Irland Ungläubiges Staunen über Gesetz gegen Gotteslästerung

Es wirkt wie ein Rückfall ins Mittelalter: Gotteslästerern drohen in Irland künftig bis zu 25.000 Euro Strafe. Weil es die Verfassung so vorschreibt, argumentiert die Regierung. Doch schon bildet sich Widerstand. Kritiker wollen das Gesetz absichtlich brechen.

London - Das irische Parlament hat sich mit einem Knall in die Sommerpause verabschiedet: In der letzten Sitzung vergangene Woche wurde ein Gesetzespaket beschlossen, das Gotteslästerung oder die Veröffentlichung von blasphemischem Material mit einer Geldstrafe von bis zu 25.000 Euro belegt.

Die Entscheidung wurde von Kirchgängern wie Atheisten gleichermaßen ungläubig aufgenommen. "Niemand wollte dieses Gesetz", kommentierte Padraig Reidy auf der "Guardian"-Website. "Niemand kann sich an einen einzigen Pfarrer, Rabbi oder Mullah erinnern, der je härtere Strafen für Gotteslästerung gefordert hätte."

Die Empörung zog weite Kreise. Der Atheisten-Vordenker Richard Dawkins meldete sich zu Wort und warnte, dass die grüne Insel ins Mittelalter zurückfalle. Das absurde Gesetz schade dem Ruf Irlands als modernes, zivilisiertes Land. Der Europäische Humanistenbund klagte, es sei "ein echter Rückschritt".

Ian O'Doherty, Kolumnist des "Irish Independent", stellte trocken fest: "Jetzt sind wir also offiziell das religiös verblendetste Land der zivilisierten Welt." Um zu demonstrieren, wie realitätsfern das Gesetz ist, forderte er in seiner Kolumne die Autoritäten umgehend heraus.

"Katholizismus ist ein Kannibalenkult, der seine Anführer frisst. Juden, die glauben, dass es Gottes Wille ist, dass sie im Heiligen Land wohnen, sind verblendete Irre. Muslime, die islamisches Recht einführen wollen, sind faschistische Terroristen, und Scientologen sind Freaks, die vom böswilligen Geschwätz eines gescheiterten Science-Fiction-Autors verleitet wurden". O'Doherty schloss die Provokation mit dem Satz: "Also, Jungs, ich sehe euch vor Gericht."

Der Blasphemie-Streit tobt

Der Blasphemie-Streit tobt schon seit Ende April. Damals kündigte der irische Justizminister Dermot Ahern an, dass die lange geplante Reform des Gesetzes zur üblen Nachrede, welches die Arbeit der Medien regelt, auch eine Passage zur Blasphemie enthalten werde. Er habe keine Wahl, sagte der Minister. Die irische Verfassung schreibe vor, dass Gotteslästerung strafbar sein müsse.

Tatsächlich heißt es in Artikel 40 der Verfassung von 1937: "Die Veröffentlichung von gotteslästerlichem, umstürzlerischem oder unsittlichem Material ist ein Vergehen, das strafbar sein soll."

Dieser Vorgabe müsse er sich beugen, hatte Ahern in einem Gastbeitrag in der "Irish Times" im Mai erklärt. Die einzige Alternative sei ein Referendum, um die Verfassung zu ändern. Das sei in der gegenwärtigen Zeit aber "eine teure und unnötige Ablenkung".

25.000 statt 100.000 Euro Strafe

Nachdrücklich wehrt sich Ahern gegen den Vorwurf, er habe einen neuen Straftatbestand geschaffen. Im Gegenteil, sagt er: Er habe die Hürden für die Strafverfolgung erhöht und die Strafe für Gotteslästerung reduziert. Bisher könne man für bis zu sieben Jahre ins Gefängnis wandern, künftig soll es maximal eine Geldstrafe von 25.000 Euro sein. Ursprünglich hatte Ahern 100.000 Euro vorgesehen, war dann aber im Verlauf der Debatte heruntergegangen.

Der Justizminister führt zu seiner Entlastung auch an, dass drei Bedingungen erfüllt sein müssten, bevor jemand wegen Gotteslästerung zur Rechenschaft gezogen werden könne: Es muss sich um Material handeln, das die Gefühle von Gläubigen stark verletzt. Es muss eine Störung des öffentlichen Friedens vorliegen, und es muss nachgewiesen werden, dass der Lästerer diese Störung gezielt herbeiführen wollte.

Diese Hürden, insinuiert der Minister, seien so hoch, dass de facto nie jemand der Gotteslästerung angeklagt werden wird.

Aherns Kritiker hingegen argumentieren, die ganze Diskussion sei überflüssig. Der Minister hätte die anachronistische Verfassungsvorgabe einfach ignorieren sollen statt sie in ein neues Gesetz zu gießen. Sie vermuten, dass er den katholischen Hardlinern in seiner Partei gefallen wollte. Eine breite Koalition aus Atheisten und Verteidigern der Menschenrechte fürchtet nun eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. "Wir können es uns nicht leisten, das Prinzip der Meinungsfreiheit zu unterminieren", warnte der "Irish Examiner".

"Diffamierung von Religion"

Auch widerspricht das Gesetz der Position, die die irische Regierung international vertritt. Erst im Dezember stimmte Irland gemeinsam mit dem Rest der EU gegen eine Uno-Resolution, die die Weltorganisation darauf festlegen sollte, die "Diffamierung von Religion" zu bekämpfen. Diesen Widerspruch gibt es allerdings auch in anderen europäischen Ländern, die immer noch Gotteslästerungsparagrafen in ihren Gesetzesbüchern führen. Dazu zählt auch Deutschland.

Atheismus und Religion

In Irland scheint das Blasphemie-Gesetz nun eine unvorgesehene Dynamik auszulösen: Es wirkt wie ein Weckruf für eine neue soziale Bewegung für ein säkulares Irland. Zur ersten Vollversammlung der im Dezember gegründeten Gruppe Atheistisches Irland kamen am vergangenen Wochenende laut "Irish Times" mehr als 150 Personen, und bald waren die Mitgliedsanträge vergriffen.

Die Gruppe will ein gotteslästerliches Statement herausgeben, um ein Grundsatzurteil zu erzwingen. Auch fordern sie, ein Referendum abzuhalten, um den Blasphemie-Paragrafen aus der Verfassung zu streichen. Man könne es doch zeitgleich mit dem Referendum über den Lissabon-Vertrag am 2. Oktober abhalten, schlägt einer der Gründer der Gruppe, Michael Nugent, vor.

Andere empfehlen Gelassenheit. Arthur Mathews, einer der Erfinder der Neunziger-Jahre-Sitcom "Father Ted", die sich über den irischen Katholizismus lustig macht, sagte: "Die beste Haltung zu diesem Unsinn ist, einfach drüber zu lachen. Das irische Volk hat kein Verlangen danach, deshalb wundere ich mich, warum Dermot Ahern es überhaupt aufgebracht hat."

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