Elterncouch Der perfekte KindergeburtstaaAAAHH!!!

Den idealen Kindergeburtstag vorbereiten - eine Aufgabe, die Eltern in den Wahnsinn treiben kann. Auch Theodor Ziemßen. Dabei interessieren Kinder sich null dafür, ob etwas perfekt ist.

Kinder sind manchmal wahnsinnig süß - und manchmal machen sie uns wahnsinnig. Für SPIEGEL ONLINE legen sich eine Mutter und zwei Väter regelmäßig auf die Elterncouch.

Theodor Ziemßen schreibt auf der Elterncouch  im Wechsel mit Juno Vai und Jonas Ratz.

Ich sitze im Auto und brülle ins Telefon.

"ICH HABE KEINEN BOCK MEHR!…"

Ich bin echt laut. Peinlich laut. Ich bin so laut, dass ich mir vorstelle, wie Therese den Hörer ein wenig von ihrem Ohr weghalten muss.

"AUF DIESE VERFICKTE SCHEISSE!"

Ich brülle das wirklich. Das ist der Wortlaut.

Und dann leiser: "Ich kann nicht mehr."

Es sollte perfekt sein

Benjamin ist fünf geworden. Am Morgen hatte er sein Geschenk bekommen. Ein Fahrrad. Ich hatte es mit viel zu großer Sorgfalt ausgewählt und viel zu viele Gedanken an Material, Farbe und Rahmenarchitektur verschwendet. Das Rad sollte perfekt sein. Als Benjamin sein Geschenk sah, sagte er: "Genau das habe ich mir gewünscht." Ich fühlte mich, als würde mir jemand einen Felsen von der Brust rollen.

Dann setzte er sich drauf. Zu groß. (Ja, ich war vorher mit ihm im Laden, um es auszuprobieren. Und: Ja, ich habe mir später trotzdem ein größeres Modell aufschwatzen lassen.)

"Kein Problem", sagte ich, "wenn du im Kindergarten bist, besorg ich's eine Nummer kleiner und hol dich nachher damit ab." Fehler Nummer eins.

Fehler Nummer zwei: Ich hatte mich auf genau dieses Modell versteift, das eine Nummer kleiner natürlich nicht auf Lager war. Aber in einer anderen Filiale, nur zehn Kilometer entfernt, sagte der Verkäufer nach einem Blick in den Computer.

Wer war dieser laut fluchende Typ?

Ich knirschte mit den Zähnen, weil es zeitlich ziemlich eng werden würde und ich keinen Bock auf den Stadtverkehr hatte, sagte "Prima" und fuhr in die andere Filiale. Das Fahrrad war nicht da. Ich glaube, man konnte mein "Echt jetzt?! FUCK!" im ganzen Laden hören.

Der Verkäufer guckte verwirrt, ich erklärte ihm, worum es ging. Das mit dem Geburtstag, mit meinem Versprechen, mit dem Versprechen seines Kollegen aus Filiale Nummer eins. Der Verkäufer guckte verwirrt.

Jetzt war auch ich verwirrt. Wer war dieser Typ, der in einem Laden laut "Fuck" rief? Das erste Mal in meinem Leben übrigens und hoffentlich das auch letzte.

Falls Sie sich gerade fragen, wie lange Sie sich noch für mich fremdschämen müssen: Ich denke, wir sind jetzt halb durch.

"Es ist ihm egal"

"Theodor", sagte meine Frau am Telefon langsam und deutlich. So wie immer, wenn ich mich so sehr in Dinge verrannt habe, dass ich den Rückwärtsgang nicht mehr finde. "Es ist ihm egal, was für ein Fahrrad er hat. Er ist fünf Jahre alt."

In dem Moment wurde mir klar, dass das alles gar nicht mit dem Geburtstag angefangen hatte, sondern schon viel früher: mit einem Plan.

Ich wollte Benjamin einen perfekten Geburtstagskuchen backen. Einen Sonnensystemmonsterkuchen - mit rotorangefarbenem Feuerball in der Mitte, Planeten ringsherum, eingebettet in ein nachtschwarzes Nusskuchenall, umhüllt von einem vieläugigen grün-gelben Fondantmonster.

