Gesägt, getan Ein Hoch auf das Schubladendenken

Kisten in der Trockungsphase: Selbst ist der Heimwerker
Foto: Benjamin Schulz/ DER SPIEGELDer Duden definiert "Schubladendenken" als "an starren Kategorien orientierte, undifferenzierte, engstirnige Denkweise". Mit so einem negativ aufgeladenen Begriff in Verbindung gebracht zu werden, haben die Schubladen nicht verdient. Sie können doch nichts dafür, dass manche Leute Dinge, die sich nicht eindeutig kategorisieren lassen, zwanghaft Kategorien zuordnen wollen.
Wenn es nach mir ginge, wäre "Schubladendenken" eher "die Fähigkeit, ähnliche oder wesensverwandte Dinge sinnvoll zusammenzufassen und zu ordnen". Es gibt nun mal einen Haufen Sachen, die sich prima unterscheiden lassen. Und viele lassen sich wunderbar in Schubladen sortieren. In Schreibtischschubladen beispielsweise.
Wer meint, dass es doch egal sei, wenn es dort durcheinandergeht, hat noch nie versucht, eine Büroklammer zu greifen und stattdessen eine Reißzwecke erwischt. Oder viel zu viele Minuten dabei vergeudet, den Taschenrechner, den Brieföffner oder den Klebestift zu suchen.

Das Schubladenprojekt
Vor allem letzteres Problem war mir sehr vertraut. Die zwei Schreibtischschubladen einer Person, die hier ungenannt bleiben soll, entsprachen dem DFB-Pokal-Prinzip: immer für eine Überraschung gut. Es war nie klar, was man darin finden würde - und was nicht. Meistens fand man es nicht. Textmarker neben Radiergummi, Geodreieck unter Taschenrechner, Klebezettel zwischen Kugelschreibern.
In diesem Wirrwarr den Bleistift oder die Heftzwecken zu finden, glich einer Schatzsuche. Und weil ich auch gelegentlich Gegenstände aus diesen Schubladen benutzte, wollte ich die Suchzeit abkürzen.
Eingriff in das Schubladenselbstbestimmungsrecht
Um die besagte Person zu überzeugen, hatte ich mir eine ausgefeilte Rede zurechtgelegt. An meinen genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es fielen die Wörter "Übersichtlichkeit", "modular" und "Baukastenprinzip". Hört sich doch gleich viel besser an als ein schnöder "Schubladeneinsatz".
Es war deutlich, dass die Neuorganisation der Schubladen für die besagte Person eher keine Herzensangelegenheit war. Ich bin relativ sicher, dass sie meinem Vorschlag weniger aus Überzeugung, sondern eher aus Genervtheit zustimmte. Egal. Hauptsache Zustimmung. Manche mögen das als Eingriff in das Schubladenselbstbestimmungsrecht dieser Person sehen. Ich interpretiere es eher als Hilfe zur Selbsthilfe - zu einer besseren Schubladenorganisation.
Vier Kistchengrößen für alle Fälle
Das Projekt fiel in die Hochzeit meiner Kisten-Begeisterungsphase. Mir war klar, dass ich daran scheitern würde, ein besonders pfiffiges oder elegantes Design zu entwerfen und zu bauen. Deshalb fiel die Wahl auf kleine Kistchen, die sich (zumindest in der großen Schublade) einigermaßen flexibel anordnen ließen.
Nach diversen Versuchen auf Papier entschied ich mich für ein Modell mit vier verschiedenen Kistchengrößen:
18 mal 9 Zentimeter (8 Stück)
16 mal 12 Zentimeter (6 Stück)
18 mal 7 Zentimeter (2 Stück)
36 mal 9 Zentimeter (1 Stück)
Ich hätte gerne mit weniger verschiedenen Größen gearbeitet. Aber meine überschaubaren Mathematikkenntnisse und möglicherweise auch die ungünstige Größenaufteilung der beiden Schubladen verbauten mir diesen Weg.
Als Material wählte ich Pappelsperrholz. Ich hatte noch ein paar Reste und musste kaum einen halben Quadratmeter nachkaufen. Und es ist leicht, was angesichts der überschaubaren Stabilität der Schubladen ebenfalls ein wichtiger Faktor war.
Zuschnitt und Zusammenbau waren denkbar simpel: Ecken auf Gehrung gesägt, an allen vier Seiten unten ein Falz für den Boden. Etwas Leim, fertig.
Preisabfragezeitpunkt
06.06.2023 08.37 Uhr
Keine Gewähr
Inzwischen sind die Kistchen für die zwei Schubladen seit einigen Wochen im Einsatz. Das Fazit ist gemischt. Positiv ist zu vermerken, dass sie bislang halten – und überhaupt genutzt werden. Das Chaos ist weg, letztens habe ich sogar auf Anhieb das Lineal gefunden. Und wenn ich den Taschenrechner brauche, kann ich wie im Schlaf in die Kiste vorne rechts greifen.
Negativ ist zu verzeichnen, dass gar nicht alle Kistchen genutzt werden können. Das habe ich meiner Schusseligkeit zu verdanken, kombiniert mit den Mathematikkenntnissen, siehe oben. Ich hatte beim Entwurf nicht bedacht, dass manche Dinge (etwa der Locher) von der Höhe her gerade so in die Schublade passten. Wäre er in einer meiner Kistchen verstaut, ginge die Schublade nicht mehr zu.
Gravierender ist da schon, dass man bei manchen Kistchenanordnungen an die hinteren Fächer gar nicht oder kaum herankommt, weil sich die Schubladen nicht ganz herausziehen lassen. Ich rechne es der besagten Person hoch an, dass sie mir das nicht ständig vorhält.
Vielleicht sollte "Schubladenkdenken" doch anders definiert sein – als "die Fähigkeit, den Bau von Schubladeneinsätzen vorausschauend und vollständig zu planen, um hinterher volle Funktionsfähigkeit zu gewährleisten".