Claudia Kotter Tod einer jungen Heldin

Sie hasste Aktionen, die Mitleid erheischen - und liebte das Leben: Claudia Kotter, Initiatorin der Organspende-Kampagne "Junge Helden". Bis zuletzt engagierte sich die 30-Jährige, diskutierte mit Politikern, organisierte ausgefallene Partys mit Promis wie Jürgen Vogel. Jetzt hat ihr Herz versagt.
Jürgen Vogel mit Claudia Kotter: "Eine der stärksten Persönlichkeiten, die ich kenne"

Jürgen Vogel mit Claudia Kotter: "Eine der stärksten Persönlichkeiten, die ich kenne"

Foto: Rainer Jensen/ picture-alliance/ dpa

Berlin - So häufig war sie dem Tod näher als dem Leben. So nah, dass einige Ärzte ihr schon keine Spenderlunge mehr einsetzen wollten. So oft, dass ihre Freunde am Ende überrascht waren, als sie tatsächlich die Nachricht von ihrem Tod erhielten: Die Organspende-Aktivistin Claudia Kotter, Initiatorin der Kampagne "Junge Helden" , ist am Dienstag verstorben.

Die 30-jährige Wahl-Berlinerin sorgte bundesweit mit ihren Auftritten dafür, dass das heikle Thema ins Bewusstsein der Menschen kam, besonders der jungen Menschen. Denn mit hippen Parties warb Kotter dafür, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, seine Organe zu spenden. Prominente wie die Schauspieler Jürgen Vogel und Anna Maria Mühe kamen zu diesen im Berliner Nachtleben beliebten Feiern.

Claudia Kotter litt an einer seltenen Autoimmunkrankheit namens Sklerodermie, bei der das Kollagen im Bindegewebe von Haut und Organen verhärtet. Sie war der Grund, warum Kotter insgesamt vier Jahre im Krankenhaus leben musste und auf eine Spenderlunge angewiesen war, die sie schließlich vor einigen Jahren auch bekam. Die Krankheit gab ihrem Gesicht ein markantes Aussehen: Unter ihre jungen Züge mischten sich die einer älteren Person - eine Physiognomie, die zu einem Markenzeichen wurde für ihren Verein "Junge Helden".

Kotter wollte ohne moralischen Zeigefinger die Bereitschaft zum Organspenden erhöhen. "Uns geht es nicht darum, dass die Leute auf unseren Partys massenweise Spendenausweise ausfüllen, uns geht es einfach darum, dass sie Stellung beziehen - auch wenn sie den Ausweis dann nicht ausfüllen", sagte sie im vergangenen Jahr im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

Ihr Krankenzimmer wurde zur Anlaufstation für Freunde

Was sie hasste, das waren Kampagnen, die auf das Mitleid der Menschen aus sind. Jene, die an das Gewissen appellieren, doch etwas für die armen Kranken zu tun, die auf Spenderorgane warten. "Krankheit ist kein Freifahrtschein, andere Menschen zu erpressen", so lautete eines ihrer Credos. Sie bezog das nicht nur auf ihre Initiative "Junge Helden", sondern auch auf sich persönlich.

Auf ihrem Weg durch die medizinischen Institutionen verblüffte sie die Ärzte mit ihrem Willen, ums eigene Überleben zu kämpfen. Sie verlegte ihr soziales Leben ins Krankenzimmer und machte es zu einer Anlaufstation für ihre Freunde. Die schnappten sich Kotter und nahmen sie, zum Teil auch gegen den Willen der Mediziner, mit hinaus ins Theater, Kino oder Restaurant. Bei einer dieser Gelegenheiten lernte sie auch den Schauspieler Jürgen Vogel kennen, der über sie sagte: "Claudia ist eine der stärksten Persönlichkeiten, die ich kenne."

Das Engagement hielt Kotter bis zuletzt in ständiger Bewegung. Noch Anfang des Monats kurbelte sie eine gemeinsame Initiative mit den Sparkassen an. Am Tag der Organspende, am 4. Juni, war sie in Frankfurt. Zwei Tage darauf diskutierte sie unter anderem mit SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach im MDR über eine Veränderung des Transplantationsgesetzes, so wie es gerade im Bundestag in Anhörungen zum Thema geschieht. "Wir werden ihr Anliegen weiterführen", verspricht Ina Brunk vom Verein "Junge Helden".

Am Ende war es ihr Herz, das versagte. Zu Hause ist sie gestorben, unspektakulär. Nach einem intensiven Wochenende, wie kolportiert wird. Diese Beiläufigkeit war vermutlich ganz im Sinne von Claudia Kotter. "Leben und Tod passieren. Menschen kommen und gehen. Menschen werden krank, auch wenn uns das nicht gefällt. Man muss aufwachen und das akzeptieren", schrieb sie in ihrem biografischen Buch "Gute Nacht, bis morgen", das im vergangenen Jahr erschien. Sie leitete daraus allerdings nicht eine Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber ab.

Im Gegenteil. Claudia Kotter schrieb: "Dieses 'später' und dieses 'eines Tages' gibt es einfach nicht. Das Leben findet jetzt statt, man kann es nicht verschieben."

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