
Debatte um Strauss-Kahn: Feministinnen kritisieren sexistische Äußerungen
Debatte über Strauss-Kahn Frauen prangern Sexismus in Frankreich an
Paris - "Wir wissen nicht, was am 14. Mai in New York passiert ist", schreiben feministische Gruppen in einer gemeinsamen Erklärung, "aber wir wissen, was in der letzten Woche in Frankreich los war."
Die Vorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn, der am 14. Mai in New York versucht haben soll, eine Frau zu vergewaltigen, haben Frankreich erschüttert. Viele meldeten sich zu Wort, Politiker, Journalisten - und geht es nach den Frauenrechtsaktivistinnen, haben viele Aussagen eines gemeinsam: Sie zeigen den vor allem in der Elite herrschenden Machismo.
"Wir sind Zeugen von sexistischen und reaktionären Reflexen von Teilen der Elite Frankreichs", heißt es in der Erklärung, die am Samstag auf der Internetseite von "Le Monde" veröffentlicht wurde. Sie wurde von mehr als 1000 Frauen unterzeichnet.
"Es gibt eine gewisse Laxheit in Frankreich, wenn es zu solch ungehemmtem Sexismus kommt", heißt es weiter. In Frankreich würden jedes Jahr 75.000 Frauen vergewaltigt, nur zehn Prozent würden Anzeige erstatten. Die Verwendung von sexistischer Sprache in der Öffentlichkeit würde die Schwere der Taten verharmlosen, sie würde Vergewaltigung zu einem mehr oder weniger akzeptablen Akt machen.
Strauss-Kahn war am Donnerstag von einer New Yorker Grand Jury der versuchten Vergewaltigung und sexuellen Nötigung eines Zimmermädchens angeklagt worden. Er wurde gegen eine Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen, steht aber unter Hausarrest und hält sich derzeit in einem Apartment in Manhattan auf.
"Eine nicht tolerierbare Verwechslung von sexueller Freiheit und Gewalt"
"Die Art, wie die Geschichte in Frankreich von Medien und Politikern behandelt wird, wirft ein Licht auf etwas, von dem wir schon lange wussten: entfesselten Sexismus", sagte die Feministin Magali de Haas dem "Guardian".
Die Bilder von Strauss-Kahn, wie er unrasiert, in Handschellen und mit tristem Gesichtsausdruck auf einem Stuhl kauert, lösten bei vielen Franzosen Mitgefühl aus, manche empörten sich, so könne man den Mann nicht behandeln. Allen voran Freunde und Parteigenossen des Sozialisten sprangen für Strauss-Kahn in die Bresche.
In ihrer Erklärung beziehen sich die Frauenrechtsgruppen konkret auf einige Äußerungen. Etwa auf den ehemaligen Kulturminister und Strauss-Kahn-Verbündeten Jack Lang. Der sagte, dass der ehemalige IWF-Chef früher auf Kaution hätte freikommen sollen, schließlich sei "niemand gestorben". Der Journalist Jean-François Kahn bestritt, dass Strauss-Kahn die Frau vergewaltigt haben könnte, da sei er sich "praktisch sicher". Strauss-Kahn sei eine "Unbedachtsamkeit" unterlaufen: "das Rock-Hochziehen bei einer Bediensteten".
"Diese Art von Sprache erzeugt einen nicht tolerierbare Verwechslung von sexueller Freiheit und Gewalt gegen Frauen", schreiben die Feministinnen. "Gewalttaten, Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und Belästigung sind Zeugnis für das Begehren der Männer, über die Körper der Frauen zu bestimmen."
"Ein neues Erwachen des Feminismus"
Selbst der Philosoph Bernard-Henri Lévy hatte in den Männerchor eingestimmt, als er gegen das Rechtssystem polterte, das Strauss-Kahn wie "jedermann" behandele: "Jeder ist nicht jeder", erklärte Lévy.
Die Feministin Gisèle Halimi sagte in einem Interview mit "Le Parisien" über den Fall Strauss-Kahn: "Hätte das in Frankreich stattgefunden, hätten wir nichts davon erfahren." Es sei ein Sieg für die Feministinnen der USA, "die seit Jahren daran arbeiten, dass sexuelle Belästigung und Vergewaltigung als schwere Verbrechen angesehen werden".
In Frankreich ist es nach Meinung der Feministinnen noch ein weiter Weg dorthin. "Wenn die Debatte der letzten Woche irgendwas gebracht hat, dann dass sie zeigt, was für ein großes Problem Sexismus in Frankreich immer noch ist", sagte die Frauenrechtlerin de Haas. Sie sei aber optimistisch: Viele Mädchen kämen nun zu Veranstaltungen von Feministinnen, viele schrieben E-Mails. "Ich bin zuversichtlich, dass wir einen neues Erwachen des Feminismus erleben werden."
Strauss-Kahn bestreitet die Vorwürfe vehement. Er kam mittlerweile gegen Kaution aus der Untersuchungshaft frei, wann es zu einem Prozess kommt, ist noch unklar.