Durchsetzung von Maskenpflicht und Quarantäne Außer Vollzug

Zugreisende mit Maske: Wer ist zuständig?
Foto: Annette Riedl / picture alliance / dpaEin IC Richtung Nordsee im August, Reisezeit, die Abteile sind voll. Zögerlich setzt sich eine junge Frau neben einen älteren Mann. Vor den Türen drängen sich Menschen. Fast alle tragen einen Mund-Nasen-Schutz - bis auf einen Familienvater, der mit Partnerin und Tochter an einem Vierertisch sitzt. Als der Zugbegleiter kommt, hält sich der Vater mit einer Hand eine Stoffmaske locker vors Gesicht, während er mit der anderen sein Ticket vorzeigt.
Der Schaffner sagt: nichts.
Die Weigerung, im Zug eine Maske zu tragen, hätte mit einem Bußgeld belegt werden können. Doch kontrolliert, geschweige denn durchgesetzt, wird das längst nicht immer - was für Reisende zu beklemmenden Situationen führen kann.
Am Donnerstag haben sich die Bundesländer erstmals auf ein Mindestbußgeld geeinigt, um den Druck zu erhöhen. Wer seine Maske nicht oder falsch trägt, soll künftig mindestens 50 Euro zahlen. In einigen Ländern kann es deutlich teurer werden - in Bayern etwa liegt der Bußgeld-Regelsatz bei 250 Euro für einmalige und bei 500 Euro für mehrmalige Verstöße. Nur Sachsen-Anhalt schert aus und will und Verstöße nicht finanziell ahnden.
Spahn und Laschet fordern Länder zu mehr Kontrollen auf
Zwar sollte sich jeder Einzelne verpflichtet fühlen, in Bahnen und Geschäften Mund und Nase zu bedecken und so das Risiko zu minimieren, andere mit dem Coronavirus anzustecken. Auch Medizinethikerin Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, sagte am Donnerstag bei Maybrit Illner: Wenn die Leute nicht mitmachten, "funktioniert das sowieso alles nicht".
Das Beispiel aus dem Zug zeigt aber auch die Grenzen der Selbstverpflichtung und die Notwendigkeit, dass der Staat seine Verordnungen durchsetzen kann. So rief Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Länder dazu auf, die Einhaltung der Corona-Regeln strenger zu kontrollieren. "Beim Vollzug ist sicher mehr möglich", sagte Spahn der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" . NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wünschte sich eine "Vollzugsoffensive".
Doch wer soll diese um- und durchsetzen? Wie kompliziert die Situation ist, zeigt der Überblick zu Maskenpflicht und Quarantäne.
Die Maskenpflicht
Wochenlang stritten sich Deutsche Bahn und die Bundesregierung, wer die Maskenpflicht in Zügen überwachen soll. Beide Seiten sahen die jeweils andere zuständig. Der Konflikt endete vorerst mit einer öffentlichen Maßregelung durch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Per Schreiben forderte sein Ministerium von der Bahn, "dass die DB strikt auf die Einhaltung der Maskenpflicht achtet". Der Konzern sagte daraufhin zu, Personen des Zuges zu verweisen, die sich auf Aufforderung weigern, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
Die Bahn kann sich dabei auf die Eisenbahn-Verkehrsordnung berufen und den Rauswurf zur Not mithilfe der Bundespolizei durchsetzen. Doch Bußgelder kann sie nicht verhängen, wie auch das Verkehrsministerium betont: "Für die Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren sind die Landesbehörden zuständig."

