Held des Corona-Alltags Dirk Tiedemann, 55, Trauerredner, will den Lebenden Trost spenden

Trauerredner Dirk Tiedemann: "Es geht um weit mehr als nur das Abschiednehmen"
Foto: privatMehrere Tausend Menschen sind durch Covid-19 bislang gestorben. Für die Bestatter ist das problemlos zu bewältigen – angesichts von durchschnittlich über 900.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland.
Doch auf den Friedhöfen gibt es massive Einschränkungen, die verhindern sollen, dass sich Trauernde mit dem Virus anstecken. Trauerhallen und Kapellen sind geschlossen. Auch für Trauerredner ist das Geschäft zurzeit schwierig. Viele Angehörige sind verunsichert, weil die Bestattungen oft anders ablaufen müssen, als die Verstorbenen sich das gewünscht haben.
Dirk Tiedemann, 55, ist selbstständiger Trauerredner und Sprecher der 100 Jahre alten Rednergemeinschaft Hamburg:
"Seit 22 Jahren halte ich Reden bei Bestattungen, aber auch bei Hochzeiten und zur Begrüßung von Neugeborenen. Ich lebe davon, aber im Augenblick kann ich die Lage für uns Redner nur mit HNO umschreiben: Hunger, Not, ohne Einkommen. Ich und meine Kolleginnen und Kollegen haben einfach wenig zu tun, und Förderung gibt es auch nicht.
In Hamburg dürfen im Augenblick zehn Angehörige an einem Begräbnis teilnehmen, immerhin, anfangs waren es nur sechs. Manche Angehörigen wollen nun aber mit der Trauerfeier auf bessere Zeiten warten, andere denken, es dürfen jetzt ohnehin nur noch so wenige Menschen zu den Bestattungen kommen, da sparen wir das Ritual der Trauerrede.
Das ist sehr schade, denn es geht dabei um weit mehr als nur das Abschiednehmen, es geht auch um die Würde der Verstorbenen. Ich versuche, sie in meinen Reden noch einmal lebendig werden zu lassen. Ich feiere nicht die Trauer, sondern den jeweiligen Menschen.
Um eine gute Rede halten zu können, muss ich ausführlich mit den Angehörigen sprechen und sie beraten. Manchmal geht das jetzt nur noch am Telefon. Wenn es aber möglich ist, besuche ich sie schon zu Hause. Heute habe ich mit einer Trauernden mit ausreichendem Abstand bei Sonne im Garten gesprochen.
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Ich rede immer frei, so kann ich besser auf die Gäste eingehen. Natürlich erwähne ich an einer Stelle auch das Virus, das die ganze Feier reduziert. Darauf muss man in jedem Fall eingehen. Viele Angehörige sind einfach entsetzt, weil die Einschränkungen die Würde der Toten beeinträchtigt. Sie sind verunsichert, weil sie sich zum Beispiel nicht umarmen dürfen. Ich empfehle dann, als Zeichen eine Hand einfach auf das Herz zu legen.
Hochzeiten und die Begrüßung von Neugeborenen sind fast alle verschoben worden. Diese Feiern werden hoffentlich bald nachgeholt, dann gibt es wieder mehr zu tun. Und vielleicht hat es ja auch etwas Gutes, dass nun alle zu Hause bleiben müssen: Ich bin sicher, um Weihnachten herum werden wir viele Geburten haben."