Seoul - Fast 300 Menschen werden nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" noch vermisst. Zu den Hintergründen des Unglücks ist bisher wenig bekannt, doch es zeichnet sich ab, dass während der Rettung an Bord des Schiffs nicht alles optimal lief.
Die Evakuierung sei nicht unmittelbar angeordnet worden, sagte ein Crewmitglied der Nachrichtenagentur AP. Die Offiziere auf der Brücke hätten erst noch versucht, das Schiff zu stabilisieren, als es zu krängen begann. Der Kapitän habe den Passagieren gesagt, sie sollten Schwimmwesten anlegen und an Ort und Stelle bleiben, beschrieb der 58-jährige Steuermann Oh Yong-Seok die Abläufe an Bord. Etwa 30 Minuten später sei die Evakuierung angeordnet worden.
Zu diesem Zeitpunkt habe man vielen Passagieren in ihren Kabinen schon nicht mehr helfen können. "Wir konnten nicht einen Schritt machen", sagte Oh Yong-Seok, "das Gefälle war zu groß." Er sei auch unsicher, ob der Evakuierungsbefehl über das entsprechende System an alle Passagiere gegeben worden sei. Er selbst habe sich in einer Gruppe von etwa zwölf Personen, darunter der Kapitän, retten können.
Der Kapitän wird derzeit von der Küstenwache befragt. Südkoreanischen Medien zufolge handelt es sich um einen 68-Jährigen, der mit den Worten "es tut mir sehr Leid, ich schäme mich" zitiert wird. Ob die Führungsmannschaft Fehler gemacht hat, wird derzeit untersucht. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf südkoreanische Medien, dem Kapitän drohten strafrechtliche Konsequenzen, möglicherweise wegen fahrlässiger Tötung.
Die Angaben des Steuermanns decken sich mit Schilderungen von Passagieren - etwa von Cha Eun Ok, die an Deck war und fotografierte, als das Unglück seinen Lauf nahm. "Es wurde durchgesagt, dass die Leute an Ort und Stelle bleiben sollten", sagte sie. "Aber wer blieb, saß in der Falle."
"Die Rettung lief nicht gut ab"
Ein 36-jähriger Passagier sagte, mehrere Menschen seien hinter Fensterscheiben gefangen gewesen, die sich nicht kaputtschlagen ließen. "Die Rettung lief nicht gut ab. Wir hatten Schwimmwesten an, wir hatten Zeit. Wenn die Leute ins Wasser gesprungen wären, hätten sie gerettet werden können. Aber uns wurde gesagt, wir sollten nicht rausgehen." Laut AP sagten zudem mehrere Überlebende, sie hätten von einer Anordnung zur Evakuierung nichts mitbekommen.
Bisher sind neun Tote und rund 180 gerettete Personen bestätigt. Es wird befürchtet, dass ein Großteil der mehr als 470 Menschen an Bord im Rumpf der Fähre eingeschlossen wurde und die Opferzahlen deutlich steigen. Die Suchaktion wurde am Donnerstag durch starke Strömung, Regen und schlechte Sichtverhältnisse erschwert. Auf dem Schiff waren mehr als 300 Schüler und ihre Lehrer auf einem Ausflug.
Das Schiff hatte gegen 9 Uhr am Mittwochmorgen ein erstes Notsignal abgesetzt. Eine großangelegte Rettungsaktion lief an, das Schiff neigte sich immer weiter zur Seite. Wenige Stunden nach dem Notruf war es fast komplett versunken. Die Ursache des Unglücks ist noch unbekannt.
Staatspräsidentin Park Geun Hye machte sich inzwischen an der Unglücksstelle ein Bild von der Rettungsaktion. Angesichts des kalten Wassers - die Temperatur lag bei etwa zwölf Grad Celsius - sei "jede Minute kritisch, falls es Überlebende gibt", sagte Park laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap.
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