Fotostrecke

"Copacabana Palace": Leben, leiden und lachen in Ruinen

Foto: Peter Bauza/ Edition Lammerhuber

Fotoband aus Elendsviertel bei Rio "Es ist die Hölle, aber es gibt auch Freude dort"

Nie fertiggestellt - und trotzdem bewohnt: Am Rande Rios hausen Hunderte Familien in Bauruinen. Fotograf Peter Bauza hat im "Copacabana Palace" bewegende Bilder gemacht.
Zur Person
Foto: Jose Antonio Pine/ Edition Lammerhuber

Peter Bauza verließ als Kaufmann in Außenhandel sein Heimatland Deutschland. Aus seiner Leidenschaft, dem Fotografieren, machte der gebürtige Düsseldorfer bald darauf seinen neuen Beruf. Mittlerweile lebt er bereits seit 20 Jahren in Lateinamerika und durchreist die Gegend regelmäßig für Fotoprojekte. Die Arbeiten des 57-Jährigen wurden mehrfach ausgezeichnet. 

Knapp 60 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt liegt ein vergessener Ort. Zwischen Müll, Abwasser und Gestank verrotten dort die Ruinen von sechs Wohnblöcken. Vor 30 Jahren für die Mittelschicht gebaut, aber nie fertiggestellt - und trotzdem wohnen Menschen darin.

Gut 300 Familien, sagen Schätzungen. So genau weiß das niemand. Es sind die, die sonst keine Bleibe finden. Der deutsche Fotograf Peter Bauza war vor drei Jahren das erste Mal in der Anlage, welche die Bewohner ironisch "Copacabana Palace" nennen - so heißt ein Luxushotel im Herzen Rios.

Bauza kam den Bewohnern des Elendsviertels sehr nahe, seine Bilder erzählen vom Leid, aber auch der Lebensfreude, die zwischen dem Schutt allgegenwärtig ist. Die Bilder hat er in einem Buch veröffentlicht. Am Wochenende wurden die Aufnahmen außerdem mit dem renommierten Visa d'or Award in der Kategorie Feature ausgezeichnet.

SPIEGEL ONLINE: Herr Bauza, "Copacabana Palace" ist auch der Name eines berühmten Luxushotels in Rio. Ihre Bilder zeigen aber alles andere als Prunk und Protz. Wie passt das zusammen?

Bauza: Der Name ist ironisch gemeint. Ich habe das Wort auf einem Graffiti an einer Wand entdeckt. Die Menschen haben dem Ort aber noch mehr Namen gegeben. Carandiru zum Beispiel - so heißt ein berüchtigtes Gefängnis in São Paulo, in dem es vor gut 25 Jahren eine Massenmeuterei mit Mord und Totschlag gab. Jambalaya, nach einer TV-Show, ist der eigentliche Name.

SPIEGEL ONLINE: Wie muss man sich die Gegend dort vorstellen?

Bauza: Es gibt kein fließendes Wasser, kein richtiges Stromnetz und keine gute ärztliche Versorgung. Die Häuser haben keine Fenster, keine Türen und keine Aufzüge. Die Wände sind verraucht und grau, in den Straßen liegt ein übler Geruch. Kinder spielen in den Hausgängen, zwischen dem Müll, häufig auch Barfuß. Die Rohre in den Häusern wurden rausgerissen, einige Wohnungen sind eingestürzt und alles ist feucht.

Eine Familie im "Cobacabana Palace"

Eine Familie im "Cobacabana Palace"

Foto: Peter Bauza/ Edition Lammerhuber

SPIEGEL ONLINE: Solche Zustände gibt es häufiger in Brasilien.

Bauza: Ja, leider. Das "Copacabana Palace" ist nicht einzigartig. Diese Menschen repräsentieren Millionen andere, die unter ähnlichen Bedingungen leben müssen. Die Reichen werden immer reicher und die Ärmeren müssen darunter leiden. Die Leute dort arbeiten als Tagelöhner oder sammeln Müll, um zu überleben. Viele bezeichnen sie als Hausbesetzer und werfen ihnen vor, etwas Illegales zu tun. Aber niemand wird als Hausbesetzer geboren.

