Impfprobleme in Niedersachsen Adressen vom Paketdienst

Bei der Impfkampagne für Senioren über 80 kann Niedersachsen das eigene Melderegister nicht verwenden. Das Land nutzt daher die Adresskartei der Post – doch deren Daten sind unvollständig.
Deutsche Post in Osnabrück

Deutsche Post in Osnabrück

Foto: Fotostand / Gelhot / imago images/Fotostand

Niedersachsens Krisenmanager kämpfen offenbar weiter mit Problemen bei der Corona-Impfkampagne. Wenn Ende Januar die Bewohner der Senioren- und Pflegeheime ihre erste Impfdosis erhalten haben, sollen die 50 Impfzentren des Landes ihren Betrieb aufnehmen. Gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sollen zunächst Menschen geimpft werden, die älter als 80 Jahre sind. Das Problem: Das zuständige Ministerium von SPD-Gesundheitsministerin Carola Reimann hat offenbar Schwierigkeiten, alle Betroffenen per Post zu erreichen.

»Aufgrund rechtlicher Hürden kann das Land die Adressen der Impfberechtigten aus dem amtlichen Melderegister für dieses Anschreiben leider nicht verwenden«, hieß es auf der Internetseite des Ministeriums. Niedersachsen greift deshalb auf eine Adresskartei der Post zurück. Die Daten erfüllten zwar die hohen Ansprüche an den Datenschutz, seien aber unvollständig.

Bei den Landkreisen und in der Opposition stößt das Vorgehen auf Unverständnis und Spott. »Es ist nicht nachvollziehbar«, klagt der Geschäftsführer des niedersächsischen Landeskreistages, Hubert Meyer, »dass man eventuelle datenschutzrechtliche Bedenken in dieser Situation nicht ausräumen könne.«

»Wer es nicht kann, der sollte es besser lassen«

Meta Janssen-Kucz, gesundheitspolitische Sprecherin der niedersächsischen Grünen

Die Impfkampagne hatte in Niedersachsen ohnehin einen schwachen Start. Während Länder wie Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein schon im Dezember – gleich nach der ersten Lieferung des Impfstoffes der Firmen Biontech und Pfizer – mit dem Impfen loslegten, schickten zunächst nur die niedersächsischen Landkreise Osnabrück und Cloppenburg Impfteams in ihre Alten- und Pflegeheime. Erst am 4. Januar kamen »Pizzakartons«, wie die Verpackungen mit jeweils 975 Ampullen genannt werden, in allen 50 Impfzentren an. Inzwischen hat das Land bei den Impfungen aufgeholt.

»Vielleicht sollte man sich mal bei anderen Bundesländern schlaumachen«, spottet die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Meta Janssen-Kucz. Es sei »absurd«, dass die Landesregierung auf eine unvollständige Datei eines Paketdienstes zurückgreife. »Es wird immer offensichtlicher, dass die Verantwortlichen in Niedersachsen mit der Lage in der Corona-Pandemie überfordert sind«, sagt Janssen-Kucz. »Wer es nicht kann, der sollte es besser lassen.«

Auch das geschätzte Alter wird herangezogen

Auf SPIEGEL-Nachfrage erklärt ein Ministeriumssprecher die Probleme bei der Zustellung der Briefe mit dem beauftragten privaten Versanddienstleister, der die Schreiben versende. Nach dem niedersächsischen »Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz« dürfe das Privatunternehmen nicht auf die Melderegister des Landes zugreifen. Die »Vermietdatenbank der Deutschen Post Direkt GmbH« sei hingegen erlaubt.

Ein Sprecher der Post teilte mit, dass die Daten aus der Vermietdatenbank des Unternehmens stammen und neben dem Vor- und Nachnamen sowie der Adresse auch »Echtaltersinformationen« enthalten. »Zusätzlich werden statistische Daten zum Schätzalter auf Vornamensbasis – jedoch ohne Personenbezug – herangezogen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die richtigen Empfängerinnen und Empfänger zu erreichen.«

Um die Wahrscheinlichkeit noch weiter zu erhöhen, sollte das Ministerium vielleicht die Landkreise um Amtshilfe bitten. »Einige Landräte überlegen nun, die über 80-jährigen Bürger zusätzlich anzuschreiben, um wirklich alle zu erreichen«, sagte Landkreistags-Geschäftsführer Meyer. »Denn die ordentlich geführten Meldedaten liegen in den Gemeinden ja vor.«

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