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Brände in Indonesien: Klimakiller in Orange

Foto: Hugo Hudoyoko/ dpa

Umweltkatastrophe in Indonesien Ein Land ringt nach Luft

Brandrodung und Dürre haben in Indonesien eine Klimakatastrophe ausgelöst, die globale Auswirkungen haben könnte. Millionen Menschen leiden unter beißendem Smog, auch seltene Wildtiere wie der Orang-Utan sind bedroht.

Am Donnerstag kam endlich der Regen. Eine wohl nur vorübergehende Erleichterung für mehr als 250 Millionen Menschen, die seit Ende August im gesamten südostasiatischen Raum unter den Folgen einer katastrophalen Verkettung von Brandrodung und Dürre leiden. Mit mehr als 100.000 Brandherden ist es eins der schlimmsten Umweltdesaster in der Geschichte Indonesiens.

Die Dürre, die auch die benachbarten Staaten Malaysia, Singapur und Papua-Neuguinea ebenso wie die Philippinen, Kambodscha, Vietnam und Teile von Australien betrifft, ist mit den ersehnten Regenfällen der vergangenen Woche noch lange nicht vorbei. Erst die alljährlichen Monsun-Winde werden wirklich Linderung bringen, sie werden aber erst ab Mitte November jene langanhaltenden Regenfälle bringen, die den beißenden, orangefarbenen Dunstschleier auflösen, der über weiten Teilen des Landes wie ein zäher Smog liegt, und die Feuer im Hinterland vollständig löschen. Schon jetzt leiden lokalen Medien zufolge mehr als 500.000 Menschen an Atemwegserkrankungen, Tiere wie der unter Artenschutz stehende Orang-Utan müssen vor Qualm und Feuer in Sicherheit gebracht werden.

Massive Wald- und Flächenbrände gibt es seit den Achtzigerjahren immer wieder in Indonesien, der letzte von ähnlichem Ausmaß ereignete sich 1997. Aber Experten sind sicher, dass die aktuelle Situation noch weitaus gravierender als damals ist. Die Folgen für die Umwelt Südostasiens und die Gesundheit einer Millionenbevölkerung sind noch lange nicht abzusehen, ebenso wenig wie die Auswirkungen auf das globale Klima durch den erhöhten Ausstoß an CO2. Laut Nasa-Experten seien allein in den letzten zwei bis drei Monaten bis zu 600 Millionen Tonnen Treibhausgase durch die Brände in die Erdatmosphäre gelangt, in etwa die jährliche Emission von Deutschland.

"Ein Verbrechen gegen die Menschheit"

Die Katastrophe ist hausgemacht. Jedes Jahr im Spätsommer brennen die Landwirte in Indonesien große Flächen Regenwald ab, um Anbauflächen für die Gewinnung von Palmöl zu schaffen. Bis zu vier Millionen Hektar Land seien allein in dieser Saison durch außer Kontrolle geratene Brände zerstört worden, ein großer Teil davon auf Sumatra und in der Provinz Kalimantan auf Borneo. Der Untergrund dort besteht zu großen Teilen aus torfhaltiger Erde, die bei ihrer langsamen, schwelenden Verbrennung bis zu zehn Mal mehr Methan in die Luft entlässt als andere Böden. Das sorgt für den dichten, erstickenden Schleier aus Rauch, der das Alltags- und Wirtschaftsleben in den Städten zunehmend lahmgelegt hat. "Feuer in Indonesien unterscheiden sich von den meisten anderen Bränden", zitiert das Magazin "Time" einen Sprecher der Nasa, die das Ausmaß der Katastrophe mit Satellitenaufnahmen analysierte, "sie sind extrem schwierig zu löschen."

