Vermögen Wie sich der Vatikan mit Mussolinis Millionen ein Immobilienimperium schuf

Petersdom im Vatikanstaat in Rom: Ein Vermögen dank Mussolini
Foto: dapdWohl nur wenige Londoner Touristen würden vermuten, dass das Edelhotel Bulgari oder die Luxusjuweliere in der New Bond Street etwas mit dem Papst zu tun haben. Oder gar der Hauptsitz der vermögenden Investmentbank Altium Capital an der Ecke von St. James Square und Pall Mall. Aber diese Bürogebäude in einer von Londons nobelsten Gegenden sind Teil eines verwunderlichen geheimen Immobilienimperiums - das dem Vatikan gehört.
Getarnt hinter ausländischen Unternehmensstrukturen wurde das internationale Portfolio der Kirche jahrelang ausgebaut. Bezahlt wurde mit Geld, das der Diktator Benito Mussolini im Jahr 1929 für die päpstliche Anerkennung des faschistischen Regimes Italiens zahlte.
Mussolinis Geld wurde angelegt - und ist inzwischen mehr als 500 Millionen Pfund wert. Mit 15 Millionen Pfund aus diesem Vermögen hat der Vatikan im Jahr 2006, auf dem Höhepunkt der Immobilienblase, das Gebäude am Londoner St. James Square 30 gekauft. Zu dem Besitz in Großbritannien gehören auch Gebäude in der Londoner New Bond Street 168 und in der Stadt Coventry. Der Vatikan besitzt zudem Häuser in Paris und in der Schweiz.
Aufwendige Geheimniskrämerei
Besonders überraschend dürfte sein, welch großen Aufwand der Vatikan betrieben hat, um die Mussolini-Millionen geheimzuhalten. Das Bürogebäude am St. James Square wurde von der Firma British Grolux Investments Ltd. gekauft, der auch die anderen britischen Immobilien gehören. Im Handelsregister ist jedoch weder der tatsächliche Inhaber der Firma enthalten, noch eine Verbindung zum Vatikan erkennbar.
Stattdessen werden als Besitzer zwei Anteilseigner angeführt - beides bekannte katholische Banker: John Varley, ehemaliger Chef der Bank Barclays; und Robin Herbert, einst bei der Handelsbank Leopold Joseph beschäftigt. Der "Guardian" hat beide Männer angeschrieben und gefragt, für wen sie arbeiten. Eine Antwort kam nicht. Laut britischem Gesellschaftsrecht ist es erlaubt, dass wirtschaftliches Eigentum auf diese Weise hinter Strohmännern versteckt wird.
Eine Anfrage beim Verwaltungsleiter der Firma, John Jenkins, war ähnlich unergiebig. Seinen Angaben zufolge gehört die Firma einer Fondsgesellschaft - wer genau sich dahinter verbirgt, gab er aus Gründen der Geheimhaltung nicht bekannt. Und nachdem er Anweisungen erhalten hatte, sagte er: "Ich bestätige, dass ich von meinem Klienten nicht autorisiert bin, irgendeine Information zu geben."
Ein Blick in alte Archive liefert mehr Antworten. Akten des Companies House, von dem das britische Handelsregister geführt wird, belegen, dass British Grolux Investments sein gesamtes Immobilien-Portfolio nach einer Restrukturierung im Jahr 1999 von zwei Vorgängerfirmen geerbt hat: British Grolux Ltd. und Cheylesmore Estates. Die Aktien beider Firmen wiederum wurden von einem Unternehmen gehalten, das unter der Adresse der Bank JP Morgan in New York zu finden ist. Die Aufsicht soll den Unterlagen zufolge die Schweizer Firma Profima SA ausüben.
Antworten in Akten
Aufzeichnungen des Nationalarchivs in Kew aus Kriegszeiten machen das Bild komplett: Sie belegen, dass Profima SA eine Holdinggesellschaft des Vatikans ist. Ihr wurde damals vorgeworfen, "an Aktivitäten beteiligt zu sein, die den Interessen der Alliierten entgegenstehen".
