Ellenbogen, Fuß, Verbeugen Wie begrüßt man sich denn jetzt?
Die Geschichte ist voll von berühmten Händedrücken. Aber in Zeiten der Corona-Pandemie gilt es ...
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister:
"... aufs Händeschütteln und Busserln zur Begrüßung zu verzichten."
Auch das produziert derzeit historische Bilder.
Der Händedruck aber ist erstmal in Verruf geraten. Aber ist das eigentlich schlimm?
Evelyn Siller, Mitglied im Deutschen Knigge-Rat:
"Der Händedruck war natürlich bisher immer einfach, weil ich nonverbal ganz viel übermitteln konnte. Wie hab ich denn die Hand bekommen von dem anderen? Wie habe ich die Hand gegeben? Da habe ich ganz viel herauslesen können, so intuitiv. Wie drückt der meine Hand? Wie fasst er mich überhaupt an? Sind noch so Berührungen am Arm oder so? Trump kann die Leute so nicht mehr so dominieren oder vorführen, beispielsweise. Oder man hat das auch bei Hochzeiten: Wer hat die Hand oben beim Torte-Anschneiden? Ich meine, das haben wir ja nicht nur da, das haben wir überhaupt. Also diese anderen körpersprachlichen Signale, die werden sehr viel wichtiger, um seine Position zu behaupten.
Ich glaube, es gibt zwei Gruppen: Es gibt die eine Gruppe der Menschen, für die sich das verändert, weil sie einfach auch ein bisschen vorsichtig sind und anderen Menschen nicht nahe kommen wollen. Und es gibt die anderen, denen ist es eigentlich relativ egal. Und ich finde, das merkt man jetzt schon, wenn man draußen unterwegs ist. Grundsätzlich glaube ich schon, dass auf Sicht weniger Körperkontakt, weniger Händeschütteln, dass man sich das überlegt, mit wem man es macht. Und jetzt, haben wir ja festgestellt, kommt dieser Ellenbogen-Check oder dieses Kicken mit dem Fuß. Und ich persönlich finde das ein bisschen spooky, sage ich Ihnen ehrlich, weil letzten Endes: Was ist denn Sinn einer Begrüßung? Es geht ja nicht darum, irgendjemanden irgendwie anzufassen oder zu berühren. Also ich möchte schon berühren, aber will ich jetzt den Ellenbogen in den Rippen haben oder gekickt werden? Ich finde, das ist ein bisschen schade. Was tun wir denn stattdessen? Ich finde, das müssen wir uns noch ein bisschen überlegen.
Der Händedruck ist ein Relikt aus dem Mittelalter. Früher war die rechte Hand die Schwerthand. Und wenn ich jemandem die rechte Hand hingestreckt habe, dann war das ein Zeichen meiner friedlichen Absicht. Und das hat sich einfach verfestigt. Und viele Leute, wenn sie anderen Menschen die Hand geben, dann gehen die Finger kurz ins Gesicht, weil wir so eine Geruchsprobe nehmen. Evolutorisch bedingt ist das ein Mittel, um zu checken: Ist der andere mein Freund, mein Feind, kann ich den riechen? Und wenn ich den an der Hand genommen habe - viele Leute, man hat das untersucht, da gehen tatsächlich die Hände ins Gesicht. Also, ich glaube schon, dass es wichtig ist, wenn ich jemanden berühre, also in dem Moment, wo ich die Hand gebe, fass ich den an. Und zwar von Mensch zu Mensch, nicht nur als Landesführer, Präsident oder sonst irgendjemand. Letzten Endes fällt das weg. So eine Verbindung zu schaffen, verbindlich zu sein. Und so ein Händedruck, der hat ja auch was von Ehre. Ich halte mein Wort, ich habe es in die Hand versprochen.
Im asiatischen Raum haben wir ja ganz andere Begebenheiten, Begrüßungen, diese Verbeugungen ganz unterschiedlicher Art. Namaste, im Indischen, das heißt eigentlich übersetzt so "ich begrüße das Göttliche in dir", also letzten Endes die Begrüßung der Wahrnehmung der Person, die Wertschätzung, die ich jemandem entgegenbringe. Dieses "Ich begrüße das Göttliche in dir, ich nehme dich in deiner Ganzheitlichkeit wahr und an". Das steckt da drin. Und wenn ich das nicht abkupfern will als Westeuropäer, weil das nichts authentisch ist oder nicht zu mir passt, dann könnte ich ja einfach auch so die Hand aufs Herz legen. Wenn ich jemanden sehe und sag: "Schön, dich zu sehen!"
Und dass man es den Leuten dann vielleicht auch leicht macht und sagt, wenn ich jetzt Gastgeber wäre, dass man sagt: "Ich schlage vor, wir begrüßen uns so", oder "wir machen das so". Oder wie auch immer. Dass ich weiß: Das ist eine Gepflogenheit, die gilt. Und dann haben alle die Sicherheit, dass Sie das richtig machen, wenn sie es so machen. Und jetzt ist eine Chance dazu, weil es jetzt für alle neu anfängt. Und weil es jetzt ja auch, nach diesem ganzen Ausgangsbeschränkungen, so ist, dass die Leute ja wieder Sehnsucht haben nach anderen Menschen. Also ich freue mich, wenn ich jetzt wieder andere Leute treffen kann. Und ich muss sie deswegen nicht umarmen, weil ich nicht weiß... Ich will ja niemanden anstecken. Man muss ja immer noch vorsichtig sein. Und trotzdem freue ich mich. Und ich glaube, diese Freude zu zeigen in einer anderen Geste... Ich persönlich finde dieses "Hand aufs Herz", "schön, dich zu sehen!", das gefällt mir persönlich supergut."