
Kampagne in Hannover: Die wollen rocken
Busfahrer in Hannover mit Rock "Ist echt bequem"
In Hannover gibt es ein Problem. Das sehen zumindest die Verkehrsbetriebe so. Bis zum Jahr 2022 wollen sie rund 600 neue Mitarbeiter einstellen. Und der Frauenanteil soll von derzeit 16 Prozent auf 22 steigen. Nur: Wie stellt man das an?
Die Verkehrsbetriebe versuchen es mit einer Werbekampagne , für die sie zehn Bus- und Stadtbahnfahrer in Röcke gesteckt haben. Die Bilder gibt es nun auf den öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Plakatwänden zu sehen. Dazu den Slogan: "Der schönste Grund, warum Männer Röcke tragen, sind Frauen."
Die Aktion startete Anfang der Woche, sie soll ein Jahr lang laufen. Die zehn Aushänge-Männer dürfen in dieser Zeit ihre Röcke bei der Arbeit tragen, sie müssen aber nicht. Einer der männlichen Rock-Vorreiter ist Sebastian Wolf, 32, Spitzname "Icke". Er arbeitet seit Oktober 2010 als Stadtbahnfahrer in Hannover. Und war sofort begeistert von der Kampagne.
SPIEGEL ONLINE: Herr Wolf, bitte entschuldigen Sie die indiskrete Frage. Was tragen Sie gerade?
Wolf: Natürlich meinen Rock. Auf dem Weg zur Arbeit habe ich noch Jeans getragen, aber später kam die Sonne raus, da habe ich mich umgezogen. Dazu trage ich noch Kniestrümpfe, Hemd, Krawatte, Anzugweste. Sieht optisch geil aus. Und ist echt bequem.
SPIEGEL ONLINE: Hat es Sie Überwindung gekostet, bei der Rock-Kampagne mitzumachen?
Wolf: Quatsch, warum denn? Es braucht schon Selbstbewusstsein und Rückgrat, um als Mann im Rock auf die Straße zu gehen. Aber ich bringe beides mit. Als sie mich bei der Arbeit gefragt haben: "Icke, willst du mitmachen?", habe ich gesagt: "Selbstverständlich. Wie geil ist das denn?"
SPIEGEL ONLINE: Mit der Aktion sollen Frauen für den Beruf begeistert werden. Glauben Sie wirklich, da bringen zehn Männer im Rock etwas?
Wolf: Es ist eine crazy Idee, Männer in einen Rock zu stecken. Wir sind in Hannover Gesprächsthema Nummer eins. Da werden auch Frauen hellhörig, und vielleicht informieren sie sich dann über unseren Beruf. Ich habe bisher ausschließlich positive Reaktionen bekommen. Die Aktion zeigt ja auch, wie locker wir als Kollegen drauf sind. Wir haben also Aufmerksamkeit und Sympathiewerte - ist doch super.
SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie so wenige Kolleginnen?
Wolf: Ich glaube, Frauen haben Angst, so ein Riesending zu fahren. Dabei ist das eine reine Köpfchensache.
SPIEGEL ONLINE: Und warum sollten Ihrer Meinung nach mehr Frauen die Busse und Stadtbahnen steuern?
Wolf: Frauen fahren vorsichtiger, sind ruhiger und defensiver. Es wäre auch gut für unser Team: Wenn Frauen in der Runde sind, verhalten wir Männer uns rücksichtsvoller und reißen uns eher mal zusammen.
SPIEGEL ONLINE: Was sagt Ihre Freundin zu Ihrem neuen Arbeitsoutfit?
Wolf: Sie fand es erst gewöhnungsbedürftig. Aber dann meinte sie: "Du kannst das tragen." Das stimmt, man braucht dafür dicke Beine. Die habe ich. Meine Freundin arbeitet übrigens als Fahrerin einer Stadtbahn. Und sie findet die Aktion super.
SPIEGEL ONLINE: Würden Sie auch in Ihrer Freizeit Rock tragen?
Wolf: Wenn es einen richtig modischen Rock für Männer geben würde... dann würde ich zu 80 Prozent Ja sagen. Bei der Arbeit werde ich ihn auf jeden Fall anziehen, solange es das Wetter zulässt. Man kann den Rock mit Stolz tragen.