Frauen im Beruf "Die Breite unserer Schleimspur bestimmen wir selbst"

Sabine Asgodom gilt als Deutschlands Selbstvermarktungsexpertin. Tausende Frauen hat sie in den vergangenen Jahren gecoacht, die Situation Hunderter Firmen analysiert: Warum machen Frauen so selten Karriere? Und warum sind sie daran selber schuld? Ein Beratungstermin.
Coach Asgodom: "Ich bin für pragmatische Lösungen"

Coach Asgodom: "Ich bin für pragmatische Lösungen"

Foto: Constanze Wild

Die Knie weit auseinander, Hüfte nach vorne schieben, Bauch rausstrecken, Hände hinter dem Kopf verschränken, ein bisschen wie der Cowboy, der gerade vom Pferd gestiegen ist und sich jetzt in den Sessel lümmelt. So müsste es gehen. Zumindest wenn man sich Männer am Konferenztisch anschaut. Wenn Karriere etwas mit Körpersprache zu tun hat, dann müsste die Macho-Pose Frauen an die Spitze katapultieren. Eigentlich.

Die Frau, die weiß, wie Deutschlands Führungskräfte ticken und was Frauen machen müssen, um im Beruf weiterzukommen, sitzt in ihrem Büro, Hände auf der Tischplatte, Rücken durchgedrückt, lacht und schüttelt den Kopf.

"Nein, so wird das nichts", sagt Sabine Asgodom mit ihrer rauen, sonoren Stimme. "Sie müssen nicht den Macho machen, sondern souverän wirken. Wenn Sie als Frau so sitzen, wirkt es unangemessen." Und stattdessen? "Aufrechte Haltung, Brust raus, Füße fest auf den Boden." Sagt es, macht es. Und um Himmels Willen nie den Kopf schief legen, nie "das Hündchen" mimen.

Frauen sind nett, höflich, fleißig, manchmal niedlich - und in den allermeisten Fällen weniger erfolgreich als ihre männlichen Kollegen. Gewiss, nicht alle wollen es bis ganz an die Spitze schaffen, nicht für jeden ist ein Top-Job das Lebensziel. Viele Frauen aber, egal ob sie Abteilungs-, Filial- oder Schulleiterin werden oder schlicht ihren Job in wirtschaftlich schwierigen Zeiten behalten wollen, empfinden den beruflichen Alltag als ungerecht. Die männlichen Kollegen machen schneller die größere Karriere, ihre Ideen finden Anklang, sie sitzen in turbulenten Zeiten fester im Sattel. Da ist er wieder, der Büro-Cowboy.

Und irgendwo zwischen Hündchen und Cowboy muss die Wahrheit liegen.

Der Plan: "Der Chef soll spüren, dass die Frau Karriere machen will"

Tausende Frauen hat Sabine Asgodom in den vergangenen 15 Jahren beraten, Schulungen in Dutzenden Unternehmen durchgeführt. Sie arbeitet in einem unauffälligen Büro im edlen Münchner Stadtteil Bogenhausen. Ihr Arbeitsplatz ist alles andere als ein Wellness-Tempel: ovaler Holztisch, blaue Kunststoffstühle, rote bezogene Sitzecke, darüber ein Bild mit Sternenhimmel, in der Ecke ein Flipchart. An der Wand steht in grünen Buchstaben: "Lebe wild und unersättlich." Kein Zimmerbrunnen, keine Räucherstäbchen. "Ich bin für pragmatische Lösungen", sagt Asgodom. Die "Financial Times" zählt sie zu den 101 wichtigsten Frauen der deutschen Wirtschaft.

Asgodom analysiert, seziert, was in deutschen Unternehmen schiefläuft. Sie hält Vorträge, bietet Seminare zum Thema "Durchsetzungsstrategien für Frauen" an, coacht Männer und Frauen in Einzelsitzungen und schreibt Sachbücher zum Thema. 21 sind es bislang, viele davon Bestseller, das nächste ist für Herbst geplant. Sabine Asgodom lebt gut von der Orientierungslosigkeit im Job, die viele Deutsche quält. Sie stillt den Hunger nach Ratschlägen, sie motiviert, indem sie manchmal auch provoziert - und vor allem den Frauen, der Mehrheit ihrer Kunden, einen Spiegel vorhält.

Wenn das Flezen am Konferenztisch tabu ist, wie steht es mit Wortmeldungen?

Sich einbringen, wenn man einen Fehler entdeckt hat, auch in großer Runde? "Das ist das Allerschlimmste", sagt Asgodom. "Frauen sind Rechthaberinnen. Da kommt die Streberin aus der Schule durch: 'Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich hab' was gesehen.'"

Also aufrecht sitzen, gut arbeiten und die Klappe halten?

"Frauen müssen hör- und sichtbar sein", sagt Asgodom. Es ist eine ihrer Weisheiten, sie hat viele davon auf Lager. Allein im vergangenen Jahr hat sie rund hundert Vorträge gehalten, das schult.

Wer immer still und fleißig am Schreibtisch sitzt und darauf hofft, entdeckt zu werden, kann lange warten. "Frauen glauben, Männer könnten intuitiv erraten, was sie sich wünschen: Der Chef soll spüren, dass sie Karriere machen wollen." Nur passieren wird nichts. Denn der Chef ist Chef - und eben kein Gedankenleser. "Everybody's darling is everybody's Depp", resümiert Coach Asgodom.

Die Falle: "Trauen Sie mir das denn zu?"

