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Conflict Kitchen: Der Feind auf dem Teller

Foto: Conflict Kitchen

US-Restaurant Conflict Kitchen Dinner mit dem Feind

In Jon Rubins Conflict Kitchen in Pittsburgh kommt nur Essen aus Ländern auf die Speisekarte, die mit den USA verfeindet sind. Und da gibt es bekanntlich eine Auswahl.

Pittsburgh - Der amerikanische Künstler Jon Rubin betreibt seit drei Jahren in Pittsburgh, im US-Bundestaat Pennsylvania, das Take-away-Restaurant Conflict Kitchen . Immer drei Monate lang serviert er Speisen aus einem bestimmten Land. Voraussetzung dafür: Es muss mit den USA im Clinch liegen.

Für die Rezepte reist er vorher in das jeweilige Land und spricht mit Einheimischen. Später druckt er ihre Geschichten auf das Papier, in das die Gerichte in seinem Restaurant eingewickelt werden. Bei Rubin gingen schon Speisen aus Nordkorea, Kuba, Iran und Venezuela über die Theke. Im Moment ist er in Südkorea unterwegs.

SPIEGEL ONLINE: Herr Rubin, suchen Sie in Südkorea nach neuen Rezepten?

Rubin: Nein, diesmal nicht. Ich bin in Anyang in der Nähe von Seoul und nehme hier an einem Kunstprojekt teil. Man wandert ein Stück zu einem Haus in den Bergen und besucht dort nordkoreanische Flüchtlinge, die einem dort in einem fast leeren Haus ihre Geschichten erzählen. Voriges Jahr war ich auch hier und habe Flüchtlinge zu ihrer Essenskultur befragt.

SPIEGEL ONLINE: Und waren Sie erfolgreich?

Rubin: Ja. Die meisten Amerikaner denken, in Nordkorea gäbe es nur Steine und Äste zu essen. Tatsächlich gibt es wegen der Armut eher wenig Fleisch. Und das Regime gibt eine Essenskultur vor. Aber die Leute halten sich nicht daran. Das Essen in Nordkorea ähnelt sehr der Südkoreanischen Küche. Wir haben in unserem Restaurant zum Beispiel eine kalte Nudelsuppe namens Naengmyeon serviert und Süßigkeiten, die Kim Jong Un sonst an seinem Geburtstag verteilen lässt.

SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie denn an die Süßigkeiten gekommen?

Rubin: Wir haben sie einfach in einem koreanischen Supermarkt in Pittsburgh gekauft. Aber die Info hatten wir von nordkoreanischen Flüchtlingen, die wir hier in Südkorea getroffen haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Essen aus Ländern zu servieren, mit denen die USA verfeindet sind?

Rubin: Für eine amerikanische Stadt ist Pittsburgh ethnisch und kulturell nicht sehr facettenreich. Das hat mich frustriert. Amerikaner sind auch nicht besonders heiß darauf, über Außenpolitik zu diskutieren. Ironischerweise fingen die Leute erst an, sich für Iran zu interessieren, als es so aussah, dass wir einen Krieg mit Iran beginnen würden. Also dachte ich, dass ein solches Restaurant eine Möglichkeit ist, das Leben der Menschen und die Kultur in den verfeindeten Ländern den Leuten näher zu bringen. Aber das ist nicht so einfach.

SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?

Rubin: Amerikaner haben Angst, auf jemanden zu stoßen, der anderer Meinung ist. Sie wollen niemanden gegen sich aufbringen oder kränken.

SPIEGEL ONLINE: Und diskutieren die Leute in Ihrem Restaurant dann wirklich miteinander, oder sind sie einfach hungrig?

Rubin: Manche kommen, um sich wirklich über die Länder auszutauschen. Andere kommen auch, um die Geschichten zu lesen, in denen das Essen eingewickelt ist.

SPIEGEL ONLINE: Was sind das für Geschichten?

Rubin: Zum Beispiel erzählte ein nordkoreanischer Flüchtling, wie er nach China geflüchtet war und sich seine Mutter Geschichten ausdachte, die sie Regierungsmitarbeitern erzählte, wenn sie nach ihrem Sohn fragten. Zuerst sagte sie, er mache eine längere Reise durchs Land. Als er dann nicht wiederkam von seiner Reise, sagte sie, er sei bei einem Busunfall in den Bergen gestorben. Sie hatten sogar ein Fake-Grab für ihn.

SPIEGEL ONLINE: Was sind denn die Kriterien, die ein Land erfüllen muss, um in Ihrer Speisekarte aufzutauchen?

Rubin: Es müssen nicht unbedingt militärische Konflikte sein. Die einen sind offensichtlicher wie der Kuba- oder der Nordkorea-Konflikt. Aber auch andere Länder wie Venezuela kommen in Frage.

SPIEGEL ONLINE: Und haben Sie ein Lieblingsfeindesland, aus dem Sie besonders gerne Essen servieren?

Rubin: Ich mag persisches Essen besonders gern, und kubanisches Essen ist auch sehr gut. Es ist eher einfach, aber sehr lecker. Es gab zum Beispiel Picadillo: Rind mit Oliven, Paprika, Rosinen und Tomaten.

SPIEGEL ONLINE: Und was kochen Sie als Nächstes?

Rubin: Im Moment ist noch Afghanistan dran. Als Nächstes kommt Palästina.

Das Interview führte Sophia Münder
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