Demo gegen Rassismus Tausende Menschen gehen in Hanau auf die Straße

Demo-Zug in Hanau: LKA beklagt "vermehrt Spekulationen über den Tathergang" des Anschlags
Foto:Andreas Arnold/ dpa
Drei Tage nach dem Anschlag in Hanau haben in der hessischen Stadt rund 6000 Menschen gegen Hetze, Menschenverachtung und Rassismus demonstriert. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie "Muss erst getötet werden, damit Ihr empört seid?" oder "Menschenrechte statt rechte Menschen". Der Grünen-Politiker Cem Özdemir legte an einem der Tatorte einen Kranz für die Opfer des Anschlags nieder.
Es sei schwer, Worte zu finden, sagte Özdemir auf dem Heumarkt, wo der Täter einen Teil seiner Opfer erschossen hatte. Er hoffe, "dass dieses Jahr in die Geschichte eingeht als das Jahr, in dem die Republik ernst macht gegen Rechtsradikalismus".
Ein 43 Jahre alter Deutscher hatte am Mittwochabend in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Der Sportschütze tötete auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank. (Lesen Sie hier die SPIEGEL-Titelstory zum Thema.)
"Sichergehen, dass wir nach den Bedürfnissen der Angehörigen handeln"
Hanau plant derweil eine zentrale Trauerfeier für die Opfer des Anschlags. Diese werde in Abstimmung mit den Angehörigen sowie den Bundes- und Landesbehörden vorbereitet, teilte die Kommune mit. Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) berief für Montag eine Sondersitzung des Runden Tischs der Religionen ein. "Wir wollen sichergehen, dass wir immer nach den wirklichen Bedürfnissen der Angehörigen handeln", sagte Kaminsky.
Edgar Franke, Opferbeauftragter der Bundesregierung
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, sagte zu, dass die engsten Angehörigen der Opfer in einigen Tagen eine Soforthilfe von 30.000 Euro erhalten werden. "Für Ehepartner, Kinder und Eltern von Getöteten sind das 30.000 Euro, für Geschwister 15.000 Euro." Angehörige können aus dem Fonds für Härteleistungen innerhalb von zwei Wochen Soforthilfen erhalten, wie Franke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Das könne das schreckliche Leid des Verlusts der eigenen Eltern oder Kinder nicht lindern. "Aber zumindest ist es eine Hilfe für die nötigsten Dinge, die in diesem Moment wichtig sind."
Videoreportage aus Hanau:
Die Bundesregierung plant als Folge des Anschlags vorerst keine weitere Reform des Waffenrechts. "Es kursieren in sozialen Netzwerken derzeit Gerüchte über ein angeblich geplantes Verbot von Schusswaffen ab Kaliber 5,56 Millimeter für Sportschützen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Minister Horst Seehofer (CSU) stellte dazu klar: "Das ist eine totale Falschmeldung. Es ist offensichtlich der Versuch, die Bürger gezielt zu verwirren und zu verunsichern."
Das hessische Landeskriminalamt warnte ebenfalls vor Falschinformationen. Es gebe derzeit "vermehrt Spekulationen über den Tathergang des Anschlags", so das LKA. Diese tauchten aus verschiedenen Quellen in den sozialen Medien auf. "Aus Sicht der hessischen Polizei gibt es zur Zeit keinen Grund, in diesem Zusammenhang von einer akuten weiteren Gefahr auszugehen." Allen Hinweisen werde aber akribisch nachgegangen.