Es braucht ein gutes Selbstbewusstsein, um weiterzukommen. Die Anerkennung kann man sich selbst verschaffen, oder sie von außen holen. Nur eins ist der sichere Karrierekiller: übertriebener Perfektionismus. Wer ständig 100 Prozent Leistung bringen will, aber permanent Angst vor Fehlern hat, macht sich wahnsinnig, aber kaum Karriere. Die Lösung? Delegieren, Verantwortung abgeben, zulassen, dass ein anderer die Dinge anders angeht als man selbst. Nur wer den Kontrollzwang hinter sich lässt, ist reif für die Karriere.

Stattdessen sollen Frauen sich die Verhaltensweisen aneignen, die bei den männlichen Kollegen erfolgreich sind. Der Büronachbar, der alle Projekte durchsetzen kann, sitzt ständig beim Chef im Büro? "Und warum sitzen Sie da nicht?", fragt Asgodom ihre Klientinnen. Antwort: "Ich will mich nicht anbiedern."

"Die Breite unserer Schleimspur bestimmen wir selbst", sagt der Coach. Und fragt: "Haben Sie heute schon ihren Chef gelobt?" Man kann die Realität verachten, sich überlegen fühlen, weil man meint, in moralisch höheren Sphären zu schweben als die männlichen Kollegen - nur nützen wird es nichts. Wer aus Prinzip keine "Selbst-PR" betreibt, wie Asgodom es nennt, der sollte auf der anderen Seite nicht jammern und sich als Opfer sehen, wenn er als unentdecktes Talent in der Versenkung verschwindet.

"Frauen leben im 'Eigentlich-Land'", sagt Asgodom. Eigentlich will ich auch erfolgreich sein. Eigentlich kann das nicht angehen. Eigentlich könnte alles so schön sein, wenn doch nur jemand bemerken würde, was ich hier jeden Tag leiste. Antwort: "Der einzige Mensch, den sie ändern können, ist derjenige, den sie heute morgen gewaschen und angezogen haben."

In den Seminaren hört Asgodom seit Jahren den Einwand: "Ich bin halt so. Ich will mir treu bleiben, authentisch sein." Karriere ja, aber nicht zu jedem Preis. "Das hören sie von keinem Mann", sagt Coach Asgodom.

Sie rät Frauen daher, zwischen Rolle und Person zu unterscheiden. Man muss nicht alles, was im Job Sinn macht, auch im Privatleben übernehmen. Es sind vielmehr Hilfsmittel, um in der professionellen Welt zu bestehen, die richtige Sprache zu sprechen - ohne die eigene aufgeben zu müssen.

Wenn der Vorgesetzte eine Beförderung anbietet, ist die Frage: "Trauen Sie mir das denn zu?" vielleicht ehrlich, aber nicht unbedingt sinnvoll. "Die Botschaft lautet: 'Ich traue es mir nicht zu.' Das kann der Chef nicht gebrauchen."

Die Lösung: ein flexibles Führungsdesign

Frauen müssen die Spielregeln lernen, wenn sie mitspielen wollen. "Und dafür müssen sie nicht selbst zum Mann werden." Wichtigste Regel: netzwerken. Zwar sind Frauen häufig in den privaten Beziehungen für die sozialen Kontakte zuständig, laden Freunde ein, organisieren das Wochenendprogramm. Bei der Arbeit aber tun sie sich laut Asgodom extrem schwer.

Den Kollegen aus dem letzten Job anrufen? Nur, weil er mir etwas bringen könnte? "Für Frauen ist das 'iih-bäh'. Sie finden das berechnend und verwerflich. Sie müssen lernen, strategisch zu denken." Dabei seien gerade sie in privaten Beziehungen durchaus manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen.

"Ich möchte den Frauen in den Hintern treten und sie zugleich umarmen." Es ist wieder einer der Kalenderblattsätze. In den Hintern treten, weil sie seit Jahren nicht aus dem Quark kommen und sich kaum etwas bewegt. "Da wirst du bekloppt", sagt Asgodom immer wieder, wenn sie über die beruflichen Chancen von Frauen und deren Scheuklappen spricht.

Deshalb liege die Verantwortung nicht nur beim Einzelnen, sondern auch bei der Organisation. Asgodom ist für die Quote. "Die Quote ist aber nicht mehr als eine Krücke. Sie hilft, auf die Beine zu kommen und laufen zu lernen." Anders gehe es nicht: "Die Verhinderungskräfte sind zu stark."

Zudem braucht es ein neues Führungsdesign, sagt sie. Frauen seien ein ungehobener Schatz. Das klingt gut. Es meint: Nicht nur die Frauen müssen sich an die Spielregeln anpassen, auch die Regeln müssen sich verändern - wenn die Unternehmen nicht die gut qualifizierten Frauen verlieren wollen. Denn die, so zeigt die Erfahrung, sind nicht bereit, für ihre Karriere über Leichen zu gehen. "Frauen denken sich: Wenn der Chefsessel die Luft zum Atmen nimmt, dann bleibt er eben leer." Es geht darum, Führungspositionen so zu gestalten, dass sie attraktiv sind. Die Chefs sollten fragen: "Was brauchen Sie, damit Sie die Stelle annehmen?"

Die männlichen Führungskräfte müssen lernen, sich auf die Sprache der weiblichen Mitarbeiter einzulassen. "Wenn Sie eine Frau befördern wollen, fragen Sie sie dreimal", rät Asgodom den Managern. "Beim dritten Mal wird sie 'Ja' sagen." Oder noch besser: "Fragen Sie erst gar nicht, ernennen Sie die Frauen einfach."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren