Studie der Bertelsmann-Stiftung Westdeutsche halten stärker zusammen als Ostdeutsche

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hat den Zusammenhalt der Menschen in Deutschland untersucht: Die Toleranz gegenüber Homosexuellen ist erheblich gestiegen, Zuwanderern gegenüber nicht. Zwischen Ost und West gibt es große Unterschiede.
Fußgängerzone in Freiburg: Deutsche halten stärker zusammen als 1990

Fußgängerzone in Freiburg: Deutsche halten stärker zusammen als 1990

Foto: Patrick Seeger/ picture-alliance/ dpa

Hamburg - Wie ist es um den Zusammenhalt in Deutschland bestellt? In welchem Bundesland ist der Gemeinsinn besonders ausgeprägt? Und warum? Diesen Fragen ist die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie nachgegangen, die nun veröffentlicht wird. Dafür werteten Sozialwissenschaftler der privaten Jacobs University Bremen unterschiedliche Befragungen und Studien aus den vergangenen Jahren aus.

Bereits 2013 hatte eine Studie der Stiftung ergeben, dass Deutschland in Sachen Zusammenhalt im internationalen Vergleich nur mäßig abschneidet. Nun kamen die Forscher immerhin zu dem Schluss, dass sich der Zusammenhalt in der Bundesrepublik seit Beginn der neunziger Jahre positiv entwickelt hat.

Allerdings gibt es zwischen den einzelnen Bundesländern und Regionen große Unterschiede. Zu den neun Faktoren, mit denen das Forscherteam gesellschaftlichen Zusammenhalt ausmachen will, gehören etwa Vertrauen in Mitmenschen und Institutionen, Solidarität und Hilfsbereitschaft, soziale Netze oder Akzeptanz von Menschen mit anderen Wertvorstellungen und Lebensweisen - gerade in letzterem Punkt gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf.

Zentrale Ergebnisse der Studie:

  • Ost-West-Unterschied
    "Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist in allen westdeutschen Bundesländern stärker als in den fünf ostdeutschen", heißt es in der Studie. Gründe hierfür seien die geringe Wirtschaftskraft und Beschäftigung, höheres Armutsrisiko und das höhere Durchschnittsalter im Osten. Der Abstand zu den westlichen Bundesländern sei 25 Jahre nach dem Mauerfall größer denn je. Allerdings drifte die Gesellschaft im Osten nicht auseinander, so die Verfasser der Studie: Der Zusammenhalt entwickle sich nur deutlich langsamer als im Westen.

  • Mehr Akzeptanz für Homosexualität
    Laut Studie ist in nahezu allen Bundesländern seit 1990 die Toleranz gegenüber Homosexuellen gestiegen. Konstatiert wird ein "entspannterer Umgang" mit sexuellen Minderheiten. Bayern ist den Angaben zufolge das in diesem Punkt am wenigsten tolerante Bundesland. Allerdings herrsche auch hier eine relativ hohe Zustimmung zu der Aussage, Homosexuelle sollten ihr Leben führen können, wie sie möchten.

  • Skepsis gegenüber Zuwanderern
    Zuwanderern gegenüber herrsche nach wie vor größere Skepsis. Der Studie zufolge akzeptieren Deutsche immer seltener, wenn Migranten ihren traditionellen Lebensstil weiterpflegen. Demnach finden aktuell weniger Bundesbürger, dass Einwanderer "eine Bereicherung für das kulturelle Leben in dem Land sind", wie es in der Studie heißt. Dabei würde gerade das Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen den Zusammenhalt eher fördern, folgern die Autoren: "In den Bundesländern mit den höchsten Ausländeranteilen halten die Bürger am engsten zusammen", heißt es. "Dort, wo Vielfalt herrscht, wird diese auch eher anerkannt", sagt Kai Unzicker von der Bertelsmann-Stiftung.

Wirtschaftskraft und Wohlstand sind den Angaben zufolge Hauptfaktoren für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein hohes Bruttoinlandsprodukt, niedriges Armutrisiko, ein urbanes Wohnumfeld und eine homogenere Altersstruktur fördern demnach den Gemeinsinn. So schneiden im Gesamtindex unter anderem Hamburg, Baden-Württemberg, das Saarland, Bremen und Bayern überdurchschnittlich gut ab. Die ostdeutschen Bundesländer liegen gesammelt am Schluss des Rankings.

Der Begriff des "gesellschaftlichen Zusammenhalts" lässt sich allerdings nur schwer messen und in belastbaren Zahlen darstellen. Das Forscherteam musste sich für die Studie auf frühere Befragungen stützen. "Wenn man gesellschaftliche Entwicklungen über einen längeren Zeitraum im Rückblick untersuchen möchte, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf die Informationen und Daten zurückzugreifen, die in der Vergangenheit erhoben wurden", sagt Stiftungssprecher Unzicker.

bka/hut
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