Impfzentrum Hamburg Deutschlands größte legale Massenveranstaltung
Geimpfte
»Ich darf alles jetzt!«
Jule Böhm, Lehrerin
»Meine Schwester Astra Seneca gekriegt, mein Vater BionTech, meine Mutter hat jetzt, glaube ich Moderna.«
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Einsatzteam für Nina?«
Mohammad Omar Azimi
»Gott sei Dank, durch dieses Impfzentrum ist ein bisschen Bewegung ins Taxigeschäft gekommen.«
Willkommen zu Hamburgs einziger legaler Massenveranstaltung.
Jakob Seidensticker, DJ und Musiker
»So, jetzt fahren wir hier mal um die Ecke.«
Es gibt in Hamburg nur ein Impfzentrum, aber dafür ist es das größte Deutschlands. Mehr als 8000 Mal pro Tag wird in der Messehalle A3 AstraZeneca, Moderna oder Biontech gespritzt. Am einzigen Ausgang warten Angehörige von Impflingen auf die Rückkehr ihrer Freunde oder Verwandten. Die Stimmung beim Wiedersehen: Gelöst.
Sohn einer Geimpften
»Wir machen die Feierfaust, Mutti!«
Geimpfte
»Was machen wir jetzt? Wir feiern jetzt.«
Sohn einer Geimpften
»Nein, feiern dürfen wir nicht, Mama.«
Geimpfte
»Ich feiere ja auch alleine. Mit meiner Cola.«
Geimpfter
»Jetzt warte ich darauf, dass das unser Grieche aufmacht. Schön Gyros auf den Tisch und ein Bier.«
Jule Böhm wartet auf ihre Mutter – bis zu ihrer eigenen Impfung braucht die Lehrerin noch viel Geduld.
Jule Böhm, Lehrerin
»Ich habe leider zwei Wochen, bevor ich meine Impfung gehabt hätte, Corona gekriegt. Ich hätte lieber die Impfung gehabt, ich hatte auch Wochen danach noch ziemlich zu schnaufen beim Fahrradfahren und so. Das hätte ich mir gerne erspart.«
Für Corona-Genesene empfiehlt die Ständige Impfkommission eine Impfung frühestens sechs Monate nach der Infektion. Böhm ist im Herbst dran. Dann werden wohl alle Deutschen ein Impfangebot erhalten haben. Im Hamburger Impfzentrum wird von 8 bis 20 Uhr gespritzt, sieben Tagen die Woche. Für Mustafa Kaya ist das Impfzentrum die Rettung. Eigentlich überführt Kaya Limousinen.
Mustafa Kaya, Brötchenverkäufer
»Wegen Lockdown, wegen der Pandemie hatten wir nichts zu fahren. Und da hat sich ein Chef überlegt: Lass uns doch mal so was aufstellen am Impfzentrum.«
Seit März arbeitet Kaya hier. Schürze statt Anzug und Krawatte, kein dicker Benz mehr, sondern Brötchen.
Mustafa Kaya, Brötchenverkäufer
»Ja, die laufen am besten, die normale Franz läuft am besten.«
Kayas Wagen steht am Haupteingang. Vor dem Termin haben wenige Impflinge die Ruhe für einen Kaffee – danach dagegen schon, und manche feiern sogar ein bisschen.
Mustafa Kaya, Brötchenverkäufer
»Ich habe es schon öfter erlebt, dass die Leute sich hier Kaffee geholt haben oder Cola und angestoßen haben, weil sie geimpft worden sind.«
Vor dem Impftermin sind viele Impflinge nicht in Feierlaune, sondern aufgeregt: Der Termin im Impfzentrum ist vor allem für ältere Menschen, die lange sehr wenig Kontakte hatten, schnell eine Überforderung. Deshalb gibt es das Care-Team, junge Leute, die die Impflinge empfangen, begrüßen, befragen, begleiten. Im Care-Team arbeiten viele aus der Veranstaltungsbranche. Auch der DJ und Musiker Jakob Seidensticker.
Jakob Seidensticker, DJ und Musiker
»Seidensticker mein Name. Ich fahre mal ein paar Meter weiter, von der Straße runter.«
Insgesamt sind fast 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Impfzentrum in zwei Schichten pro Tag im Einsatz.