"Angst brauchte ich keine zu haben"

SPIEGEL ONLINE: Sind Drogengangs ein Problem in dem Gebiet?

Bauza: Eine Art Privatmiliz hat die Drogengangs vertrieben und sorgt mit ihren eigenen Regeln für Sicherheit. Ich selbst hatte immer die richtigen Aufpasser dabei. Angst brauchte ich nicht zu haben.

SPIEGEL ONLINE: Ihre Bilder zeigen sehr private Einblicke in den Alltag der Menschen. Wie haben Sie es geschafft, dass die Leute Sie so dicht an sich herangelassen haben?

Bauza: Die ersten vier bis sechs Wochen war es schwierig. Da haben sie schon überlegt: "Was macht eigentlich dieser Gringo da?" Aber Stück für Stück sind wir uns näher gekommen. Ich hatte auch keine große Ausrüstung dabei, was den Kontakt erleichterte. Heute kann ich in jede Wohnung kommen, dokumentieren und fotografieren, weil ich ein Teil von ihnen bin.

Zwei Menschen tanzen vor einer der Bauruinen

Zwei Menschen tanzen vor einer der Bauruinen

Foto: Peter Bauza/ Edition Lammerhuber

SPIEGEL ONLINE: Auf einigen ihrer Fotos sieht man den Menschen ihre Verzweiflung an. Auf anderen tanzen sie fröhlich umgeben von Schutt und Ruinen. Wie schaffen es die Menschen dort, trotz ihrer Lage so fröhlich zu sein?

Bauza: Latinos haben einfach diese Lebenskraft und diese Hoffnung, irgendwann mal doch aus dieser Lage herauszukommen. Obwohl einige davor auch Angst haben, dann ihre Gemeinschaft zu verlieren, sollte sie auseinandergerissen werden.

SPIEGEL ONLINE: Was war Ihre Intention, als Sie mit dem Projekt begonnen haben?

Bauza: Ich hatte das Bedürfnis, der Minderheit ein Gesicht, eine Stimme zu geben. Aber das sollte nicht voyeuristisch, sondern mit Würde geschehen. Ich wollte zeigen: Es ist die Hölle, aber es gibt auch Leben und Freude dort - und nicht nur ein Dahinvegetieren. Der Komponist Francis Hyme hat dieses in einer Symphonie sehr gut beschrieben. Eine Inspiration für diese Arbeit.

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Foto: Edition Lammerhuber

Peter Bauza:
Copacabana Palace

Sprachen: Englisch, Deutsch, Portugiesisch.

Edition Lammerhuber; 208 Seiten; 75 Euro.

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SPIEGEL ONLINE: Sie sagen, Sie wollen helfen - aber Sie wehren sich gegen die Bezeichnung Aktivist. Warum?

Bauza: Weil Aktivismus sehr oft mit Militanz verglichen wird. Ich setze mich nur aktiv für das Bekanntwerden dieser Geschichten ein. Nur so kann geholfen werden.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben im Juni 2015 mit dem Projekt angefangen, als die Vorbereitungen für Olympia in vollem Gange waren. Was haben die Menschen im "Copacabana Palace" über die Spiele gedacht?

Bauza: Erst mal freut sich jedes Land, dass es die Olympischen Spiele gibt. Aber die Menschen dort haben sich natürlich gefragt, ob man das Geld nicht besser hätte einsetzen können. Ein Mann dort sagte: "Unsere Kinder hätten auch olympische Sieger sein können, aber nicht unter diesen Umständen."

SPIEGEL ONLINE: Haben denn die Menschen von den Spielen profitiert, wie viele behaupten?

Bauza: Es gibt jetzt einige Bus-, Bahn- und Metroverbindungen mehr, aber diese sind sehr weit entfernt von unserem "Copacabana Palace" und diesen Menschen. Eigentlich traurig, denn es liegt nur 60 Kilometer entfernt vom Reichtum und weit genug, um versteckt zu sein.

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