürlich bekannt. Außerdem kann niemand behaupten, den Hintergrund dieses Ortes nicht zu kennen. Es ist völlig offenkundig, dass das gezielt hierher gehängt wurde.

SPIEGEL: Und wenn sich die AfD beschwert, womöglich gar Anzeige erstattet?

Wagner: Es ist keine Straftat, ein fremdes Plakat von Privateigentum auf Privatgrund zu entfernen; das haben wir vorher rechtlich abgeklärt. Und wir prüfen im Augenblick, ob wir wiederum gegen die AfD rechtliche Schritte einleiten.

SPIEGEL: Auf dem Foto, das die Abnahme des Plakats zeigt, sieht es ziemlich lädiert aus. Haben Sie das Plakat nicht nur abgenommen, sondern auch zerstört?

Wagner: Nein, als wir es in Augenschein genommen haben, war es bereits beschädigt – offenbar mit einer Schere. Wir haben dann das zerstörte Plakat abgehängt und sichergestellt.

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SPIEGEL: Sichergestellt?

Wagner: Ja, es wird jetzt hier bei uns im Haus verwahrt. Wir prüfen derzeit unter anderem, ob wir – wie offenbar in anderen Fällen schon geschehen – von der AfD ein Verwahrentgelt verlangen.

SPIEGEL: Sie ziehen ja alle Register. Hätten Sie eigentlich auch ein Plakat der Grünen oder der FDP abgenommen?

Wagner: Ja. Das Wahlrecht ist ein ganz hohes demokratisches Gut, aber eine KZ-Gedenkstätte ist kein Wahlkampfort. Vor ein paar Jahren hat eine andere Partei mal an der Auffahrt zur Gedenkstätte Mittelbau-Dora ein großes Wahlplakat aufgestellt. Wir haben die Partei aufgefordert, diese Werbung zu entfernen, was sie auch sofort gemacht hat.

»Warum sollten wir bei uns Werbung für eine Partei dulden, die extrem rechte, rassistische und antisemitische Positionen vertritt?«

SPIEGEL: Was sagt denn die AfD zu der ganzen Angelegenheit, haben Sie miteinander gesprochen?

Wagner: Nein.

SPIEGEL: Warum nicht?

Wagner: Die AfD wird von uns einen schriftlichen Bescheid erhalten. Gerne kann sie das von uns sichergestellte Plakat abholen. Darüber hinaus sehe ich keinerlei Veranlassung, mit einer Partei zu sprechen, die nachweislich Geschichtsrevisionismus verbreitet und gegenüber einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ablehnend aufgetreten ist. Warum sollten wir bei uns Werbung für eine Partei dulden, die extrem rechte, rassistische und antisemitische Positionen vertritt? Zumal das ja nun kein Einzelfall ist.

SPIEGEL: Sondern?

Wagner: Es gibt immer mal wieder Provokationen seitens der AfD: Auf dem einstigen KZ-Gelände werden Positionen vertreten, die sich gegen die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus richten. Das nimmt zu, schon seit fünf, sechs Jahren – und zwar nicht nur in Buchenwald, sondern auch in anderen Gedenkstätten .

SPIEGEL: Haben Sie keine Sorge, den extrem Rechten mit Ihrer Aktion in die Hände zu spielen? Die AfD kann sich nun einmal mehr als Opfer einer Attacke auf Demokratie und Meinungsfreiheit inszenieren.

Wagner: Die AfD wird sich sowieso als Opfer inszenieren, das tut sie immer. Für uns ist es wichtig, ein klares geschichtspolitisches Signal zu setzen: Die Sache mit dem Plakat, das ist ein Angriff gegen die Gedenkstättenarbeit. Das werden wir niemals dulden, und deswegen haben wir das auch in den sozialen Netzwerken verbreitet.

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