Gewalttätige Männer "Ich war über mich selbst entsetzt"

Bruno würgte seine Freundin, einem Freund trat er ins Gesicht. Heute kämpft er mit seinem Hass, gegen die Gewalt, um seine Kontrolle. Mit ersten Erfolgen.
Von Gesa Fritz
Männer und Gewalt: "Dann raste ích aus"

Männer und Gewalt: "Dann raste ích aus"

Foto: Gesa Fritz

Manchmal liegt Bruno* nachts wach und malt sich aus, wie er Jenny* die Beine bricht. Ihr mit der Axt die Arme abhackt. Sie durchs geschlossene Fenster aus dem Haus wirft. "Dann bekomme ich Angst vor mir selber. Ich habe Angst, dass ich das umsetze", sagt er. Es wäre nicht das erste Mal, dass seine Wut die Oberhand gewinnt und auf Gedanken auch Taten folgen. "Das will ich nicht", sagt er. Also steht er auf, nachts um drei, und geht joggen. Bis er sich wieder unter Kontrolle hat.

Jenny und Bruno waren einmal ein Paar. Die Beziehung war schwierig, durchzogen von heftigem Streit, Trennungen und vielen neuen Anläufen. Vor fast zwei Jahren wurde der gemeinsame Sohn Leon* geboren. Leon, den Bruno abgöttisch liebt. Leon, der seinen Vater nicht mehr sehen soll, wenn es nach Jenny geht. Deshalb der Hass auf sie.

Bruno, 45, ist klein, aber kräftig gebaut, seine Fingernägel sind abgekaut. Mit dunkler Stimme erzählt er, wie er gegen das Verlangen kämpft, Jenny etwas anzutun. Er hat sich Hilfe gesucht bei Bizeps, einer Beratungsstelle für gewalttätige Männer in Wiesbaden. Hier sollen sie lernen, die Gewalt zu beherrschen. Das bedeutet Hilfe für die Täter, aber auch Schutz der Opfer vor neuen Übergriffen. Rund 140 Männer kann die Einrichtung pro Jahr beraten, der Bedarf ist deutlich größer. Solche Anlaufstellen gibt es in ganz Deutschland.

Entsetzen über sich selbst

"Die meisten Männer werden zu uns geschickt", sagt Achim Dilcher, Sozialpädagoge bei Bizeps Wiesbaden. Vom Gericht beispielsweise oder vom Jugendamt. Nur eine Minderheit kommt freiwillig, so wie Bruno.

Schon mehrfach hat Bruno den Kampf gegen die Gewalt verloren. "Dann raste ich aus", sagt er. Nachdem ihn eine frühere Freundin betrogen hatte, packte Bruno sie am Hals und drückte zu. Immer fester. "Das war eine ganz enge Kiste", erzählt er - und wie er in einem lichten Moment gerade noch rechtzeitig losgelassen hat. Danach ließ er sich in die Psychiatrie einweisen.

Auch bei einem anderen "Ausraster" ging es um einen Seitensprung. Brunos Freundin und sein bester Freund hatten Sex. Ein halbes Jahr trug er die Wut mit sich herum, dann begegnete er dem Freund auf der Straße. "Der hat mich ausgelacht, da ist mir die Sicherung durchgebrannt", sagt Bruno. Erst schlug er zu, dann trat er den Freund ins Gesicht. "Danach war ich über mich selbst entsetzt", sagt Bruno. Er wurde wegen schwerer Körperverletzung verurteilt, die Bewährung läuft in wenigen Monaten aus.

Ausraster im Jugendamt

Wenn Bruno von seinem Sohn erzählt, füllen sich seine Augen mit Tränen. In seiner Wohnung hängen und stehen zahlreiche Bilder von Leon. Im Regal reihen sich Kinderbücher aneinander, darüber stapelweise Kuscheltiere, eine Kiste voll Lego, Holzspielzeug. Doch das Kind durfte noch nie das Apartment betreten.

Das Paar hat sich schon vor Leons Geburt getrennt. "Du wirst das Kind niemals sehen", soll Jenny damals gedroht haben. Bruno weiß, dass sie Angst vor ihm hat. Er hat sie angebrüllt und heftig beleidigt. Sie hat erlebt, wie er vor Wut mit der Faust ein Loch in die Tür geprügelt hat.

"Aber geschlagen habe ich sie nicht", sagt er.

In seinem Ringen um den Sohn schaltet Bruno das Jugendamt ein. "Mit einem Kind ändert sich für diese Männer alles", sagt Dilcher. "Sie erleben ganz neue, liebevolle Seiten an sich selbst und würden alles für das Kind tun."

Bei dem Termin aber flippte Bruno aus. "Ich war aggressiv, habe geschrien und dem Tisch fast die Beine abgerissen", erzählt er. Der Jugendamt-Mitarbeiter nahm Bruno anschließend zur Seite, sagte ihm, dass er Panik vor ihm gehabt habe. Schlechte Voraussetzungen für ein Besuchsrecht.

"Mein Stiefvater hat mich quer durch die Küche geprügelt"

Das war der Punkt, an dem Bruno zu Bizeps ging. Ein halbes Jahr war er regelmäßig dort. In Einzelgesprächen, Rollenspielen und einer Gruppentherapie trainierte er, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Und ruhig zu bleiben. Er musste seine Schuld eingestehen, musste sich in Rollenspielen und Gesprächen in seine Opfer hineinversetzen, über seine Gefühle reden, über Kränkungen, Verletzungen des Stolzes, Kontrollverlust. Heute macht er zusätzlich eine Einzeltherapie.

"Die Männer schlagen nicht, weil sie Bock darauf haben", sagt Dilcher. "Sie erleben das so, als könnten sie die Gewaltausbrüche nicht steuern." Dabei wird die Gewalt von Generation zu Generation weitergegeben. Etwa 80 Prozent der schlagenden Männer sind nach Dilchers Angaben selbst als Kinder misshandelt worden.

Wie Bruno. "Mein Stiefvater hat mich quer durch die Küche geprügelt. Meine Mutter hat sich zu Tode gesoffen", sagt der 45-Jährige. Er weiß: Wenn er seinen Sohn nicht verlieren will, muss er aus der Gewaltspirale ausbrechen. Inzwischen hat ein Richter seine Bemühungen anerkannt und ihm das Recht auf betreuten Umgang zugesprochen. Jede Woche darf Bruno seinen Sohn eine Stunde sehen - unter Aufsicht.

Zweimal hat Jenny das gemeinsame Kind zum Treffen gebracht. Danach fand sie immer wieder Gründe abzusagen. Eine schier unerträgliche Situation für Bruno. Es kocht in ihm, aber er bleibt trotzdem ruhig: Er beschimpft Jenny nicht am Telefon. Er macht keine Alleingänge. Er randaliert auch nicht im Gespräch mit dem Jugendamt. "Dann suchen wir eben einen neuen Termin", sagt er dem Mitarbeiter.

"Für mich ist es eigentlich unbegreiflich, dass ich mich so im Griff habe. Aber ich habe ein Ziel", sagt Bruno.

* Namen von der Redaktion geändert

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