Heldinnen des Corona-Alltags Stefanie Greger, 35, ambulante Krankenpflegerin, fährt weiterhin zu ihren Patienten

Gesundheits- und Krankenpflegerin Stefanie Greger: "Viele Patienten haben Angst"
Foto:Joachim Meyer/ AHD Jesteburg
Mehr als 800.000 der rund 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden teilweise oder komplett von ambulanten Pflegediensten betreut. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglichen den alten oder kranken Personen weiterhin in ihren eigenen vier Wänden leben zu können. Sie helfen ihnen beispielsweise bei der Körperhygiene und der Haushaltsführung.
Die Coronakrise stellt die ungefähr 14.000 ambulanten Pflegedienste vor neue Herausforderungen, nicht nur im Kontakt mit den Patienten. Es gibt Berichte über weniger Aufträge, da die Pflegebedürftigen Angst haben, sich zu infizieren oder aber Angehörige selbst die Pflege übernehmen. Auf der anderen Seite fürchtet der Verband für häusliche Betreuung und Pflege Personalmangel durch den Wegfall ausländischer Pflegekräfte.
Stefanie Greger, 35, Gesundheits- und Krankenpflegerin, arbeitet als stellvertretende Pflegedienstleitung beim "Ambulanten Hauspflege Dienst" in Jesteburg in Niedersachsen:
"Nur Abstand ist Ausdruck von Fürsorge": Dieser Satz der Kanzlerin ist bei mir hängengeblieben. Das ist ein großartiger Satz, aber für uns in der ambulanten Pflege kaum umzusetzen. Es ist nicht möglich, jemanden aus 1,50 Meter Entfernung zu waschen oder ihm Kompressionsstrümpfe anzuziehen.
Trotzdem versuchen wir alles, um uns und die Patienten zu schützen. Das Robert Koch-Institut empfiehlt für meine Berufsgruppe bislang keine Schutzkleidung. Ich wasche mir die Hände, verwende Desinfektionsmittel und versuche den direkten Kontakt so gering wie möglich zu halten. Das ist auch emotional schwierig: Viele Patienten haben Angst, und ich darf sie nicht tröstend umarmen, oder ihnen die Schulter drücken.
Wir sind für viele alte Leute ohnehin der einzige tägliche Kontakt, jetzt bekommen sie noch seltener Besuch von ihren Angehörigen. Die meisten sind uns sehr dankbar. Aber manche halten die Maßnahmen für übertrieben, nach dem Motto: Wir haben den Krieg überlebt, warum stellt ihr euch so an?
Wir sind, mehr noch als unsere Kollegen in Alten- oder Pflegeheimen, auf die Vernunft der Menschen angewiesen. Wir können kein Besuchsverbot aussprechen. Wenn wir Pech haben, sitzt der Enkel, der vor Kurzem Skilaufen in Österreich war, bei seinem Opa. Ärgerlich finde ich, wenn sich Angehörige beschweren, dass wir keine Schutzkleidung tragen - die alte Dame dann aber ins Taxi steigt, weil sie noch ein Pfund Hack kaufen will.
Seit vergangener Woche haben wir die Touren neu eingeteilt, damit so wenig Kollegen wie möglich eine so kleine Patientengruppe wie möglich versorgen. Sollte es bei uns oder den Patienten einen Corona-Fall geben, ist die Anzahl der Kontaktpersonen geringer. Die ungeliebten geteilten Dienste sind für die Kollegen die Regel geworden: Dasselbe Team übernimmt die Früh- und die Spätschicht mit einer längeren Pause dazwischen.
Ich selbst arbeite an der Schnittstelle zwischen Praxis und Büro: Ich berate am Telefon, koordiniere kurzfristige Änderungen, fahre aber auch zu Patienten. Insbesondere übernehme ich die medizinische Versorgung, also zum Beispiel Verbandswechsel bei Patienten, die von nicht-examinierten Kräften betreut werden.
Wir haben eine Riesenverantwortung für fast 700 Patienten, der wir gerecht werden wollen. Für mich käme nie infrage, mich aufgrund des Infektionsrisikos nicht mehr um die Leute zu kümmern. Angst macht mir allerdings, dass niemand absehen kann, wie sich das Ganze entwickelt. Das übersteigt meine Vorstellungskraft."