Hilfe für Bedürftige Essener Tafel nimmt nur noch Deutsche auf

Tafel (Symbolbild)
Foto: Caroline Seidel/ dpaDie Essener Tafel nimmt vorerst nur noch Bedürftige mit deutschem Pass neu in ihre Kartei auf. Grund sei, dass der Anteil der Migranten zuletzt auf drei Viertel gestiegen sei, sagte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor. Die Hilfsorganisation bewahrt Lebensmittel vor der Vernichtung und verteilt sie an Bedürftige. Die Empfänger müssen Hartz IV, Grundsicherung oder Wohngeld beziehen und dies der Tafel nachweisen.
Auf der Internetseite des Vereins heißt es zu der Beschränkung: "Da aufgrund der Flüchtlingszunahme in den letzten Jahren der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen ist, sehen wir uns gezwungen, um eine vernünftige Integration zu gewährleisten, zurzeit nur Kunden mit deutschem Personalausweis aufzunehmen."
Sartor sagte der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ): "Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt." In den vergangenen zwei Jahren hätten sich gerade ältere Tafel-Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, bei denen er teilweise auch "mangelnden Respekt gegenüber Frauen" beobachtet habe. "Wenn wir morgens die Tür aufgeschlossen haben, gab es Geschubse und Gedrängel ohne Rücksicht auf die Oma in der Schlange."
Beschränkungen seit Januar
Umgesetzt werde die im Dezember beschlossene Beschränkung auf Deutsche bereits seit Mitte Januar. Sie solle so lange andauern, "bis die Waage wieder ausgeglichen ist". Was genau das bedeutet, bleibt offen. Er habe mit Unruhe gerechnet, sagte Sartor. Aber: "Seltsamerweise gab es noch keinen Krach, kein Theater."
Der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring (Grüne) kritisierte die Entscheidung der Essener Tafel: "Armut und Bedürftigkeit machen vor keiner Herkunft halt. Bei der Lebensmittelausgabe aufgrund von Nationalität auszugrenzen, lehne ich ab", heißt es in einem Statement. Gegen respektloses Verhalten müsse im Einzelfall eingeschritten werden.
Die Sprecherin der Berliner Tafel, Antje Trölsch, lehnte ein solches Vorgehen klar ab: "Das Kriterium bei uns ist die Bedürftigkeit, und niemals die Nationalität", sagte Trölsch.
Auch Inka Jatta, Mitglied der Geschäftsführung von Pro Asyl Essen, kritisierte die Essener Tafel in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung": "Die Trennung nach deutschem oder nicht-deutschem Pass ist sehr, sehr ungünstig." Die Maßnahme widerspreche dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Essener Tafel gibt nach seinen Angaben rund 1800 Nutzerkarten aus, die nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von Familien verwendet werden. 61 Prozent der Karteninhaber waren laut Sartor zuletzt Nicht-Deutsche. Das entspreche aber einem realen Anteil von 75 Prozent aller rund 6000 Nutzer, weil die nicht-deutschen Familien oft kinderreich seien. Vor dem starken Zuzug von Migranten 2015 habe der Anteil nur bei 35 Prozent gelegen. Bundesweit sind nach Angaben des Vereins Tafel Deutschland etwa 60 Prozent der Tafel-Kunden nicht-deutscher Herkunft.
Der NRW-Landesverband der Tafeln bestätigte einen starken Andrang von Migranten in den vergangenen beiden Jahren. Davon seien alle Tafeln in Nordrhein-Westfalen betroffen, sagte die stellvertretende Vorsitzende Claudia Manousek. Ähnliche Beschränkungen wie in Essen seien aber nicht bekannt. So nehmen etwa die Düsseldorfer und die Dortmunder Tafel weiterhin Bedürftige ohne Einschränkungen auf.
Aus Sicht des Landesverbandes gibt es durchaus Unmut bei den Bedürftigen. Migranten hätten gelegentlich falsche Erwartungshaltungen. Es gebe Regeln, die manchmal schon aus sprachlichen Gründen schwer zu erklären seien - bei manch anderen Kunden rege sich da Frust.
Hierzulande gibt es mehr als 930 Tafeln, die über rund 2000 Ausgabestellen Lebensmittel an Bedürftige verteilen.