Coronakrise Erste Infektion in Rio de Janeiros Favelas gemeldet

In Brasilien steigen die bestätigten Fälle des Coronavirus - nun sind erstmals die Armenviertel Rio de Janeiros betroffen. Währenddessen unterschreibt Präsident Bolsonaro ein Dekret zugunsten der Arbeitgeber.
Favela in Rio de Janeiro: Hier leben die Ärmsten, jetzt werden sie zudem durch das Coronavirus bedroht

Favela in Rio de Janeiro: Hier leben die Ärmsten, jetzt werden sie zudem durch das Coronavirus bedroht

Foto: MAURO PIMENTEL/ AFP

Das Coronavirus stürzt nun auch Brasilien in eine schwere Krise. Die Stadtverwaltung von Rio de Janeiro hat die erste Infektion in einer der Favelas bestätigt. Die Hygienebedingungen in den Armenvierteln entsprechen nicht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, daher besteht ein großes Risiko einer rasanten Ausbreitung.

Den Bewohnern fehlt es oft am Nötigsten wie Wasser und Seife, zugleich leben sie auf engstem Raum. "Die Auswirkungen für diese Bevölkerung kann sehr viel schlimmer sein, die Tragödie kann groß sein", warnte Unversitätsprofessor Mário Roberto Dal Poz auf dem Portal "G1".

Viele der Armenviertel werden von kriminellen Organisationen kontrolliert, die sich vor allem durch Drogenhandel finanzieren. Bevor der Bundesstaat Rio de Janeiro die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung einschränkte, hatten diese kriminellen Organisationen Medienberichten zufolge aus Angst vor dem Virus eine Ausgangssperre für die Bewohner verhängt und Ausländern den Zugang untersagt. "Wenn die Regierung nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen, wird es das organisierte Verbrechen lösen", zitiert "G1" aus einer Nachricht , die an Favela-Bewohner gesendet wurde.

Bolsonaro gerät unter Druck

Der rechtsgerichtete Staatspräsident Jair Bolsonaro gerät derweil weiter unter Druck. Nachdem er eine "vorübergehende Maßnahme" veröffentlicht hatte, durch die Arbeitgeber in der Coronakrise die Verträge von Arbeitnehmern aussetzen dürfen, zog er die Maßnahme wieder zurück. Medienberichten zufolge hatte der Kongress Druck auf den Staatspräsidenten ausgeübt, das Dekret zurückzuziehen. Seine Umfragewerte haben zuletzt erheblich gelitten.

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Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.

Bolsonaro kritisierte zuvor die Gouverneure, nachdem sie die Bewegungsfreiheit der Menschen eingeschränkt und nicht essentielle Geschäfte der jeweiligen Bundesstaaten geschlossen hatten. Systemrelevante Geschäfte dürften demnach weiter öffnen, die genaue Definition ist offenbar jedoch noch nicht geklärt. Der Waffenhersteller Taurus SA teilte mit, dass er von der Regierung die Erlaubnis bekommen habe, die Produktion aufrecht zu erhalten. Die Funktion des Unternehmens sei "essenziell". Bolsonaro gilt als Unterstützer der Waffenlobby.

Brasilien schließt Grenzen

Inzwischen hat Brasilien auch die letzte seiner zehn Landesgrenzen geschlossen. Ausländer, die nicht ständig in Brasilien leben, dürften für 30 Tage nicht mehr aus Uruguay einreisen, hieß es in einer Verfügung, die unter anderem Justizminister Sergio Moro und Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta unterzeichneten. In der vergangenen Woche hatte das größte und bevölkerungsreichste lateinamerikanische Land seine Landgrenzen zu insgesamt acht Nachbarländern geschlossen.

Lange hatte Präsident Bolsonaro Warnungen vor dem Coronavirus als Hysterie abgetan und damit landesweite Proteste ausgelöst. Noch vor zwei Wochen hatte der Staatspräsident Covid-19 als "Fantasie" bezeichnet. Zuletzt fabulierte er in einem TV-Interview am Sonntag , die Medien und seine politischen Gegner wollten ihm mit einer "schamlosen Kampagne" schaden. Die Krankheit selbst bezeichnete er als "kleine Grippe".

Am Montagabend lag die Zahl der bestätigten Fälle in Brasilien bei fast 2000, 34 Menschen sind dort bislang an den Folgen des Virus gestorben.

hba/dpa/Reuters

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