Drogendealer im Görlitzer Park Das grüne Experiment

Polizisten im Görlitzer Park (Archivbild): Drogenumschlagsplatz in Berlin-Kreuzberg
Foto: Britta Pedersen/ picture alliance / dpaBerlin - Bis zum ersten Angebot dauert es keine 20 Schritte: "Dope?", fragt der junge Mann kurz hinter dem Eingang zum Görlitzer Park. Zehn Meter weiter wartet schon der nächste Dealer auf Kundschaft: "Brauchst du was?"
Ein Wochentag im "Görli", wie sie den Park hier in Berlin-Kreuzberg nennen. Es ist gerade mal 10.30 Uhr, doch die Dealer sind schon da. Sie sind immer da, an manchen Tagen bis zu hundert, so schätzt die Polizei. Massive Razzien blieben wirkungslos, nach kurzer Zeit waren die meisten Verkäufer - oder Nachrücker - zurück an ihrem Platz.
Im Angebot haben sie vor allem Marihuana, aber auch härteren Stoff. Besucher können nicht mehr durch den Park gehen, ohne angesprochen zu werden. Das geschieht mal mehr, mal weniger aufdringlich. Aber doch so unübersehbar, dass eine Debatte über den Görlitzer Park entbrannt ist.
So wie es derzeit läuft, kann es nicht weitergehen. Da sind sich alle einig. Nur wie es weitergehen soll - darüber gibt es Streit. Nach Ansicht der CDU soll die Polizei das Problem lösen, die Grünen planen dagegen eine Revolution: Sie wollen in dem Park Coffeeshops aufmachen und legal Cannabis verkaufen, um so den Dealern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Die Forderung nach einer neuen Drogenpolitik gehört quasi zur politischen DNA der Grünen. Hier und da wurde die tolerierte Menge an mitgeführtem Gras mal erhöht. Den legalen Verkauf von Cannabis versucht nun Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, durchzusetzen.

Bezirksbürgermeisterin Herrmann: "Man kann ja nicht schon vorher aufgeben"
Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpa"Coffeeshop - das Wort finde ich eigentlich irreführend", sagt sie. "Man wird da nicht seinen Latte macchiato in der einen Hand haben und in der anderen einen Joint." Sie spreche lieber von "Verkaufsstellen". Herrmann will medizinisch geschulte Mitarbeiter einsetzen, es soll ein Mindestalter für Käufer geben, wenn nötig auch Sicherheitspersonal. Bisher seien alle anderen Maßnahmen erfolglos geblieben, so die Bürgermeisterin. "Freier als jetzt kann man Cannabis nicht bekommen. Ich will den Verkauf kontrollieren."
Derzeit wird der Vorstoß in den Ausschüssen des Bezirksparlaments diskutiert. 2014 soll eine Ausnahmegenehmigung beim Bundesamt für Arzneimittel beantragt werden. Bis dahin, so hofft Herrmann, könnten auch andere Kommunen von dem Plan überzeugt werden.
"Die Situation im Park hat sich verschlechtert"
In dem Kreuzberger Park spielen Kleinkinder auf dem Rasen, schieben Mütter ihre Babys im Kinderwagen umher, während wenige Meter weiter Drogenhändler ihre Ware feilbieten. Richtig wohl fühle sie sich nicht, sagt eine Mutter mit Kinderwagen. Auch sie wurde von Dealern angesprochen. Sie habe schon früher in Kreuzberg gelebt und sei überrascht gewesen, als sie vor einigen Jahren zurückkam. "Die Situation im Park hat sich verschlechtert." Ein Spaziergänger-Ehepaar fühlt sich "irgendwie deplatziert". Eine Anwohnerin, die ihren Hund ausführt, hat sich an die Situation gewöhnt. Sie fühle sich von den Dealern nicht gestört, der Müll sei schlimmer. "Solange es nicht zu Kämpfen kommt."
Das tut es manchmal. Im August musste die Polizei eine Massenschlägerei auflösen, im vergangenen Jahr wurde einem jungen Mann bei einem Streit ein Ohr abgeschnitten. Die Polizei hatte bis Ende Juli 69 Einsätze im Görlitzer Park, fast so viele wie im ganzen Jahr 2012. "Aus polizeilicher Sicht ist es schwierig, gegen den Drogenhandel im Park vorzugehen", sagt Sprecher Guido Busch. Die Anlage sei zu groß, es gebe zu viele Versteckmöglichkeiten. "Wir als Polizei können die Lage allein nicht ändern."
Die CDU will den Park umzäunen
Herrmanns Gegenspieler in Kreuzberg ist der CDU-Bezirksverordnete Timur Husein. Er will den Park umzäunen und nachts abschließen. Tagsüber soll es eine dauerhafte feste Polizeipräsenz geben. Sollten die Grünen mit ihrem Antrag durchkommen, werde es im Park noch krimineller zugehen, vermutet er. "Drogentouristen aus der ganzen Welt" würden kommen und die Anwohner noch mehr belästigen.
Auch Polizeisprecher Busch ist skeptisch, was die Coffeeshop-Idee angeht, zu viele Fragen seien offen. Was, wenn die Dealer anfangen, statt Marihuana härtere Drogen zu verkaufen? Oder wenn sie einfach in den nächsten Park weiterziehen?
Monika Herrmann hat auf alles eine Antwort. Es solle am besten in ganz Berlin Verkaufsstellen geben. Um Probleme zu lösen, brauche man flankierende Maßnahmen: Sozialarbeit und in bestimmten Situationen auch die harte Hand der Polizei. Und: Cannabis vom Staat hätte eine bessere Qualität als das illegale ("Die können uns gar keine Konkurrenz machen").
Bei den Zuständigen im Bund sind die Reaktionen auf den Kreuzberger Plan bisher zurückhaltend, Herrmann will es trotzdem versuchen: "Man kann ja nicht schon vorher aufgeben." Sie selbst macht sich nach eigenen Angaben nichts aus Marihuana.
Eine Sache, so Herrmann, könne sie allerdings nicht abschätzen, sollten die Verkaufsstellen kommen: Wie die Leute reagieren, die mit dem Handel von Cannabis viel Geld verdienen.