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Bischof Wolfgang Huber: Kirche als Bühne

Foto: Gero Breloer/ picture-alliance/ dpa

Evangelische Kirche Papst Wolfgang tritt ab

Der scheidende Bischof Wolfgang Huber ist die markanteste Persönlichkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er hat ihr Profil geschärft, sich dem Wettbewerb mit Katholiken, Muslimen und Atheisten gestellt. Am Ende war er der evangelische Papst - die Zukunft jedoch könnte weiblich sein.

Hamburg - Nun ist er auf Abschiedstour, Wolfgang Huber, der bekannteste deutsche evangelische Theologe. Seine Amtszeit als Bischof von Berlin-Brandenburg endet in wenigen Wochen, den Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) gibt er am Mittwoch ab.

Aussichtsreichster Anwärter auf die Nachfolge ist eine Frau. Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann, 51, schriebe auf der Synode in Ulm Kirchengeschichte, wenn sie am Mittwoch bei der Wahl des Ratsvorsitzenden gewählt würde - und die Vorzeichen stehen gut, als einzige gelangte sie schon bei der Erstabstimmung am Dienstag in den Rat, mit 103 von 144 Stimmen.

Noch ist es nicht ganz so weit. Noch einige Male wird der schlanke Mann mit dem dynamischen Schritt ans Podium oder auf die Kanzel eilen, er wird klug formulierte - und außerdem sendefähige - Sätze sagen, noch einige Interviews geben, dann ist sie aus, die große Huber-Show. Ein - für evangelische Verhältnisse - Star tritt ab.

Aber wie hinterlässt er die Kirche, die seine Bühne war?

Es gibt eine Geschichte in Hubers Leben, die einiges sagt über die Beziehung, auf die sich die Kirche und ihr Promi einließen. 1993 erwog der Theologe Huber, Mitglied der SPD, eine Kandidatur für den Bundestag. Als Mann des Kirchentages bekannt, als Professor geachtet, wäre er im Bundestag gewiss kein Unbekannter geblieben.

Aber im Jahr 1993 war schon absehbar, dass die wichtigste Planstelle frei wird, die die evangelische Kirche in dieser Republik zu bieten hat, die des Bischofs von Berlin-Brandenburg. Das reizte Huber. Und so kandidierte er nicht für das Parlament.

Zustand der Selbstverzwergung der Protestanten radikal in Frage gestellt

Manch Kirchgänger schien diese Art der Karriereplanung etwas unfromm - nicht ganz kompatibel mit der Vorstellung, der liebe Herrgott höchstselbst berufe einen Bischof. Hubers Plan aber ging auf, wer auch immer seine Hand im Spiel hatte.

1994 wurde er Bischof der Ost-West- und Hauptstadt-Landeskirche, seine Mitgliedschaft in der SPD ruhte, aber nicht sein politisches Geschick. Schnell richtete sich der Blick der Öffentlichkeit auf Huber, der die Chancen der Hauptstadt zu nutzen wusste. Er wurde zum festen Bestandteil der politischen Zirkel Berlins.

Huber beeindruckte, ein neuer Typ Geistlicher, weltoffen, weltgewandt und ohne Frage eitel. Aber der richtige Mann für eine Organisation im freien Fall, einer, der das eigene Selbstbewusstsein einer demoralisierten Anhänger- und Mitarbeiterschafft zu vermitteln suchte. Demut ja, aber nicht Kleinmut, das war seine Botschaft nach innen wie außen. Schrumpfende Mitgliedszahlen, ja, die gebe es, aber immer noch mehr Gottesdienstbesucher als Parteimitglieder, so und ähnlich argumentierte er. Es ist Hubers größte Leistung, dass er den Zustand der Selbstverzwergung der Protestanten radikal in Frage stellte - und teilweise überwinden half.

Doch seit der Übernahme des Ratsvorsitzes der EKD wurde aus dem Leben Hubers immer mehr das eines Politikers, mit all seinen Entfremdungen, ein Leben mit mehreren Büros, noch mehr Fernsehauftritten, Interviews, aber immer weniger Kontakt zu den eigenen Mitgliedern. Huber wurde ein kluger Hirte, aber war er auch ein guter? Seltsam unwirklich und realitätsfern wirkten nun manche Appelle an die eigene Pfarrerschafft, endlich mehr Mission zu betreiben, die Taufzahlen zu erhöhen, die Qualität der Gottesdienste zu verbessern. Professor, Repräsentant, Ideengeber - das war er, aber kein Mann der Seelsorge und der persönlichen Ansprache.

Züge von Größenwahn

Im Kirchenapparat galt Hubers Wort nun inzwischen als fast so heilig wie die Schrift selbst. Huber wurde zum evangelischen Papst.

Und er nahm diese Rolle an, die sich aus der Sehnsucht vieler Protestanten nach alter Größe und Wichtigkeit speiste. Huber wurde zu der Stimme des Protestantismus. Im öffentlichen Diskurs wurden erste Züge von Selbstherrlichkeit sichtbar, er fuhr schroffe Attacken gegen den Islam, verteidigte das christliche Abendland - oder das, was davon übrig war.

Zuletzt kämpfte er für den Religionsunterricht in Berlin, er hatte gute Argumente, aber jedes Maß verloren, jedes Gefühl für die Menschen in der Stadt, unter denen er doch wohnte. Immer häufiger verwechselte er die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, mit dem Interesse an der Kirche, deren grauen Alltag auch er nicht nachhaltig ändern konnte. Sein Glaube an den Erfolg des Volksbegehrens von Pro Reli in Berlin trug Züge von Größenwahn. Was ihm am Anfang ausgezeichnet hatte - politischer Weitblick - das war ihm am Ende verlorengegangen.

Wie am Schluss der Amtszeit vieler Politiker begann ein vernehmbares Murren in den Landeskirchen, auf den Fluren des Kirchenamtes und unter der Pfarrerschaft in Berlin-Brandenburg. Zu abgehoben, zu kalt, zu selbstherrlich, lautete nun das Urteil. Auch jene Bischöfe, die ihn jetzt zum Abschied mit Lob und Dank überschütten werden, wurden seiner überdrüssig. Huber hatte die EKD gestärkt - und damit die Provinzfürsten geschwächt.

Ohne Zweifel wird Huber als die markanteste Person seit Jahrzehnten in die Geschichte der EKD eingehen. Er hat ihr öffentliches Ansehen gestärkt, er hat mit Leidenschaft gepredigt. Aber der Protestantismus lebt anders als der Katholizismus von der Vielfalt und Vielstimmigkeit. Seine Nachfolger - im Rat und in Berlin-Brandenburg - werden also auf Hubers Leistung aufbauen können, und Papst Wolfgang zugleich überwinden müssen.

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