Ehe-Abstimmung In Malta scheiden sich die Geister

Paar in Valetta: Malta stimmt über die Einführung der Scheidung ab
Foto: VINCENZO PINTO/ AFPHamburg - Es dürfte richtig eng werden: In den letzten Umfragen der Zeitung "Malta Today" trennen Gegner und Befürworter vor dem historischen Referendum am Samstag nur noch drei Prozentpunkte. 35 Prozent der Befragten sprechen sich für eine Einführung der Scheidung aus, 32 Prozent dagegen. Der Rest ist auch kurz vor der Entscheidung noch unentschlossen oder will gar nicht erst abstimmen.
Malta ist eine Bastion des Katholizismus, er ist als Staatsreligion in der Verfassung festgeschrieben, rund 98 Prozent der Menschen sind katholisch. Scheidungen sind - anders als in den übrigen EU-Ländern - verboten. Auf 10.000 Einwohner kommen laut der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) 23 Geistliche - zehnmal mehr als in Deutschland. Der Einfluss auf die Politik ist groß. Und da sich die maltesischen Bischöfe vehement gegen die Scheidung aussprechen, wird die Entscheidung in gewisser Weise auch zur Glaubensfrage.
Die Bischöfe sahen die Volksabstimmung laut Radio Vatikan zuletzt mit "äußerstem Unbehagen" näherrücken. Wer am Votum nicht teilnehme, zeige "wenig Bürgersinn und wenig religiöse Reife", schrieben sie in einem Hirtenbrief. Die Kirche sei überzeugt, dass man "heutzutage in Ehe und Familie investieren sollte". Die Katholiken müssten ihre Stimmentscheidung auch "vor Christus verantworten", heißt es in dem von Erzbischof Paul Cremona und Bischof Mario Grech unterzeichneten Schreiben. Schon aus Gründen der Menschenwürde müsse das Eheband unauflöslich sein.
Angeführt von der Kirche stemmen sich die Scheidungsgegner mit aller Macht gegen eine drohende Niederlage. Mit kontroversen Themen wie Alimentezahlungen sei Stimmungsmache betrieben worden, sagt der Journalist James Debono, der für die liberale "Malta Today" über das Thema berichtet. Auf Plakaten seien die Menschen aufgefordert worden, "im Interesse der Kinder" gegen die Scheidung zu stimmen. In der Wahlkabine sei man zwar allein, sagten Scheidungsgegner laut "Malta Today". Aber Jesus werde da sein und die Wähler beobachten.
Die Gegner der Scheidung können mehr investieren
So ist die Zahl der Unentschlossenen in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen - gleichzeitig nahm die Zahl der Fürsprecher stark ab: "Das deutet darauf hin, dass die Scheidungsgegner die Menschen mit ihrer Kampagne verunsichert haben", sagt Debono. Die Gegner seien zudem besser organisiert gewesen und hätten über mehr finanzielle Mittel verfügt.
In einer letzten TV-Debatte vor dem Referendum legten beide Seiten am Donnerstagabend noch einmal ihre wichtigsten Argumente dar. Für die Befürworter sprach die Anwältin Deborah Schembri: "Unser Ziel sollte es immer sein, starke Familien zu haben", sagte sie laut "Malta Independent". "Aber leider klappt das nicht immer - und diese Leute sollten wir nicht außen vor lassen."
Worauf Schembry abzielt: Auch in Malta scheitern Ehen. Doch wer sich trennt, muss verheiratet bleiben - eine neue Hochzeit ist ausgeschlossen. Nur im Ausland können maltesische Ehen derzeit geschieden werden. Voraussetzung ist allerdings, dass einer der Partner seinen Wohnsitz im Ausland hat oder die dortige Staatsbürgerschaft besitzt. Zwischen 2007 und 2009 wurden der KNA zufolge mehr als 100 maltesische Ehen im Ausland geschieden, die meisten davon in Großbritannien. Die Betroffenen müssten die Chance bekommen, eine neue Familie innerhalb gesetzlicher Grenzen zu gründen, sagte Schembry. "Wir müssen uns daran gewöhnen, in einer toleranten Gesellschaft zu leben."
Scheidungsgegner fürchten vor allem um die Institution Familie, die in Malta traditionell von großer Bedeutung ist. In der TV-Debatte wurden ihre Position von Arthur Galea Salomone vertreten, dem Vorsitzenden der Malteser Börse. "Scheidung beschützt die Kinder nicht, sie verletzt sie", sagte Salomone. Die Abstimmung müsse zeigen, ob die Gesellschaft wirklich bereit sei, die Ehe in einen Bund zu verwandeln, den man jederzeit ohne Grund verlassen könne, in eine "Ehe mit Verfallsdatum", so Salomone. Die Scheidung hätte große Auswirkungen auf Familien, Kinder und die Gesellschaft insgesamt.
Mindestens vier Jahre getrennt - das ist die Bedingung
In anderen stark katholisch geprägten Ländern wie Italien, Spanien und Irland wurde die Scheidung auch erst in den vergangenen Jahrzehnten legalisiert. Bei den Iren dauerte es am längsten: 1995 sprach sich die Bevölkerung in einem Referendum mit einer knappen Mehrheit von 50,28 Prozent dafür aus, die Scheidung einzuführen. Ein erster Versuch war 1986 noch gescheitert. Noch immer hat Irland die niedrigste Scheidungsrate der EU.
Malta ist mit 316 Quadratkilometern und rund 410.000 Einwohnern das kleinste Land der EU, seit Mai 2004 ist der Inselstaat Mitglied der Union. Wie schwer sich die Malteser mit der Abstimmung tun, wird allein durch die Frage deutlich, die sie beantworten müssen:
"Stimmen Sie der Einführung einer Option auf Scheidung eines Paares zu, das seit mindestens vier Jahren getrennt ist oder getrennt lebt, wenn es keine begründete Hoffnung auf eine Versöhnung der Partner gibt, wenn ein angemessener Unterhalt garantiert ist und die Kinder geschützt werden?"
"Eine sehr konservative Scheidung", spöttelt Debono.