
Reza Zafaridalir
Foto: SPIEGEL ONLINEMenschen mit arabischen Namen werden bei der Wohnungssuche stark diskriminiert. Was bedeutet das für Flüchtlinge? Zwei Männer aus der Erstaufnahme in Hamburg-Rahlstedt berichten von ihrer vergeblichen Suche.

Die Erstaufnahme Rahlstedt befindet sich am Rand eines Hamburger Gewerbegebiets. Eines Tages sollen hier 560 Flüchtlinge wohnen. Wie sieht ihr tägliches Leben aus? Wie funktioniert eine Erstaufnahme? Was verändert sich für die Nachbarn? Dieser Blog beschreibt Woche für Woche den Alltag einer großen Unterkunft und lässt Bewohner, Mitarbeiter, Anwohner zu Wort kommen.
"Ich habe keine Hoffnung mehr", sagt Ibrahim Al-Mohammed, "und ich kann nicht mehr." Am Tag zuvor hatte er es wieder versucht, hatte sich wieder bei einer Wohnung vorgestellt, aber dann hatte er wieder keine Chance.
Seit 2015 ist der Syrer in Deutschland, er war aus dem Norden des Landes geflohen, weil er dort nicht mehr arbeiten konnte. Für die Bekleidungsgeschäfte seiner Eltern in al-Hasaka hatte er Ware aus Aleppo oder der Türkei geholt, doch wegen des IS und anderer Terrorgruppen seien die Fahrten zu gefährlich geworden. "Ich wäre das perfekte Opfer gewesen", sagt der 25-Jährige.
Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat er eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, er darf also in eine eigene Wohnung umziehen. Trotzdem wohnt er seit knapp neun Monaten in der Erstaufnahme (EA) in Hamburg-Rahlstedt. Er möchte raus aus dem Containerdorf, wo er sich ein Zimmer mit einem anderen Bewohner teilt. "Ich will Deutsch lernen, eine Ausbildung machen zum Bus- oder LKW-Fahrer, und ich möchte gerne eine eigene Wohnung haben", sagt Al-Mohammed. "Es ist mir egal", fügt er hinzu, "wenn das Zimmer nur fünf Quadratmeter hat". Hauptsache eine Wohnung, mit kleiner Küche und Bad.
Wir müssen draußen bleiben: Wie stark auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland diskriminiert wird, zeigt das Experiment von SPIEGEL und Bayerischem Rundfunk. Alle Ergebnisse und Hintergründe finden Sie auf www.hanna-und-ismail.de
Er kann nicht mehr zählen, wie oft er sich beworben hat. Er sagt, er habe sich auf Anzeigen bei den Internetportalen Immoscout24 und Immowelt sowie auf Ebay-Kleinanzeigen beworben. Oft gab es keine Reaktion, manchmal wurde er zu Besichtigungen eingeladen, da habe er dann mit "15, 16" anderen Bewerbern in der Wohnung gestanden. Bei wenigen Wohnungen bekam er einen Einzeltermin.
Besonders frustriert hat ihn, dass er vier Wohnungen hätte haben können - doch jedes Mal habe das JobCenter abgelehnt. "Eine Wohnung hatte 40 Quadratmeter, ein großes Zimmer, Küche, Bad, es gab sogar einen Garten", erzählt Al-Mohammed, aber sie kostete 650 Euro. Zu teuer, entschied das JobCenter. "Aber sie wäre es wert gewesen", sagt Al-Mohammed traurig.
Auch die Sozialmanager der von den Maltesern geführten Erstaufnahme haben für Al-Mohammed bei Vermietern angerufen, mehrfach auch bei der Saga, einem städtischen Wohnungsunternehmen. "Ibrahim kam mit Wohnungsangeboten von der Saga", erzählt die Sozialmanagerin Mena Rytlewski , "er wurde dann vertröstet, der Mieter sei nicht erreichbar, also könne die Besichtigung nicht stattfinden, oder der Wohnungsschlüssel sei nicht verfügbar". Auch da also: Fehlanzeige.

Marianne Wellershoff ist Autorin beim SPIEGEL und beschäftigt sich mit Themen aus Kultur und Gesellschaft. In diesem Blog berichtet sie aus dem Mikrokosmos einer Erstaufnahme. Sie geht der Frage nach, wie Flüchtlinge in Deutschland leben und wie das Land mit ihnen lebt.