Nachdem ich einen kompletten Tag mit unterschiedlich gefärbten Teigen herumgepanscht und abends zwischen 21 Uhr und Mitternacht vier Biere lang Farben in Zuckermasse geknetet und das klebrige Zeug auf dem Kuchen drapiert hatte, lag nach dem Geburtstagsfrühstück Benjamins Sonnensystemmonsterkuchen weitgehend unberührt auf seinem Teller.

"Was ist denn mit deinem Kuchen?", fragte ich Benjamin. "Er ist mir ein bisschen zu süß", sagte er und ging spielen.

Nur einen Tag für die Vorbereitungen?! Ahhhhhh!!!

Hier hätte ich schon etwas über Kindergeburtstage und perfektionistische Erwachsene lernen können. Hab ich aber nicht. Also, ab ins Auto, in einem Fahrradladen rumbrüllen, wieder ins Auto und meine Frau am Telefon vollheulen. Ja, auch da hätte ich etwas lernen können. Aber immer noch Fehlanzeige.

Dann die Vorbereitungen für den Kindergeburtstag. Welche Deko?! Was für Knabberkram?! Und - klar - die Monster-Kapitän-Schwarzbart-Spiderman-Schnitzeljagd. Nur einen Tag Zeit dafür?! Ahhhhhh!!!

Ja, auch hier hätte ich etwas lernen können. Aber: nein.

Nach dem hausgemachtem Vorbereitungsirrsinn war ich eigentlich zu fertig, um Benjamins Geburtstagsparty zu genießen. Als am Abend alle Kinder weg waren, schlief ich sabbernd auf dem Sofa ein.

Ging es irgendwann um perfekte Kuchen?

Irgendwann wachte ich auf und guckte stumpf in die Dunkelheit. Was zur Hölle war das? Und vor allem: Wer hatte von mir Besitz ergriffen? Wollte irgendwas in mir diese irrsinnige, völlig überzogene Liebe, die ich manchmal für Benjamin empfinde, in irrsinnigen, völlig überzogenen Geburtstagsaktionen zum Ausdruck bringen? Vielleicht. Ganz sicher allerdings habe ich mich auf dem Weg zum perfekten Geburtstag vollkommen in meinen Ideen davon verirrt, was Benjamin sich wünschen könnte.

Rückblende zur Geburtstagsparty.

Ging es irgendwann um perfekte Kuchen? Um genau das richtige Fahrrad? Oder geschmackvoll drapierte Festtagstische? Es ging um keines der Dinge, für die ich mich vorher so fertiggemacht hatte. Kindern ist egal, ob etwas perfekt ist.

"Yeah, Papa!"

Was die Kinder an der Party super fanden: krasse Süßigkeiten, "Star Wars"-Servietten und laute, geschmacklose Musik, die das Durchdrehen untermalte.

Am nächsten Morgen fragte ich Benjamin, was ihm am besten gefallen habe. "Die Geschenke", sagte er und ging spielen.

PS: Als ich Benjamin an seinem Geburtstag abholte, hatte ich ein Kinderfahrrad dabei. Allerdings ein völlig anderes. Er schaute das Rad an und rief: "Echt jetzt?! FUCK!!!" Nee, Quatsch. Benjamin rief: "Yeah, Papa! Da bist du!"



Liebe Leserinnen und Leser, hat Sie der letzte Kindergeburtstag auch komplett geschlaucht? Oder verwechseln Sie auch manchmal die Dinge, die Sie wollen, mit den Dingen, die ihre Kinder wollen? Ich freue mich auf Ihre Zuschriften! 

Zum Autor
Foto: Illustration: Michael Meißner

Theodor Ziemßen,
Vater von Benjamin, 6, und Willem, 2

Liebstes Kinderbuch: "Pu der Bär", das Original. Aber immer, wenn ich daraus vorlesen will, sagt Benjamin "Das andere 'Pu der Bär'" - und holt ein hässliches Winnie-Puuh-Buch von Disney raus, das er mal von meiner Mutter bekommen hat.

Nervigstes Kinderspielzeug: Mein kaputter ferngesteuerter Hubschrauber. Weil ich versprochen habe, ihn wieder zum Laufen zu bringen.

Erziehungsstil: Immer versuchen, fair, freundlich und verlässlich zu sein - auch sich selbst gegenüber.

Theodor Ziemßen eine E-Mail schreiben .


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