In Akten des einstigen Ministeriums für wirtschaftliche Kriegsführung vom Ende des Zweiten Weltkriegs wird der Bankier des Papstes kritisiert. Bernardino Nogara hatte die Kontrolle über Investitionen von mehr als 50 Millionen Pfund - Geld, das von Mussolini stammte.
Nogaras "dubiose Aktionen" waren 1945 Thema zwischen dem Vatikan und einem Kontakt in Genf - die Leitung wurde laut den Briten abgehört. Sie diskutierten anschließend darüber, ob sie Profima auf die Schwarze Liste setzen sollten oder nicht. "Nogara, ein Anwalt aus Rom, ist der Finanzier des Vatikans und Profima SA in Lausanne ist die Schweizer Holding für gewisse Interessen des Vatikans." Nogara soll ihrer Ansicht nach versucht haben, Aktien zweier französischer Immobilienfirmen im Besitz des Vatikans an das Schweizer Unternehmen zu übertragen. So sollte demnach vermieden werden, dass die französische Regierung die Aktien als feindliches Vermögen auf die schwarze Liste setzt.
Bereits 1943 hatten die Briten Nogara ähnliche "schmutzige Geschäfte" vorgeworfen. Er soll Aktien italienischer Banken an Profima verschoben haben, um sie reinzuwaschen und die Bank so darzustellen, als ob sie von neutralen Schweizern kontrolliert würde. Dieser Vorgang wurde als "Manipulation" vatikanischer Finanzen zum Zweck "fremder politischer Ziele" beschrieben.
Die Mussolini-Millionen waren von enormer Bedeutung für die Finanzen des Vatikans. Der Historiker John Pollard schreibt in seinem Buch "Money and the Rise of the Modern Papacy": "Das Papsttum war jetzt finanziell sicher. Es würde nie wieder arm sein."
Der Handelsbankier des Papstes
Nogara war von Beginn an sehr innovativ, wenn es darum ging, das Geld zu investieren. Dokumente von 1931 zeigen, dass er eine Briefkastenfirma in Luxemburg gründete, in dessen Besitz die europäischen Besitztümer übergingen, die er kaufte. Das Unternehmen hieß Groupement Financier Luxembourgeois - Grolux. Luxemburg war 1929 eines der ersten Länder, das paradiesische Steuerbedingungen für Unternehmen einführte. Im folgenden Jahr wurde der britische Firmenzweig - British Grolux genannt - gegründet.
Als der Krieg ausbrach und eine Invasion der Deutschen drohte, wurden die Geschäfte in die USA und die Schweiz verlegt.
Die Mussolini-Investitionen in Großbritannien werden derzeit ebenso von dem päpstlichen Beamten in Rom, Paolo Mennini, verwaltet, wie europäische Holdings und der Devisenhandel. Mennini ist de facto der Handelsbankier des Papstes. Er leitete eine Sondereinheit im Vatikan, die APSA (Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica), die sich mit dem sogenannten "Erbe des Heiligen Stuhls" befasst.
Laut einem Bericht des Europarats vom vergangenen Jahr, der sich mit der Finanzkontrolle des Vatikan befasst, verfügt Menninis Spezialeinheit inzwischen über mehr als 570 Millionen Pfund (680 Millionen Euro).
Dass der faschistische Ursprung des Vatikan-Vermögens zu Kriegszeiten geheimgehalten wurde, mag einleuchten. Unverständlich bleibt allerdings, warum der Vatikan auch danach ein Geheimnis aus seinen Holdings in Großbritannien machte - selbst nachdem seine Finanzstrukturen 1999 neu organisiert wurden.
Der "Guardian" hat den Vertreter des Vatikans in London, Erzbischof Antonio Mennini, gefragt, warum das Pontifikat mit der Geheimnistuerei über die Immobiliengeschäfte in London weitermacht. Wir haben auch gefragt, wofür der Papst die Einnahmen verwendet. Doch ein Sprecher der katholischen Kirche bliebt der Tradition des Schweigens in dieser Sache treu: Der päpstliche Botschafter gebe keinen Kommentar.
Dieser Text stammt aus dem "Guardian". Die Originalfassung können Sie hier lesen .