Demonstranten:
»Schämt euch! Schämt euch!«
»Schließt euch an! Schließt euch an!«
Ein abendlicher »Spaziergang« im sächsischen Freiberg – so war es angekündigt und das soll wohl problemlos klingen. Aber: Das ist es nicht. Denn es handelt sich um einen Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Und Versammlungen sind in Sachsen aktuell verboten.
Polizeidurchsage:
»Ihre Versammlung verstößt gegen die sächsische Corona-Notverordnung, sie ist nicht angemeldet und auch nicht genehmigt.«
Die »Freien Sachsen« hatten am Wochenende zu den Protesten in zahlreichen Städten des Bundeslandes aufgerufen. Eine Kleinstpartei, die vom sächsischen Verfassungsschutz intensiv beobachtet wird. Der hat sie als rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich eingestuft.
Unter den rund 650 Teilnehmern in Freiberg sind Familien mit Kindern, aber auch Rechtsextreme.
Die Polizei ist gut vorbereitet, mit vielen Beamten vor Ort. Schließlich kesselt sie einen Teil des Protestzugs in einer Nebenstraße ein.
Demonstrant:
»Jetzt stehen sie da, wirst du gefilmt, wirst tendenziell noch festgehalten, musst vielleicht noch Strafe bezahlen.«
Jana Ulbricht, Polizeisprecherin:
»Der konkrete Tatvorwurf ist die Teilnahme an einem Aufzug, was derzeit nicht gestattet ist. Das ist laut Corona-Notfallverordnung in Sachsen mit einem Aufzug von rund 250 Euro bewährt.«
Nach dem Eingreifen der Polizei wird die Stimmung aggressiver.
Demonstranten:
»Widerstand!«
»Ich werde festgehalten!« – »Lasst ihn frei!«
Was beschäftigt diese Menschen? Warum sind sie so wütend? Und warum ist es ihnen so wichtig, auf die Straße zu gehen, dass sie auch eine Ordnungsstrafe riskieren?
Das würde unser Team gern von den Demonstrantinnen und Demonstranten wissen. Bloß: Die meisten wollen mit dem SPIEGEL zunächst so gar nicht reden, die Stimmung gegenüber Journalisten ist feindselig.
Demonstrant und Demonstrantin:
»Nee, das ist kein Medium, das auch nur ordentlich berichtet. Man kann da drauf verzichten. Wir wissen wie geframet wird und wie die Leute dann dargestellt werden.«
Demonstrant: »Ihr nicht.«
DER SPIEGEL: »Warum nicht? Man sieht doch, wie ihr berichtet.«
Demonstrant: »Ja ist besser, Sie gehen da vorne hin.
DER SPIEGEL: »Warten Sie doch mal bitte.«
Demonstrantin: »Lügenpresse!«
Demonstrant: »Lügenpresse, mit euch redet eh keiner.«
Demonstrant: »Gehen Sie mal hier durch, nee mich nicht filmen.«
DER SPIEGEL: »Fassen Sie uns nicht an.«
DER SPIEGEL: »Aber wenn keiner mit uns redet, können wir ja gar nichts senden.«
Demonstrantin: »Dann können Sie doch wieder nach Hause gehen, allein schon mit diesem blöden Maulkorb. Mit solchen Leuten kann ich nichts anfangen.«
Einige wenige geben dann doch noch Interviews. Vor allem ein Mann lässt sich auf Medienvertreter ein, spricht ausführlich mit dem mdr und auch mit unserem Team.
Er kritisiert das Vorgehen der Polizei, die Maßnahmen im Allgemeinen und die Medien.
Demonstrant:
»Das ist ein Grundrecht und ein Grundrecht muss ich nicht anmelden. Und ich kann montags spazieren gehen, so lange und so oft, wie ich will.«
»Ich kämpfe bloß um meinen Enkel, meine Kinder und meine Existenz. Und die haben sie zu einem Teil zerstört.«
»Aber man muss sehen, wie man die Leute in die rechte Ecke rückt. Und das ist alles Presse, was das macht. Dort rückt alles in die rechte Ecke. Jemand, der eine andere Meinung zu dem C-Thema hat, wird a) nicht gehört und b) wird er abgewürgt. Dann ist es ein Schwurbler, dann ist es ein Querdenker, Leute, die einen normalen Verstand haben.«
Letztlich wird er von anderen Demonstrierenden gewarnt, überhaupt mit Medien zu sprechen.
Demonstrant:
»Die machen dich doch wieder später zum Idioten im Fernsehen. Hör auf damit, die drehen dir das Wort im Mund um. Hör auf damit, tu dir das nicht an, hör auf mich.«
Demonstrant:
»Ja, ich glaub dir das schon.«
Demonstrant:
»Die machen aus dir wieder einen Affen, wie immer, egal, was du jetzt hier sagst.«
Demonstrant:
»Das kann man dann auch anderweitig klären, wenn sie mich zum Affen machen.«
Schließlich löst die Polizei die Versammlung auf.
Polizeidurchsage:
»Sie werden jetzt einer Identitätsfeststellung zugeführt. Wir bitten Sie, freiwillig mitzukommen und keinen Widerstand zu leisten.«
Damit es schneller geht, macht die Polizei für die Identitätskontrolle Fotos der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Von rund 450 Menschen nimmt sie Personalien auf. Die gehen dann relativ friedlich auseinander.
Es werden allerdings nicht die letzten Demonstrationen bleiben. Und Verfassungsschützer sowie Innenminister warnen schon jetzt davor, dass die Proteste in Zukunft weiter eskalieren könnten – erst recht, wenn die allgemeine Impfpflicht kommen sollte.