Vielleicht wird Ibrahim Al-Mohammed in den nächsten Monaten in eine Folgeunterkunft verlegt, "öffentlich-rechtliche Unterkunft" genannt. 120 Folgeunterkünfte gibt es in Hamburg, manche bestehen aus Containermodulen mit Bad und Gemeinschaftsküche, manche sind umgebaute Schulen, es gibt aber auch Häuser in Massivbauweise. Einige Freunde von Al-Mohammed sind schon verlegt worden, manchen gefalle es dort, manchen nicht. "Man muss sich mit den anderen Bewohnern verstehen", sagt er.
6200 Menschen leben in Hamburg derzeit in Erstaufnahmen, in den Folgeunterkünften der Stadt sind 22.700 Flüchtlinge untergebracht. 9900 von ihnen sind wohnberechtigt, was bedeutet: Sie haben einen Aufenthaltsstatus, sie sind asylberechtigt, als Flüchtling anerkannt, sie haben sogenannten subsidiären Schutz erhalten oder für sie gilt ein Abschiebungsverbot. Doch die Wohnungsnot in Hamburg ist groß, immer mehr Menschen wollen in die Metropole ziehen. Der Senat hat sich den Bau von 10.000 Wohnungen im Jahr vorgenommen, ein Drittel davon als geförderter Wohnraum. Selbst wenn das Ziel über mehrere Jahre erreicht wird: Reichen wird auch das nicht.
Die Malteser in Rahlstedt führen eine Statistik über die Auszüge ihrer Bewohner: Seit Eröffnung des Containerdorfs sind 53 Bewohner in eine Folgeunterkunft umgezogen und 31 in eine eigene Wohnung. Wahid Yousefi Ghazni beispielsweise lebt jetzt in einem Studentenheim. Safouh Hussain ist gemeinsam mit zwei syrischen Brüdern, die auch in der EA Rahlstedt untergebracht waren, in eine Drei-Zimmer-Wohnung im Hamburger Süden gezogen.
Auch Ibrahim Al-Mohammed hat einen Freund, der bald eine Wohnung bezieht: ein 14-Quadratmeter-Zimmer, Küche, Bad - vermittelt durch einen illegaler Makler. Gegen Cash ohne Quittung habe er einen Mietvertrag bekommen.
Erfahrungen mit solchen illegalen Maklern hat der iranische Flüchtling Reza Zafaridalir schon gemacht. Er wohnt seit Oktober in der EA Rahlstedt und ist als Flüchtling anerkannt. Dreißig bis vierzig Wohnungen habe er sich angeschaut, die von der Größe und vom Preis her gepasst hätten. Aber er habe nur Absagen bekommen.
"Die Vermieter sagten: 'Du bist kein Deutscher und du hast keinen Job'", berichtet er. Vor kurzem habe er sich deshalb entschlossen, einen illegalen Makler einzuschalten, einen Iraner. Der habe ihm eine Wohnung gezeigt und 2200 Euro im Voraus verlangt - ohne ihm einen Mietvertrag zu geben. Das habe er abgelehnt. Und dann sagt Reza Zafaridalir: "Ich habe aber nur mit so einem Makler eine Chance." Das Geld müsse er sich dann eben von einem Freund leihen und in Raten zurückzahlen.
Andere beantragen beim JobCenter einen Zuschuss zum Hausrat und bezahlen damit einen Teil der illegalen Courtage. Anschließend richten sie sich mit Möbeln ein, die bei Ebay Kleinanzeigen oder bei Facebook-Gruppen wie "Free Your Stuff" verschenkt werden.
Menschen vom Grenzweg
Al-Mohammed hat sich auch bei verschiedenen Baugenossenschaften in Hamburg beworben. "Die wollten mich noch nicht mal auf die Warteliste setzen", sagt er. "Geht das auch den Deutschen so?"
Es kann jedoch auch anders laufen. "Wir haben uns im Herbst 2015 angesichts der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen entschieden, weiteren Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen", sagt Sönke Selk, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Hamburger Wohnen. Voraussetzung sei, dass sich kein Mitglied für diese Wohnungen interessiere und dass "eine ausgewogene soziale Mischung" erreicht werde. 40 Wohnungen, also rund zehn Prozent der freigewordenen Wohnungen, habe die Baugenossenschaft seitdem an geflüchtete Menschen vermittelt.
Im September wird es eine Wohnung mehr sein: Die Familie Rashid zieht aus ihren zwei Zimmern plus Bad in der Folgeunterkunft aus, in die sie im Februar aus der Erstaufnahme in Rahlstedt verlegt worden war. Ihr neues Heim ist eine Vier-Zimmer-Wohnung. Sie liegt in einem Neubau von Hamburger Wohnen mitten in der HafenCity.