Evangelischer Kirchentagspräsident Nagel will "das Ungeheuer" Missbrauch bekämpfen

Erst Margot Käßmanns Lobpreisung der Pille, dann das: Der evangelische Vorsitzende des Ökumenischen Kirchentags hat die Tabuisierung von Missbrauchsfällen durch die katholische Kirche scharf kritisiert. Er fordert zur Wiederherstellung des Vertrauens eine "Kultur des Hinsehens".
Eckhard Nagel beim Ökumenischen Kirchentag: "Wir werden nicht mehr wegschauen"

Eckhard Nagel beim Ökumenischen Kirchentag: "Wir werden nicht mehr wegschauen"

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Ökumenischen Kirchentag

München - Angesichts der vielen bekannt gewordenen Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche hat der evangelische Präsident des Ökumenischen Kirchentages, Eckhard Nagel, eine "Kultur des Hinsehens" gefordert. "Jetzt, wo das Ungeheuer sichtbar geworden ist, müssen wir es bekämpfen", sagte er am Donnerstag bei einer Podiumsveranstaltung mit dem Titel "Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt" auf dem (ÖKT) in München.

Der ÖKT solle ein Forum sein für diese "dringend notwendig gewordene" Diskussion. "Möge er auch akut Betroffenen Mut machen, ihre Stimme zu erheben", sagte Nagel. "Lasst uns die Botschaft ins Land schicken, dass wir nicht mehr wegschauen werden."

Er äußerte die Hoffnung, dass bei den Veranstaltungen des ÖKT zur Missbrauchsproblematik auch ein wichtiges Zeichen der Reformfähigkeit der Kirchen gesetzt werde. "Wir brauchen mehr Christus und weniger Institution", forderte Nagel. Durch die Missbrauchsfälle sei in den Kirchen das Fundament des Vertrauens erschüttert worden.

Längst überfälliger Aufschrei

Christine Bergmann

Jahrelang seien Missbrauchsfälle unter den Teppich gekehrt worden, kritisierte , die Beauftragte der Bundesregierung für die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. "Der Teppich ist ziemlich groß, wie wir jetzt feststellen." Der Aufschrei, der jetzt durch die Gesellschaft geht, sei lange überfällig, betonte sie.

Die Fälle seien etwas, das "eine Gesellschaft bis ins Mark treffen muss und - wie ich es beobachte - jetzt auch trifft". Nach wie vor gebe es aber eine starke Tabuisierung des Themas - vor allem, wenn der Täter aus dem engen Familienumfeld stamme, sagte Bergmann. Gerade über die aktuelle Situation und aktuelle Fälle wisse man noch sehr wenig. "Sexueller Missbrauch ist kein Thema der Vergangenheit." Die Kriminalstatistik gehe von rund 15.000 Missbrauchsfällen im Jahr aus. "Wir wissen, dass die Dunkelziffer natürlich sehr viel höher ist."

"Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten, sie haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sie haben das Recht auf Schutz vor sexuellem Missbrauch", sagte sie. Sie plädierte für mehr Fortbildung aller Menschen, die mit Kindern arbeiten.

can/dpa/ddp
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