Nasa-Satellitenbild der Rauchentwicklung über Indonesien (im September)

Nasa-Satellitenbild der Rauchentwicklung über Indonesien (im September)

Foto: AFP/ NASA

Verstärkt wird der Effekt der flächendeckenden Brandrodung durch das in diesem Jahr besonders stark ausgeprägte Klimaphänomen El Niño, das für eine besonders langanhaltende Dürre im südostasiatischen Raum sorgt. "Dies ist ein außerordentliches Verbrechen gegen die Menschheit", empörte sich Sutopo Purwo Nugroho, Chef der indonesischen Katastrophenschutzbehörde laut einem Bericht der australischen Nachrichtenseite News.com.au, seit Jahren kenne die Regierung die Probleme der willkürlich angezündeten Massenbrände, immer wieder komme es zu Umweltkatastrophen, doch politisch geschehe nichts. Der Handel mit und die Verarbeitung von Palmöl ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Inselstaat im Südpazifik. Präsident Joko Widodo verkürzte am Montag vergangener Woche immerhin seinen USA-Aufenthalt, um sich mit der Krise in seiner Heimat zu beschäftigen.

Das Militär ist mit Bodentruppen und bis zu 30 Flugzeugen mit Löscharbeiten und humanitärer Hilfe beschäftigt, Kriegsschiffe dienen als vorübergehende Unterkünfte für Kinder und Bevölkerungsteile, die besonders von der Smog-Entwicklung betroffen sind. Laut Angaben des zuständigen Ministers Luhut B. Pandjaitan hätten jedoch bisher nur rund hundert Familien das Angebot angenommen, vorübergehend in eine klimatisierte Notunterkunft umzuziehen.

Orang-Utans im Nebel

Luhut gab sich gegenüber der "New York Times" dennoch zuversichtlich, dass mit den aktuellen Regenfällen eine entscheidende Wende zur Besserung der Situation eingeleitet werde. Die Anzahl der akuten Brandherde auf Sumatra und Borneo habe sich von über 1500 auf rund 300 reduziert, wenn es in den nächsten Tagen weitere Regenfälle gäbe, könnten 75 Prozent der Feuer gestoppt werden, hofft der Politiker, doch es sei "zu früh, um sicher zu sein". Das Klima in den Städten und weiten Teilen des Landes bezeichnete Luhut als nach wie vor "ungesund". Die Feinstaubkonzentration liege in besonders heftig betroffenen Regionen wie der Stadt Palangkaraya auf Borneo bei bis zu 1357 Mikrogramm pro Kubikmeter, berichtet die "Jakarta Post", als gerade noch verträglich über einen Zeitraum von 24 Stunden gilt laut Angaben von US-Behörden ein Wert von höchstens 150 Mikrogramm.

17 Menschen sind bisher durch Atemwegsprobleme und -erkrankungen ums Leben gekommen, ein Feuerwehrmann sei bei Löscharbeiten gestorben. Seit August sei ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 14 Milliarden Dollar entstanden.

Orang-Utan im Regenwald von Borneo: Bis zu 7000 Tiere sind bedroht

Orang-Utan im Regenwald von Borneo: Bis zu 7000 Tiere sind bedroht

Foto: BAY ISMOYO/ AFP

Noch völlig unklar ist, wie sich die Feuer- und Klimakatastrophe auf die reichhaltige Flora und Fauna Indonesiens auswirkt. Vor allem die mit rund 7000 Exemplaren weltweit größte wild lebende Orang-Utan-Population auf Borneo ist bedroht. "Wir sind immer noch nicht sicher, wie viele von ihnen krank geworden oder gestorben sind", sagte eine Sprecherin der Tierschutzorganisation Borneo Orangutan Survival Foundation der "New York Times". Neun der vom Aussterben bedrohten Primaten habe die Organisation gerettet und in ein Rehabilitationszentrum verbracht, darunter ein schwangeres Weibchen. Auch viele andere Arten sind von Feuer und Smog bedroht, darunter Elefanten, Tiger, Schlangen, Vögel und Insekten.

Indonesiens Präsident Joko, berichtet "Time", habe bei seinem Staatsbesuch in den USA mit Barack Obama verstärkt über das Thema Klimawandel gesprochen und darüber, warum es so wichtig ist, dass große Länder wie Indonesien und die USA zusammenarbeiten, um eine möglichst große Anzahl der gesteckten Ziele zu erreichen. Währenddessen schwelt in den Torfböden von Südostasien jedes Jahr aufs Neue eine menschengemachte Katastrophe.

bor
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