Mitarbeiter eines Präventionsteams der Deutschen Bahn, die die Maskenpflicht kontrollieren sollen
Foto: Hendrik Schmidt / picture alliance / dpaBund und Länder wollen deshalb einen einfacheren Weg finden. Die Verkehrsminister sollen prüfen, wie für Maskenverweigerer in Regional- und Fernzügen ein höheres Beförderungsentgeld eingeführt werden kann. "Wie ein Bußgeld" solle das wirken, hieß es nach den gemeinsamen Beratungen. Kanzlerin Angela Merkel sagte, dass Bahnmitarbeiter das erhöhte Entgelt dann direkt kassieren könnten.
Doch dagegen wehrt sich die Bahngewerkschaft EVG. "Das ist ein Trick, den die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten da versuchen, nämlich die staatlichen Aufgaben abzuwälzen", sagte Bundesgeschäftsführerin Cosima Ingenschay am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin".
Zuvor hatte Gewerkschaftschef Klaus-Dieter Hommel den Ministerpräsidenten in der "Bild"-Zeitung vorgeworfen, "Leben und Gesundheit Tausender Zugbegleiter" zu gefährden. Diese seien bereits jetzt Übergriffen ausgesetzt und hätten in vielen Fällen Ärger, wenn sie auf die Maskenpflicht hinwiesen. Aus Gewerkschaftssicht seien die Kontrollen Aufgabe der Bundespolizei.
Die Deutsche Bahn gibt sich auf SPIEGEL-Anfrage zurückhaltend. Man setze auf die "konkretisierenden Gespräche der Verkehrsminister mit den Unternehmen der Verkehrsbranche", heißt es. Eine Regelung müsse dem Schutz der Fahrgäste dienen und ebenso die Sicherheit der Mitarbeiter im Blick behalten.
Erste Bundesländer versuchen nun, die Corona-Regeln mit gemeinsamen Schwerpunktkontrollen durchzusetzen. Am Montag prüften in Nordrhein-Westfalen regionale Bahnunternehmen, Deutsche Bahn, Bundespolizei und Ordnungsämter gemeinsam an neun großen Bahnhöfen die Einhaltung. Ergebnis: 1.707 Verstöße gegen die Maskenpflicht. Die Ordnungsämter leiteten Bußgeldverfahren ein .
Quarantäne für Reiserückkehrer aus Risikogebieten
Neben dem Mindestbußgeld für Maskenmuffel beschlossen Bund und Länder auch neue Regeln für Reisende aus Risikogebieten. Wer von dort nach Deutschland reist, soll sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben. Möglichst ab dem 1. Oktober soll die Selbstisolation aber vorzeitig beendet werden können - durch einen negativen Test. Der Abstrich darf frühestens am fünften Tag nach der Rückkehr genommen werden. So soll verhindert werden, dass eine Infektion unentdeckt bleibt, die man sich in den letzten Tagen des Aufenthalts im Ausland zuzog.
Für die Anordnung der Quarantäne ist in der Regel das örtliche Gesundheitsamt zuständig. Rückkehrenden aus Risikogebieten wird die Isolation nach dem Beschluss von Bund und Ländern aber auch durch die jeweiligen Corona-Verordnungen des Landes vorgeschrieben.
Theoretisch sei die Quarantäne freiwillig, sagt Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler mit Verweis auf die Begründung eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts NRW . Achelpöhler ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Wer seine Wohnung verlässt, kann ihm zufolge nur auf richterliche Anordnung wieder dort festgehalten werden. Es könne allerdings ein Bußgeld verhängt werden. Und wer Tausende Euro für einen Spaziergang zahlen muss, wird sich das vielleicht noch mal überlegen.
Die Kontrolle, ob Reiserückkehrer aus Risikogebieten die Quarantäne einhalten, obliegt dem Anwalt zufolge den jeweiligen Ordnungsbehörden. Wie sich Ordnungs- und Gesundheitsämter konkret absprechen, müssten sie untereinander klären.

Covid-Test am Dresdner Flughafen
Foto: Robert Michael / picture alliance / dpaDoch die Gesundheitsämter sind oft schon mit der Nachverfolgung der Infizierten und der Überprüfung der Quarantäne von Coronafällen samt Kontaktpersonen überfordert. Wie Gesundheitsminister Spahn sich die stärkeren Kontrollen denn vorstelle, will ein Mitarbeiter eines Amts in Niedersachsen wissen. In seinem Gesundheitsamt sei man personell zwar gut genug aufgestellt, um Infizierte in Quarantäne jeden Tag anrufen zu können.
Mit isolierten Reiserückkehrern habe man aber keinen so engen Kontakt, sagt der Mitarbeiter, der sich um die Nachverfolgung von Infektionsketten kümmert, dem SPIEGEL. Das Ordnungsamt werde nur aktiv, wenn das Gesundheitsamt den Verdacht eines Quarantäneverstoßes melde.
Die Gesundheitsämter bekämen ständig neue Aufgaben zugewiesen, klagte auch die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, Ute Teichert, im SWR . Dabei seien die Ämter unterbesetzt. Es werde "sehr schwierig, die Einhaltung der Quarantäne auch flächendeckend zu garantieren". Die Zahl der Reiserückkehrer habe stark zugenommen, viele machten bei ihrer Ankunft in Deutschland außerdem falsche Angaben und seien deshalb kaum auffindbar.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert nun Unterstützung für die Ämter. Ihm zufolge sollte die Heimquarantäne durch Polizei oder Ordnungsämter überwacht werden. Die Amtsärzte seien bereits voll ausgelastet.