Befragung zu Übergriffen Christen klagen über Schikanen in Flüchtlingsheimen

Mehrere Verbände haben einen besseren Schutz für Christen in Asylunterkünften gefordert. Bei einer Befragung berichteten viele christliche Flüchtlinge von Schikanen durch Muslime.
Christliche Migranten aus Eritrea und Äthiopien beten in einem französischen Flüchtlingscamp 2015

Christliche Migranten aus Eritrea und Äthiopien beten in einem französischen Flüchtlingscamp 2015

Foto: © Pascal Rossignol / Reuters/ REUTERS

In deutschen Flüchtlingsunterkünften wird offenbar nicht genug auf den Schutz von Angehörigen religiöser Minderheiten geachtet. Das ist das Ergebnis der Studie "Christenverfolgung in Deutschland ", die das Netzwerk Open Doors Deutschland vorgelegt hat. Open Doors kümmert sich normalerweise um verfolgte Christen in Ländern, in denen Christen eine Minderheit sind.

In der Studie heißt es, mehr als 80 Prozent der christlichen Flüchtlinge seien in den Erstaufnahmeeinrichtungen Schikanen durch muslimische Flüchtlinge ausgesetzt. Besonders stark betroffen seien iranische und afghanische Konvertiten, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. Für die Studie wurden 231 christliche Flüchtlinge zwischen Februar und April 2016 von Open Doors befragt.

Die Organisation ist umstritten, da sie den Evangelikalen nahesteht und damit nicht überkonfessionell ist. Der Weltverfolgungsindex der Organisation, ein Negativ-Ranking, das Christenverfolgung in 50 Staaten der Welt anprangert, gilt aber als glaubwürdig.

Christen nur in größeren Gruppen mit Muslimen unterbringen?

Nicht nur Open Doors beklagt Übergriffe: Auch der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD), die Aktion für Verfolgte Christen sowie die internationale Gesellschaft für Menschenrechte, die sich vor allem um jesidische Flüchtlinge aus dem Irak kümmert, sorgen sich um die Situation von Christen unter den Flüchtlingen.

"Das sind keine Einzelfälle, ich kenne keine Unterkunft von Garmisch bis nach Hamburg, wo wir nicht auf solche Fälle gestoßen sind", sagt Paulus Kurt vom ZOCD. "Ich habe Familien gesehen, die wegen Bedrohung freiwillig wieder zurückgekehrt sind."

Die Übergriffe reichten von Körperverletzungen bis hin zu sexuellen Übergriffen, Todesdrohungen auch gegen Angehörige von Flüchtlingen in deren Heimatländern, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Organisationen. Etwa die Hälfte der 231 befragten christlichen Flüchtlinge fühlten sich zudem von muslimischen Wachleuten benachteiligt oder sogar drangsaliert.

Der religionspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Franz Josef Jung, sagte, seine Fraktion nehme die Ergebnisse der Erhebung von Open Doors ernst. "Geflüchtete dürfen bei uns nicht das Gefühl haben, den gleichen Repressalien ausgeliefert zu sein, wie in ihren Heimatländern", sagte der CDU-Politiker. Die Union habe sich bereits für Verbesserung bei Auswahl und Qualität der Sicherheitsunternehmen für die Bewachung der Unterkünfte eingesetzt. Die Länder seien darüber hinaus aufgefordert worden, künftig religiös motivierte Straftaten gesondert zu erfassen.

Ein evangelischer Pfarrer berichtete, christliche Flüchtlinge seien in einer Berliner Einrichtung bedroht worden, nachdem sie sich geweigert hätten, an einem gemeinschaftlichen islamischen Gebet teilzunehmen. Wer sich bei den Verantwortlichen beklage, müsse anschließend mit noch mehr Repressalien rechnen, sagte Pfarrer Gottfried Martens. "Wenn jemand Anzeige erstattet, dann müssen wir ihn anschließend bei uns auf der Matratze schlafen lassen."

Open Doors schlug vor, Christen, Jesiden und andere Nicht-Muslime künftig nur noch in größeren Gruppen auf bestimmte Unterkünfte zu verteilen. Die katholische Kirche hatte im Februar erklärt, spezielle Einrichtungen nur für Christen seien nur eine Notlösung. Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte die Kirchengemeinden kürzlich aufgefordert, sich noch intensiver um christliche Flüchtlinge in den Unterkünften zu kümmern.

Paulus Kurt vom Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland

Paulus Kurt vom Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland

Foto: Sophia Kembowski/ dpa
apr/dpa/AFP
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