

150 Sekunden lang dauerte das Beben der Stärke 9,0, das Japan am 11. März 2011 um 14.46 Uhr Ortszeit erschreckte. Etwa 40 Minuten später traf eine gigantische Wasserwalze die Nordostküste, der Tsunami riss Menschen, Autos, Häuser mit sich. Die grauen Monsterwellen rasierten das Land, Dörfer, Städte, ganze Regionen wurden ausgelöscht. 561 Quadratkilometer Land wurden überflutet. Auch das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi, direkt am Ozean gelegen, wurde getroffen. Mit einer 14 Meter hohen Welle hatte beim Bau wohl keiner der Experten gerechnet, die Kaimauern waren nur 10 Meter hoch.
Ein Jahr ist seit dem schwärzesten Tag in der Geschichte Japans vergangen. Der Name Fukushima wurde zum Inbegriff für mehr als 19.000 Tote, für verstrahlte und verwaiste Landstriche - und für eine Politik der Beschwichtigung und Desinformation.
An diesem Sonntag um 14.46 Uhr (6.46 Uhr MEZ) hält das ganze Land inne. In der Hauptstadt stehen Züge und U-Bahnen still. Die zentrale Gedenkfeier findet im Nationaltheater von Tokio statt. Regierungschef Yoshihiko Noda spricht, ebenso der kürzlich am Herzen operierte Kaiser Akihito. Weitere Veranstaltungen sind in den am schlimmsten betroffenen Gebieten an der Nordostküste des Landes geplant. Überlebende wollen dort Blumen niederlegen und Tausende Kerzen anzünden, um an die Opfer der Katastrophe zu erinnern. "Wir werden unsere Lieben, Freunde und Kollegen, die wir bei der Katastrophe verloren haben, niemals vergessen", schrieb Regierungschef Noda am Samstag in der "Washington Post". Japan werde auch die internationale Hilfe und Solidarität nach der Katastrophe niemals vergessen.
Im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi wird der Chef des Betreiberkonzerns Tepco eine Schweigeminute einlegen und sich erneut für den Unfall entschuldigen. Vor einem Jahr hatten in dem Atomkraftwerk um 15.41 Uhr die Notstromaggregate ausgesetzt, der Druck in den ungekühlten Reaktoren stieg unkontrolliert. Die TV-Bilder gingen wieder und wieder um die Welt, so unfassbar war das, was sich am 12. März 2011 ereignete und was eine Kamera auffing. Um 15.36 Uhr explodierte Block 1, die Wasserstoffdetonation zerriss das Dach, eine Wolke stieg auf. Die Strahlenwolke.
Was das wirklich bedeutete, gestanden Tepco und die japanische Regierung erst viele Wochen später. Rund acht Prozent der Landfläche Japans wurden mit Cäsium 134 und 137 kontaminiert, das sind rund 30.000 Quadratkilometer. Mehr als 100.000 Menschen mussten wegen der Radioaktivität ihre Häuser verlassen. Ob und wann sie je wieder zurückkehren können, ist höchst ungewiss.
Inzwischen haben die Reaktoren nach Darstellung der Regierung einen Zustand der Kaltabschaltung erreicht und sind unter Kontrolle. Doch es wird viele Jahre dauern, bis mit der Entkernung begonnen werden kann.
"Ich verstehe die Sorgen der Menschen, die Vertrauen in die Kernenergie verloren haben", sagte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano. Fukushima sei ein "Weckruf" gewesen, sagt Amano. Danach seien die internationalen Sicherheitsstandards deutlich höher geschraubt worden, doch hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. "Ich kann nicht garantieren, dass so ein Unfall nicht wieder passiert", sagt Amano. Er verstehe, dass sich Deutschland deshalb aus der Kernenergie zurückzieht.
Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Samstag erneut den von ihrer Regierung durchgesetzten beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie. "Wir haben doch in einem hoch entwickelten Industrieland gesehen, dass Risiken aufgetreten sind, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Das hat mich davon überzeugt, dass wir den Ausstieg beschleunigen sollten", sagte Merkel in ihrer Video-Botschaft.
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Gedenken für die Opfer der Dreifach-Katastrophe von Japan: Eine Frau betrachtet Papierlaternen, die in Gedenken an die Toten und Vermissten angezündet wurden. Am 11. März 2012 jährt sich das Unglück von Fukushima zum ersten Mal.
Am Vorabend des Jahrestags bereiten sich die Menschen im japanischen Iwaki auf die Gedenkfeiern vor. Aus Kerzen haben sie das Katastrophen-Datum gelegt, den 11. März.
Blumen im Matsch: Ein Strauß wurde im japanischen Rikuzentakata niedergelegt, um den Opfern der Katastrophe zu gedenken. Für die offizielle Gedenkfeier am Sonntag werden zahlreiche Menschen in Japan erwartet. In einigen Küstenregionen sind Hotelzimmer schon lange ausgebucht.
Farbenfroher geht es in der japanischen Hafenstadt Minamisanriku zu: Dort hängen Menschen bunte Papierbänder auf, mit ihnen soll für den Seelenfrieden der Opfer gebetet werden.
Mit Buddhas Segen: Zwei Mönche beten am verschneiten Strand von Minamisoma für die Opfer der Dreifach-Katastrophe. Mehr als 19.000 Menschen kamen durch das Unglück ums Leben, viele werden noch immer vermisst.
Weltweit hat der Super-GAU in Japan zum Umdenken geführt. Kurz vor dem Jahrestag der Katastrophe demonstrieren Menschen in Südkorea gegen Atomkraft. Am Sonntag selbst werden Protestaktionen unter anderem in Deutschland und Frankreich erwartet.
Protest auf Spanisch: In Sevilla sorgen Greenpeace-Aktivisten in Schutzanzügen für Aufsehen. Scheinbar gekrümmt vor Schmerzen stellen sie die tödlichen Konsequenzen eines Reaktorunfalls nach. Auch in der spanischen Hauptstadt Madrid...
...kommt es kurz vor dem Jahrestag der Fukushima-Tragödie zu Anti-Atomkraft-Protesten. Dieser Mann stellt sich demonstrativ vor die japanische Botschaft in Madrid, auf seinem Schutzanzug steht unter anderem "Fukushima - niemals wieder".
Unmissverständlich tragen diese Menschen vor der japanischen Botschaft in Madrid ihre Meinung zur Atomkraft zur Schau.
Auch im Nachbarland Frankreich gingen Aktivisten am Samstag auf die Straße, um gegen Atomkraft zu demonstrieren.
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