Überlastete Buchungssysteme So holprig läuft der Impfstart in Nordrhein-Westfalen

Eine Seniorin informiert sich über den Impftermin: Wann kommt sie wohl durch?
Foto:Roland Weihrauch / dpa
Monatelang wurden in Nordrhein-Westfalen Impfzentren eingerichtet und getestet. Die Vakzine sind rar, doch das, was da ist, könnte bereits bald in großem Stil verimpft werden. Prinzipiell.
Allerdings ging der Start der Terminvergabe für die über 80-Jährigen an diesem Montag in Deutschlands größtem Bundesland vielerorts erst mal mächtig schief. Anmelde-Websites und Hotlines wurden geradezu überrannt, Server und Telefonleitungen konnten den Andrang nicht bewältigen.
Die Überlastung der Buchungssysteme führte beispielsweise im Kreis Gütersloh dazu, dass Impfwillige nicht durchkamen oder im Internet Meldungen wie »kein Impftermin mehr frei« erhielten. Die Folge: Von den eigentlich bereits zur Verfügung stehenden 10.400 Terminen in dem Landkreis wurden bis am frühen Nachmittag gerade mal 194 Termine vergeben, wie die Kreisverwaltung mitteilte.
In vielen anderen Kreisen sah es nicht besser aus: Die für die Organisation zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sprachen von einer Überlastung und baten darum, den Termin zu einem späteren Zeitpunkt zu buchen.
»Zumutung für ältere Menschen«
Viel Zeit bleibt den Behörden und Kassenärztlichen Vereinigungen indes nicht mehr. In der Woche ab dem 8. Februar sollen in den 53 Impfzentren etwa 70.000 Menschen ihre Erstimpfungen erhalten. In den ersten acht Wochen der Kampagne will das Landesgesundheitsministerium 560.000 Erstimpfungen durchführen lassen. Selbst wenn alles glattgeht, dürfte NRW auch zu Ostern in diesem Tempo noch immer nicht alle über 80-Jährigen geimpft haben: Denn rund eine Million Menschen in dem Bundesland sind mindestens so alt.
Kinder und Enkel der Senioren reagierten auf die Pannen in den sozialen Medien teils verzweifelt, teils mit Galgenhumor. Ein Nutzer schrieb: »SYNTAX ERROR IN JSON. Welcher 80-Jährige soll das verstehen?«, die Grünen-Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann sprach von einer »Zumutung für viele ältere Menschen«.
Die SPD im Düsseldorfer Landtag sprach angesichts dieses Starts von einem »Impfchaos« und beantragte eine Aktuelle Stunde zur Impfstrategie im Landtag. So sollten »das Parlament und die Bevölkerung zeitnah über die Fehlentwicklungen informiert und aufgeklärt werden«, teilte die Fraktion mit.
Besucher der für die Impftermine in dem Bundesland relevanten Website www.116117.de hätten den Hinweis erhalten, dass eine Terminvergabe wegen der erhöhten Nachfrage aktuell nicht möglich sei. Auch die Hotlines zur telefonischen Anmeldung »waren nicht erfolgreich«, kritisierte SPD-Fraktionsvize Kristin Kapteinat.
Alle Leitungen belegt
In den Callcentern arbeiten den Organisatoren der Impfung in NRW zufolge derweil 1200 Mitarbeiter, um den Ansturm abzuarbeiten. Die Leitungen sind täglich von 8 bis 22 Uhr besetzt. Laut »Business Insider« hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) davor gewarnt, dass es bei einem landesweiten Aufruf an alle Über-80-Jährigen eng werden könnte. In einem Brief hätten sie von »epischen« Callcenter-Kapazitäten gesprochen, die allerdings nicht verfügbar seien. Denn erfahrungsgemäß würden auch viele Verwandte und Bekannte für die betagten Betroffenen anrufen.
Wer im rheinischen Teil von NRW lebt und über 80 ist, soll nun 0800 116 117 01 wählen, Menschen in Westfalen 0800 116 117 02. Viele, die am Montag nicht durchkamen, hörten jedoch die Ansage: »Leider sind aufgrund zahlreicher Anrufe derzeit alle Leitungen in Ihrem Landkreis belegt.«
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem »holprigen Start der Impfterminvergabe«. Vorstand Eugen Brysch sagte: »Obwohl Nordrhein-Westfalen nicht das erste Land ist, das mit der Terminvergabe ans Netz geht, bleibt der Lerneffekt aus.« Selbst eine Vorregistrierung sei nicht möglich. Wenn Gesundheitsminister Laumann zur Terminierung aufrufe, »darf er sich nicht wundern, wenn die Menschen dem folgen«.
NRW ist nicht das einzige Bundesland mit Problemen bei der Terminvergabe. Thüringen etwa hat die Vergabe weiterer Termine über das dafür eingerichtete Internetportal »bis auf Weiteres« gestoppt. Grund sind dort jedoch die vor gut einer Woche bekannt gewordenen Lieferschwierigkeiten beim Impfstoffhersteller Pfizer. Mindestens bis zum 8. Februar bleibe das Portal deswegen geschlossen, hieß es. Telefonisch können zurzeit ebenfalls keine Termine vereinbart werden. (Lesen Sie hier mehr über das Prozedere in Ihrem Bundesland.)
In NRW sprach Ministerpräsident Armin Laschet trotz der Probleme von einem gelungenen Start. »Zehntausende haben heute Termine bekommen«, sagte der CDU-Politiker. Auch die Organisatoren beschwichtigten, niemand müsse sich Sorgen um seine Impfung beziehungsweise seinen Termin machen. »Jeder, der geimpft werden möchte, wird drankommen, aber eben nicht sofort.«
Dass in dem holprigen Start durchaus ein Problem liegen kann, hat inzwischen allerdings offenbar auch das Landesgesundheitsministerium erkannt – und verspricht: »Es wird unter Hochdruck an der Beseitigung der Engpässe gearbeitet.«
Im Kreis Gütersloh appelliert man derweil an die Bevölkerung, bei der Terminvergabe dranzubleiben. Termine im Impfzentrum Gütersloh seien noch reichlich frei, der Anmeldeprozess würde sich nach und nach entzerren.