Jakob Seidensticker, DJ und Musiker
»Also, die Stimmung ist wirklich gut. Gerade zu diesem Zeitpunkt was zu unterstützen, was die Impfkampagne angeht, das zu tun, beflügelt einfach.«
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Einsatzteam für Nina.«
Funkgerät
»Einsatzteam hört.«
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Ich habe hier am Taxi-Ausgang einen Rollator stehen. Könnte den jemand von euch abholen?«
Nina Streit ist eine der Koordinatorinnen des Care-Teams.
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Hat sich das geklärt mit dem Taxifahrer?«
Ohne Pandemie würde Streit jetzt wohl auf einem richtigen Festival arbeitet. Aber die 24-Jährige hat ihre Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau ausgerechnet 2020 abgeschlossen, als alles anders kam. Mit ihrem Job im Impfzentrum kommt sie aber ziemlich gut durch die schwierige Zeit.
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Es ist wie so ein kleines Festival, kann man das auch vergleichen. Also, man macht die gleiche Arbeit aber mit anderen Menschen. Also, ich kriege hier Gott sei Dank kein Bier über geschüttet, würde ich mal sagen.«
Nina Streit, Veranstaltungskauffrau
»Man ist hier schon in seiner kleinen Impfzentrum-Bubble, würde ich mal behaupten. Man hat hier wirklich sehr viel gute Laune und kann auch so ein bisschen abschalten. Wir sind natürlich auch in der Position, dass wir relativ viele soziale Kontakte haben. Also wir können uns im Gegensatz zu den anderen natürlich viel unterhalten und ich glaube, da sind sehr viele auch dankbar drüber, dass wir eben so viel Kontakt haben dürfen, dass man so ein bisschen dem langweiligen Alltag entfliehen kann.«
Bei Tausenden Impfungen am Tag wird es ab und zu auch mal eng. Die Termine sind strikt getaktet, kleine Verzögerungen drinnen führen draußen zu Stau.
Geimpfte
»Es schockiert mich geradezu. Ich bin so kurz davor, rückwärts kehrt zu machen und zu sagen: Das tu ich mir jetzt nicht an.«
Für die Taxifahrer kann gar nicht genug los sein. Was mal der Flughafen war, ist für sie im Moment das Impfzentrum – zumindest ein bisschen. Sichere Aufträge und eher kurze Wartezeiten machen den Standort attraktiv. Und wenn doch mal wenig los ist, …
Mohammad Omar Azimi, Taxifahrer
»Was soll man machen? Sonst mit Internet, mit Facebook, macht krank, ne? Aber Schach läuft gut gerade.«
Viele Impflinge kommen mit dem eigenen Auto – und direkt am Impfzentrum gibt es nur sehr wenige Parkplätze und viel Stop & Go. Besonders oft wird es an dieser Auffahrt zur sonst eher verlassenen Lagerstraße eng. Der Fußgänger-Ausgang für alle Impflinge trifft hier auf die Zufahrt zum Parkplatz, der ausschließlich Menschen mit Behinderung vorbehalten ist. Und das scheint nicht jeder gleich zu verstehen, der unter Impftermindruck auf Parkplatzsuche ist – trotz zusätzlicher, extra großer Schilder. Am Ende werden heute alle ihre Spritze erhalten, auch, wenn sie etwas zu spät kommen. Es ist ein besonderer Tag: An diesem 28. April werden in Deutschland erstmals an einem Tag mehr als eine Million Menschen gegen Covid-19 geimpft. Auch die Mutter von Jule Böhm.
Geimpfte
»Ich bin erledigt. Herrlich. Super. Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken. Auf der Straße. Nein, ich bin echt froh. Also ich finde, es wurde Zeit, dass es ein bisschen mehr losgeht. Drücke Ihnen die Daumen, dass Sie auch bald geimpft werden.«
Mindestens bis Ende Juli 2021 soll das Impfzentrum in Betrieb sein. Dann könnten allein in der Messehalle weitere 700.000 Impfdosen verabreicht worden sein.